Der Schluss von Heinrich Seidel: Am See und im Schnee - Eine Weihnachtsgeschichte
... Endlich gewann Herr Maifeld Macht über sich und fand seine Sprache wieder:
»Ein famoster Kerl, dein Sohn!« sagte er, »solchen möcht' ich woll haben!«
»Na, und so'n schönes, liebes Töchting!« erwiderte Herr Dieterling, »das ließ ich mir auch woll gefallen.«
O wie hell horchte Fritz auf, als er diese Worte hörte! Mit einemmal war er an Hellas Seite, zog sie, die den Kopf an seine Brust schmiegte, an sich und rief: »Dieser Wunsch, liebe Väter, kann auf der Stelle in Erfüllung gehen – wir haben nichts dagegen!«
Die beiden Männer waren ganz starr vor Verwunderung und sahen erst sich, dann das schöne Pärchen an.
»Ne, so'n Racker!« sagte Herr Maifeld endlich.
»So'n Jesuwiter!« fügte Herr Dieterling hinzu, wobei jeder den eigenen Sprößling meinte. Aber was sollten sie machen, überrumpelt waren sie nun einmal, und da die alte Feindschaft plötzlich zu Ende war, so lag auch nicht der geringste Grund dagegen vor. Sie schenkten also die Kinder einander zum Weihnachten, setzten sich behaglich an die reichbesetzte Tafel, und es herrschte Friede und Wohlgefallen.
Nach einiger Zeit kamen der biedere Krischan und der brave Johann, und nachdem sie ihrer Verwunderung Herr geworden, als sie die beiden Parteien so friedlich und einig beieinander fanden, da meldeten sie, daß in einer Stunde etwa die Schlitten vorfahren würden, da dann die Arbeit der Säuberung des Hohlweges beendet sein würde. »Einundtwintig Kierls hebben wi dor bi krägen«, sagte Krischan, »dat schafft! Un dat sniet nich mihr un is ganz stiernklor un barborschen kolt!«
Als die Wirtin zufällig eintrat, da rief Herr Dieterling vergnügt: »Gaud, dat Sei rinkamen, Fru Nägendank, nu gahn S' mal bi un nehmen S' wat Ehr gröttst' Pott is, und den'n maken S' mal vull Krock von Rum, äwer nich tau stark von Water, un'n poor Gläs' bi, un dat geben S' Krischan'n mal mit. Un Krischan, du seggst dei Lühr, sei süllen Herrn Maifelden sin Gesundheit drinken!«
»Un Fru Nägendank«, rief dann Herr Maifeld, »denn nehmen S' mal glik Ehren annern gröttsten Pott und maken S' em vull Krock von Arak, äwer ok nich tau stark von Water, un 'n poor Glas' bi, un dat geben S' minen Johann mit. Un du, Johann, seggst dei Lühr, sei süllen Herrn Dieterling leben laten!«
Die beiden Kutscher grinsten und versprachen diese Aufträge zur Zufriedenheit zu erfüllen.
Nach einer Stunde etwa klingelten die mit frischen Pferden bespannten Schlitten vor der Haustür, die Versöhnten und die Verlobten hüllten sich in Mäntel und Pelze, stiegen in ihre Fußsäcke und fuhren hinaus in die kalte, sternklare Winternacht. Als sie an das Ende des Hohlweges kamen, da standen die Wildingshäger Leute auf der einen, die Braunsberger auf der anderen Seite des Ufers, und die Frau Wirtin mußte wohl zu den Kutschern einiges geschwatzt haben, denn die Männer präsentierten ihre Schaufeln und brüllten, so laut sie konnten:
»Dei jung' Herr sall leben, un dat Frölen ok dorneben, vier Faut hoch!«
»Vier Faut«, sagten sie, denn also übersetzten sie Vivat in ihr geliebtes Plattdeutsch. Aber die, denen dieses Hoch galt, lebten ja viel höher in dem seligen Reiche der Hoffnung und Erwartung holden Glückes. Und ob sie nun auch bald getrennt dahinfuhren durch die blaue, funkelnde Winternacht und den silberglänzenden Schnee, sie trugen in ihren Herzen den jungen Frühlingsmorgen mit rosigem Gewölk und dem Gesange jauchzender Lerchen.
--- ENDE ---