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Der Staat.*)

153 - Der Staat.

Die trotz vielfachen Angriffen immer noch herrschende Auffassung von dem Wesen und der Entstehung des Staates läßt sich in den folgenden Satz fassen: Der Staat ist die Organisation des menschlichen Zusammenlebens; er verdankt seine Entstehung entweder einer von Natur den Menschen eingepflanzten Soziabilität (die stoische Lehre) oder dem unwiderstehlichen Zwang, der die von Natur ungeselligen, der Organisation widerstrebenden Wilden zum friedlichen Zusammenschluß zwang, um dem „Krieg Aller gegen Alle" ein Ende zu bereiten, der alle kaum beginnende Wohlfahrt immer wieder zerstörte (die epikmäische Lehre). Die beiden einander scheinbar ausschließenden Auffassungen sind dann durch Vermittelung der bibelgläubigen, kanonischen Philosophen des Mittelalters mit einander verschmolzen worden: Der Mensch, „von Natur" ein geselliges Wesen, wird durch den Sündenfall, den Brudermord des Kain und die Sündhaftigkeit beim Thurmbau zu Babel in unzählige einander bis aufs Blut bekämpfende Stämme zersplittert, die dann zuletzt sich friedlich zum Staat vereinen.

Diese Auffassung ist völlig unhaltbar. Der logisch denkende Betrachter erkennt die Verwechselung einer Masse und einer ihr untergeordneten Art. Denn allerdings ist der Staat eine Form des organisirten politischen Zusammenschlusses von Menschen: aber er ist eine Form von spezifischen Merkmalen. Jeder Staat der uns bekannten Weltgeschichte war und ist ein Klassenstaat. Das heißt: ein System von einander über- und untergeordneten sozialen Rang- und ökonomischen Vermögensklassen. Dieses Gebilde muß uns vor allen der „Staat" heißen; mit ihm haben wir in historischer Betrachtung allein zu thun. Und wir hätten nur dann das Recht, jede Form der politischen Organisation ohne nähere Unterscheidung mit dem selben Wort zu bezeichnen, wenn keine andere als der Klassenstaat gegeben oder auch nur denkbar wäre. Mindestens müßte der Nachweis geführt werden, daß jede denkbare politische Organisation von Menschen durch eigene, ihr immanente Entwickelungsgesetze auch dann in die spezifische Form des Staates als Klassenstaat übergehen muß, wenn sie ursprünglich kein solches System einander über- und untergeordneter Rang- und Vermögensklassen dargestellt hatte. Ließe sich dieser Nachweis erbringen, so gäbe es in der That nur eine Form des politischen Zusammenschlusses, an der wir dann nur verschiedene Entwickelungstadien zu unterscheiden hätten: ein Stadium des Beginnes, in dem die Klassenscheidung noch nicht vorhanden ist, ein Stadium der Reife, in dem sie sich voll entwickelt präsentirt. Das hier gestellte Problem ist den früheren Staatsphilosophen nicht ganz verborgen geblieben. Und sie haben sich denn auch bemüht, den eben ver-
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*) Entwurf einer Einführung in die fremdsprachigen Ausgaben meines Buches „Der Staat" (Ruetten & Loening).

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langten Nachweis zu führen, daß kraft immanenter Entwicklungtendenzen jede politische Organisation zwischen Menschen allmählich in den Klassenstaat einmünden muß. Das ist die Staatstheorie der Naturrechtslehrer, die sie wieder von den Kanonisten übernommen haben; sie ist bei Hobbes völlig ausgeprägt und geht dann, durch Vermittelung von Quesnay, in den Bestand der Ökonomik über, die noch jetzt von ihr beherrscht und abgelenkt wird.

Dieser Beweis wurzelt in der Vorstellung von der „previous accumulation", der ursprünglichen Anhäufung von Vermögen, Grund- und Kapitalvermögen, durch rein ökonomische Kräfte; einer Lehre, die Karl Marx mit berechtigtem Hohn als eine „Kinderfibel" bezeichnet hat. Wir wollen uns das Schema ansehen. Irgendwo in einem weiten fruchtbaren Landgebiet schließt sich eine Anzahl freier, gleichberechtigter Menschen zu gemeinsamem Schutz und Trutz zusammen. Allmählich differenziren sie sich in Vermögsnsklassen: der Stärkere, Klügere, Sparsamere, Fleißigere, Vorsichtigere sammelt einen Vermögensstamm an Grund und Boden oder beweglichen Gütern; die Unbegabteren, Schwächeren, die zu Verschwendung und Unvorsichtigkeit Geneigten bleiben arm. Die Reichen leihen die von ihnen besessenen Produktivgüter den Aermerm gegen eine Abgabe, die Grundrente oder den Profit, und werden so immer reicher, während die Aermenn arm bleiben. Diese Vermögensunterschiede werben nach uns nach zu solchen der sozialen Ranqklassen: denn überall haben die Reichen den Vorrang; sie allein haben die Zeit und die Mittel, um sich den öffentlichen Angelegenheiten zu widmen; sie verstehen wohl auch, die Gesetze zu ihrem Vortheil zu wenden. So entstehen allmählich Adel und Großbürgerstand und die besitzlose Klasse der Proletarier. Der primitive Staat der Freien und Gleichen hat sich in den Klassenstaat entwickelt, und zwar nach immanenten Entwickelungsgesetzen: denn in jeder beliebigen denkbaren Menschenmenge giebt es eben Starke und Schwache, Kluge und Dumme, Vorsichtige und Verschwenderische.

Das klinzt recht plausibel und stimmt auch mit den Erfahrungen unseres täglichen Lebens überein. Oft sehen wir, daß ein besonders begabtes Mitglied der Unterklasse nicht nur in die Oberklasse emporsteigt, sondern sogar in ihr zur Führung gelangt; und eben so oft, daß ein verschwenderisches oder schwachbegabtes Mitglied der Oberklasse in das Proletariat herabsinkt, „seine Klasse verliert".

Dennoch ist diese ganze Theorie von A bis Z falsch, ist Kinderfibel, ist Klassentheorie Zur Verteidigung der Privilegien der Oberklasse. Der Klassenstaat ist nie und nirgends in dieser Weise entstanden und kann nie und nirgends in dieser Weise entstehen. Das läßt sich historisch zur fast vollen Evidenz und ökonomisch deduktiv mit absoluter mathematischer Sicherheit nachweisen.

Die historische Induktion zeigt uns, so weit immer wir in die Nebel

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hineinblicken können, die die Anfänge der Geschichte verhüllen, Klassenstaaten von einem völlig anderen Typus als dem dieser naturrechtlichen Konstruktion. Wir finden überall nicht Unterordnung-, sondern Unterwerfungverhältnisse; und Überlieferung wie Sprachwissenschaft zeigen uns, daß diese Unterwerfungverhältnisse nicht auf ökonomische Differenzirung, sondern auf kriegerische Versklavung zurückführen. Den Römern heißt der Sklave mancipium: das mit gewaffneter Hand ergriffene menschliche Lastthier; den Spartanern heißt er Helot: Kriegsgefangener; den Deutschen heißt er Sklave: der im Krieg gefangene Slave. Die ganze antike Welt und das ganze Mittelalter bauen ihre politischen Gemeinwesen auf das Fundament unfreier, gewaltsam nach dem Recht des Stärkeren angeeigneter menschlicher Arbeitkraft: keine Thatsache in der Weltgeschichte ist sicherer, ist so sehr Regel ohne Ausnahme wie diese.

Zwar kennen wir aus der Völkerkunde eine Anzahl von Stämmen primitivster Gesittung, die weder Sklaverei noch Hörigkeit kennen. Das sind die Sammler, die niederen Jäger und Fischer, hier und da ists auch einmal ein kleiner schwacher Hirtenstamm. Wenn man diese lockeren Gemeinwesen durchaus als „Staaten" bezeichnen will, so ist dagegen ja schließlich nichts zu machen; nur fehlt ihnen das Hauptkennzeichen, das den Staat erst vollendet: das fest begrenzte Landgebiet. Aber die Völkerkunde und Weltgeschichte giebt nicht ein einziges Beispiel dafür, daß sus solchen Stämmen ohne Klassengliederung sich ein Staat im eigentlichen Sinn, ein System von Klassen, aus eigenen Kräften herausentwicklt habe. Auch die Jäger werden erst staatenbildend, wenn sie, wie die Inka und Azteken, Bauernschaften unterwerfen und die einzige irgendwie staatenähnliche Bildung, die wir aus dem Gebiet der niederen Jäger kennen, der Bund der Irokesen, war auf die Unabhängigkeit und Tributpflichtigkeit anderer Jägerstämme gebaut, die, wie es scheint, schon zu einer gewissen Seßhaftigkeit mit etwas mehr vorwiegendem Ackerbau gelangt waren, der Delawaren und Anderer. Etwas Ackerbau treiben nämlich alle Jäger.

Daß die Historik diese lückenlose Thatsachenreihe hartnäckig ignorirt, ist eine der merkwürdigsten Thatsachen in der Geschichte der an solchen Merkwürdigkeiten überreichen Gesellschaftwissenschaft. Die psychologische Ursache ist leicht erkennbar nichts kann dem Klassenstaat gefährlicher sein als die Enthüllung seiner Ursprünge und seines Wesens. Wer den dichten Schleier abreißt und der unterworfenen und besteuerten Volksmasse zeigt, daß nicht der göttliche Wille, nicht gemeinsame Noth den Staat erschaffen hat, sondern die Gewalt des Stärkeren in Raub, Krieg und Mord, Der legt allerdings die Axt an die Lebenswurzel der heutigen Staaten. Darum klammern sich die Historiker an die Thatsache, daß wir über die Uranfänge der ersten Staaten der Geschichte in der That nichts wissen und nichts wissen können. Sie sagen:

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„Wir wollen zugeben, daß, zum Beispiel, schon die Staaten des Nillandes und des Zweistromlandes durch die Unterwerfung einer Menschengruppe durch die andere entstanden sind: aber diese Menschengruppen waren eben schon vorher Staaten. Sie hatten sich schon vor dem Zusammenstoß in Klassen gegliedert; und diese Klassengliederung hätte auch in ganz der selben Weise sich vollziehen müssen, wenn statt der Eroberung ein friedlicher Bündnißvertrag die beiden Bestandtheile vereinigt hätte."

Diese Auffassung läßt sich mit historischen Mitteln natürlich nicht widerlegen. So weit wir auch zurückgehen mögen: wir stoßen immer auf irgendwie politisch organisirte Menschengruppen, die gegen einander kämpfen, von denen eine die andere unterwirft; und diese Menschengruppen sind in der That immer schon „Staaten". Bis zu der von den Naturrechtlern vorausgesetzten Urgesellschaft der Freien und Gleichen reicht eben keine historische Kunde zurück; und so kann man mit diesen Mitteln nur zu einem Non liquet gelangen, wenn man sich nicht dazu herbeiläßt, neben den historischen auch die ethnographischen Quellen zu prüfen. Das aber lehnen die Historiker ab; mit der etwas fadenscheinigen Begründung, daß man nicht wissen könne, wie sich die unorganisirten Gruppen der Jäger und Hackbauern weiter entwickelt hätten, wenn sie nicht mit stärkeren politischen Mächten zusammengestoßen wären. Die Historik verkriecht sich also zuerst hinter den Schleier der Vergangenheit und dann hinter den der Zukunft. Doch giebt es ein Mittel, sie aus ihren letzten Zufluchthöhlen zutreiben: die soziologisch-ökonomische Deduktion. Mit mathematischer Sicherheit läßt sich, durch ein einfaches Rechenexempel, zeigen, daß die Lehre von der ursprünglichen Akkumulation falsch ist und für die Entstehung des Klassenstaates nicht herangezogen werden darf.

Alle Naturrechtslehrer haben übereinstimmend erklärt, daß die Differenzirung in Einkommens- und Vermögensklassen erst mit dem Augenblick einsetzen kann, wo der Grund und Boden des Landes voll besetzt ist. So lange noch der Mensch Zutritt in freies Land hat, so lange, sagt Turgot, fällt es Keinem ein, in die Dienste eines Anderen zu treten; ich füge hinzu: wenigstens nicht ohne einen Lohn, der nicht bedeutend höher ist als der des selbständigen Bauern auf ausreichendem, unverschuldetem Lande: denn Verschuldung ist nicht möglich, so lange der Boden noch freies Gut ist wie Luft und Wasser. Freies Gut hat keinen Werth; und Niemand leiht auf das Werthlose.

Die Naturrechtslehrer nahmen nun an, daß der Zeitpunkt der Vollbesetzung des Bodens bei starkem Wachsthum einer ursprünglich auch sehr kleinen Bevölkerung sehr schnell eintreten müsse. Sie glaubten ihn zu ihrer Zeit seit vielen Jahrhunderten erreicht und überschritten und datirten daher die vorhandene Klassengliederung naiv von diesem Zeitpunkt ab. Sie sind niemals auf den Gedanken gekommen, nachzurechnen; und ihren Spuren sind bis vor

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ganz kurzer Zeit alle Soziologen, Historiker und Ökonomisten, gefolgt. Erst ich habe vor kurzer Zeit die Rechnung gemacht; und bin zu einem in der That verblüffenden Ergebniß gelangt.

Wir können mit ziemlicher Genauigkeit feststellen, wie viel Land in den gemäßigten Zonen bei mittlerem Boden eine bäuerliche Familie braucht, um behaglich zu leben, und wie viel sie mit ihren eigenen Kräften, ohne Heranziehung von Helfern oder dauerndem Gesinde, bebauen kann. Die germanische Hufe der Völkerwanderungzeit umfaßte auf Mittelboden dreißig, auf sehr gutem Boden nur zehn bis fünfzehn Preußische Morgen (vier Morgen ein Hektar). Von dieser Fläche lag jährlich mindestens ein Drittel, meist die Hälfte in der Brache. Der Rest von fünfzehn bis zwanzig Morgen erbrachte bei einer sehr primitiven Technik, die von der Fläche allerhöchstens die Hälfte des heutigen Kornertrages erwirthschaftete, Nahrung genug, um die ungeheuer starken Familien der kinderreichen Germanen zu Riesen aufzufüttern. Wenn wir annehmen, daß trotzdem auch heute noch dreißig Morgen für den Durchschnittslandwirth zur Ernährung einer Familie nöthig sind (mehr kann er auch ohne Arbeiter und Gesinde nicht bestellen), dann haben wir das Maß des Ackerbesitzes hoch genug geschätzt, um jedem Einwand zu begegnen. Wenn man aber heute die landwirthschaftliche Fläche eines so überaus dicht besiedelten Landes wie Deutschlands durch die Zahl der landwirthschaftlichen Bevölkerung (mit Arbeitern und Angehörigen) dividirt, so findet man, daß bei gleicher Vertheilung des Bodens auf jede Familie von fünf Köpfen vierzig Morgen fallen würden; noch nicht einmal in Deutschland wäre heute also der Zeitpunkt erreicht, von dem an die Differenzirung der Klassen nach der naturrechtlichen Anschauung erst beginnen kann. Die selbe Betrachtung ergiebt in dünner besiedelten Ländern, wie Rußland, Ungarn, Donaustaaten, Türkei, natürlich noch viel erstaunlichere Zahlen. Ja, wenn man die Zahl der auf der ganzen Erde vorhandenen Morgen fruchtbaren Landes durch die Zahl der vorhandenen Menschen dividirt, so stellt sich heraus, daß man jeder Familie von fünf Köpfen durchschnittlich dreißig Morgen zuweisen könnte und daß dennoch etwa zwei Drittel des Planeten noch unbesetzt blieben.

Der Zeitpunkt also, wo die Differenzirung der Klassen einsetzen könnte, weil aus rein ökonomischen Gründen eine vermögenlose Arbeiterklasse entstanden ist (der kritische Zeitpunkt, wo das Bodeneigenthum „natürliche Seltenheit" erreicht hat), liegt noch in unabsehbarer Zukunft vor uns; und wir wissen nicht, ob er überhaupt jemals erreicht werden kann.

Numeri trahunt! Gegen dieses Exempel giebt es keinen Appell. Es beweist unzweideutig, daß die Klassenverschiedenheit, daß der Klassenstaat nicht entstanden sein kann durch ursprüngliche Akkumulation aus einem Zustand allgemeiner Freiheit und Gleichheit; daß er nur entstanden sein kann durch

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kriegerische Unterwerfung einer Menschengruppe durch eine andere. Der Boden hat nicht natürliche Seltenheit erhalten, sondern rechtliche Seltenheit; die siegreiche Gruppe hat ihn gesperrt gegen das Siedlungbedürfniß der unterworfenen Gruppe, die sie nur gegen Zahlung einer Abgabe, der Grundrente, zur Arbeit am Grund und Boden zuläßt; und die Rechts- und Macht-Einrichtung, die dieses Verhältniß statuirt hat und aufrecht erhält, ist der Staat.

Der Staat ist also die einer besiegten Menschengruppe einseitig auferlegte Rechtseinrichtung mit dem Zweck, die Unterklasse zu Gunsten der Oberklasse zu besteuern, dieser unentgolten einen Theil des Arbeitertrages der Unterklasse zuzuwenden. Das ist das Wesen und der Zweck des primitiven Staates.

Wie er sich entfaltet hat, wie er immer mehr sich dem Zustand nähert, in dem er aussehen wird, als wäre er wirklich durch einen contrat social zwischen Freien und Gleichen geschaffen worden: Das will ich heute hier nicht weiter erörtern. In meinem Buch ist dieser Entwicklungsgang geschildert. Der flüchtige Blick lehrt schon, daß der Staat heute noch die stärksten Spuren seiner Entstehung an sich trägt. Trotz aller Milderung und aller Uebernahme gemeinnütziger Aufgaben ist er noch immer, was er von Anfang an war: eine Rechtseinrichtung, der Unterklasse aufgezwungen zum Zweck ihrer Besteuerung für die wirtschaftlichen Zwecke der Oberklasse. Grundrente und Profit sind noch heute nichts Anderes als Antheile am Arbeitertrag der ehemals Besiegten und ihrer Rechtsnachfolger.

So schmerzlich diese Erkenntniß auch für die Nutznießer der Staaten sein mag: die Wissenschaft will nichts als Wahrheit und fragt wenig danach, ob sie Klassen oder Personen gefällt oder nicht.

Großlichterfelde. Dr. Franz Oppenheimer.


Wir sollten nicht staunen, wenn (nach dem schottischen Sprichwort: „Satte werden von Hungrigen nicht verstanden") die Logik des Reichen, der die Rechte des Eigenthumes vertheidigt, dem Armen, der seine Kinder nach Brot schreien hört, nicht lückenlos scheint. Wissen wir etwa nicht, wie die Noth wirkt? Selbst Weise macht sie zu reizbaren, leichtgläubigen Thoren, die nach Erleichterung ihrer Lage trachten und nach später vielleicht eintretenden Folgen nicht fragen. (Macaulay.) Der Sozialismus will nicht das Eigenthum abschaffen, sondern, im Gegentheil, individuelles, auf die Arbeit gegründetes Eigenthum erst einführen. (Lassalle.) Viel richtiger als die kommunistische Forderung des gleichen Genusses ist die sozialistische Forderung eines Minimums für jeden Menschen (Stahl.) Der polemische Theil des Kommunismus ist seine glänzendste Seite. Seiner schmerzlich beschämenden Wirkung kann kein gefühlvolles Herz sich entziehen. (Gutzkow.) Die Behauptung, Gleichheit sei ein Naturgesetz, ist falsch. Im Reich der Natur giebt es keine Gleichheit. Ihr höchstes Gesetz fordert Unterordnung und Abhängigkeit. (Vauvenargues)



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