"Die guten Meister des deutschen Hauses." (Auswahl) - Seite 05
Einleitung 1a


Zeichnung: Ludwig Richter (1803-1884)
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Gehst du in die schweigsame Frühe eines tagenden Sommermorgens hinaus - der Tau blinkt auf den Gräsern, dir zu Häupten wirbelt der Chor der Lerchen - und du atmest mit dem Duft der Blumen und Kräuter die heilige Stille in dich ein, die rings die erwachende Flur durchschauert, und du weißt nicht, wie dir wird vor lauter Lust und süßem Weh, meinst, du müssest die Erde und alle Himmel umarmen - - das ist so recht die Stimmung, aus der die Bilderwelt dieses Buches geboren ist und von der du ein gut Stück in dir tragen musst, willst du ihrer Schönheit ganz und wahrhaftig inne werden.

Ein tausendfältiger Frühling war es, der gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts aus den Herzen der Maler und Dichter entsprang; in einem Blütenmeer von Liedern und Bildern - kleinen, unscheinbaren Gebilden und doch köstlichen Kleinodien - brach er auf und offenbarte, was am stärksten und am geheimsten zugleich in deutscher Seele lebte und webte. Das war ein Singen und Klingen, ein Jubilieren wie aus tausend Kehlen! War es der Schwanengesang der deutschen Seele? Gerade damals fluteten die Wogen einer andersartigen, neuzeitlichen Gesinnung über Deutschland dahin und drohten alles hinwegzuspülen. Oder war es, im Gefühl der Gefahr, ein entschiedenes "Bis hierher und nicht weiter", das die Künstler den andringenden Mächten entgegenstellten, indem sie noch einmal den überschwänglichen Reichtum deutscher Wesensart vor aller Welt verkündeten?

Jene Welt ist äußerlich für uns versunken, aber wehe, wenn sie es auch in uns wäre! Sollen wir nicht von den Strudeln einer alles gleichmachenden Zeit verschlungen ...

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