→  [Startseite] →  [Mappe-Übersicht] →  ["Wohin treiben wir?" von anonym [Hans Zehrer], Sonderdruck aus "DIE TAT" August 1931]  ← 
Seiten: [01] Titelblatt [02] S. 330 [03] S. 331 [04] S. 332 [05] S. 333 [06] S. 334 [07] S. 335 [08] S. 336 [09] S. 337 [10] S. 338 [11] S. 339 [12] S. 340 [13] S. 341 [14] S. 342 [15] S. 343 [16] S. 344 [17] S. 345 [18] S. 346 [19] S. 347 [20] S. 348 [21] S. 349 [22] S. 350 [23] S. 351 [24] S. 352 [25] S. 353 [26] S. 354 [27] Bestellzettel
Zitate zum Autor: [28] Gangolf Hübinger [29] Wikipedia






















































































nach oben

"Wohin treiben wir?" von anonym [Hans Zehrer], Sonderdruck aus "DIE TAT" August 1931

Die folgenden Zitate konnten nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden. Sie stehen aber wohl zu diesem im Verhältnis wie die Auflagenziffern der Tat-Zeitschrift bei Hübinger zu denen bei Wikipedia. [wh]

zitiert aus:
http://www.historischeskolleg.de/fileadmin/pdf/kolloquien_pdf/Kolloquien66.pdf

Gangolf Hübinger:
Religion und politische Streitkultur im „Jahrhundert der Intellektuellen“ . . . 101

Zitate S. 116/117

Der Weltwirtschaftskrise folgte in Deutschland eine Bücherkrise, weniger eine Zeitschriftenkrise. Der Troeltsch-Hörer Zehrer, Journalist der Vossischen Zeitung aus dem Berliner Ullstein-Verlag, organisierte mit jungen Nationalökonomen aus der Schule Alfred Webers eine erfolgreiche Intellektuellengruppe. Stärker als anderen konservativen Zeitschriften gelang es dem Tat-Kreis, dessen Wortführer wie Zehrer selbst der „Generation um 1900“ angehörten, ein generationsspezifisches rechtsintellektuelles Gruppenbewußtsein auszubilden, aus dem heraus die unmittelbar bevorstehende neokonservative Transformation der Verfassung mit analytischer Schärfe und prophetischem Gestus gleichermaßen verkündet wurde. Die emporschnellenden Auflagenziffern von 2 000 auf 20 000 Tat-Nummern bekunden den Anklang, den das Tat-Modell unter der Leitformel „Autoritärer Staat und Volksgemeinschaft“ 70) in der sich seit 1930 ständig verschärfenden Staatskrise fand.

Zehrer stimmte die „Tat“ auf realpolitische Krisendeutung in verschärfender Absicht. Sein religiöser Grundton, der ihm das Vertrauen des Verlegers eingetragen hatte, blieb unterschwellig in den existentialistischen und metaphysischen Leitartikeln und Betrachtungen erhalten. So zieht sich eine Linie von seinem mit Jacob Burckhardt eingeleiteten Artikel „Wohin treiben wir? Weltuntergangsstimmung“ vom August 1931 zur Klage „Die eigentliche Not unserer Zeit. Der Mensch ohne Gesicht“ vom Februar 1933 71. Zehrer kannte die anthropologische Ursache der Gegenwartskrise, es ist die „Krise des Menschen“ als solche 72). Aber hier sah er innerweltliche „Erlösung“: „Geht hinaus auf die Sportplätze! Seht euch die Seen und Flüsse an, auf denen heute Wassersport getrieben wird ... Horcht hinein in die Jugend, die heute bei den Nationalsozialisten oder den Kommunisten sind. Es ist das beste Menschenmaterial, über das Deutschland je verfügte.“73) Soziologisch setzte er auf die „Revolution der Intelligenz durch die akademischen, technischen und Verwaltungseliten des neuen Mittelstandes. Diese politische Prämierung eines bestimmten Intellektuellentypus steht in einer spezifischen Tradition der europäischen Intellektuellengeschichte, es handelt sich um eine rechtsextreme Variante

------
69 Zur religiösen Kontinuität vgl. Edith Hanke und Gangolf Hübinger, Von der „Tat“-Gemeinde zum „Tat“-Kreis. Die Entwicklung einer Kulturzeitschrift, in: Hübinger (Hrsg.): Versammlungsort moderner Geister 299-334.

70 Exemplarisch für die ständig wiederholte Herrschafts- und Gesellschaftsauffassung siehe Hans Zehrer, Revolution oder Restauration? Die drei Elemente des Staates, in: Die Tat 24 (1932) 353-393.

71 Anonym (Hans Zehrer): Wohin treiben wir: Die Tat 23 (1931) 329-354; Hans Zehrer, Die eigentliche Not unserer Zeit, Die Tat 24 (1933) 913-926

72 Ebd. 331.
73 Ebd. 354.
------
der britischen Fabier-Intellektuellen, die dort allerdings in die Geschichte des Sozialismus und der Labour Party gehören.

...

Es gehört schon zu den bemerkenswerten Konstellationen in der intellektuellen Gründungsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, wie Hans Zehrer und Giselher Wirsing, die Krisen-Rhetoriker der „totalen Revolution“ 74), nach 1945 sehr schnell in Schlüsselstellungen der protestantischen Publizistik gelangten. Hans Zehrer, der vor dem Zweiten Weltkrieg sowohl mit dem späteren Hannoverschen Landesbischof Hanns Lilje als auch mit Axel Springer bekannt war, leitete zwischen 1948 und 1953 das von Lilje ins Leben gerufene „Sonntagsblatt“, das spätere „Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt“, bevor er von Axel Springer die Chefredaktion der „Welt“ erhielt. Giselher Wirsing war von 1954 bis 1970 Chefredakteur von „Christ und Welt“. Die „Tat“ als „religiös-soziale Monatsschrift“ hat durch die beiden über 1945 hinaus eine stärkere religiöse Langzeitwirkung entfaltet, als bei aller Forschung zur Bedeutung des Protestantismus für die Entstehung der Bundesrepublik und zu einer nationalkonservativen Kontinuität des politischen Journalismus bisher in den Blick gekommen ist. Der Tat-Geist, nicht in seiner staatssozialistischen, wohl aber in seiner religiös imprägnierten Parlamentarismus- und parteienfeindlichen Variante und in der Abwehr pluraler Gesellschaftsbilder ist in Konkurrenz zur Westorientierung in die intellektuelle Gründungsgeschichte der Bundesrepublik und in die so vielstimmigen wie dissonanten Entwürfe eines christlichen Europa 75) eingeflossen.

...

------ 74 Zehrer, Wohin treiben wir 343: „Wir erleben heute also zum erstenmal ein weltgeschichtliches Ereignis, das man nicht anders als mit dem Wort einer 'totalen Revolution' bezeichnen kann.“

75 Neben Sothen, Hans Zehrer als politischer Publizist 143-156 zur Entwicklung der protestantischen Publizistik, vgl. für das katholische Milieu Marie-Emmanuelle Reytier, Die deutschen Katholiken und der Gedanke der europäischen Einigung 1945-1949, in: Jahrbuch für europäische Geschichte 3 (2002) 163-184; ferner den einschlägigen Zeitschriftenvergleich bei Michel Grünewald in Zusammenarbeit mit Hans Manfred Bock (Hrsg.): Le Discours Europeen dans les Revues Allemandes (1945-1955) / Der Europadiskurs in den deutschen Zeitschriften (1945-1955) (Bern 2001).

========================




aus https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Zehrer

...

Von Oktober 1923 bis Oktober 1931 war er Redakteur der Vossischen Zeitung. Den ihm 1931 angebotenen Posten des Chefredakteurs der Vossischen Zeitung lehnte er ab. Stattdessen hatte er im Oktober 1929 die heimliche Herausgeberschaft der im Verlag von Eugen Diederichs erscheinenden Monatszeitschrift Die Tat übernommen, die unter Zehrers Leitung ihre Auflage erheblich steigern konnte: Binnen drei Jahren steigerte sie ihre Auflage um das Dreißigfache von 1.000 Exemplaren pro Ausgabe auf 30.000 – damals eine beachtliche Auflage, zumal, da zu dieser Zeit kein Mangel an rechtsgerichteten politischen Zeitschriften bestand. Zusammen mit Ernst Wilhelm Eschmann, Giselher Wirsing und Ferdinand Friedrich Zimmermann bildete er den sogenannten „Tat-Kreis“, der in der Spätphase der Weimarer Republik einen erheblichen Einfluss auf die öffentliche Meinung ausübte. Etwas loser gehörten der Gruppe noch Männer wie Hellmuth Elbrechter und Ferdinand Fried an. Im Tat-Kreis nahm Zehrer bald eine beherrschende Stellung ein. Zehrers Gegner von der linken Zeitschrift Die Weltbühne veranlasste dies dazu, ihn bissig als den „Duce des Tatkreises“ zu bezeichnen. Obwohl Zehrer den Nationalsozialismus ablehnte, wählte er, wie seine Ehefrau später berichtete, seit den frühen 1930er Jahren die NSDAP. Die Hoffnung, die er daran knüpfte war, so zur Erosion des Weimarer Staates beizutragen und „das System endlich zu stürzen.“