Felder und Wiesen

Umschlag "Felder und Wiesen" (47 KB)

WAS IST DIE WELT?

Was ist die Welt? Ein ewiges Gedicht,
Daraus der Geist der Gottheit strahlt und glüht,
Daraus der Wein der Weisheit schäumt und sprüht,
Daraus der Laut der Liebe zu uns spricht
Und jedes Menschen wechselndes Gemüt,
Ein Strahl ist's, der aus dieser Sonne bricht,
Ein Vers, der sich um tausend and're flicht,
Der unbemerkt verhallt, verlischt, verblüht.
Und doch auch eine Welt für sich allein,
Voll süß geheimer, nie vernommener Töne,
Begabt mit eigner, unentweihter Schöne,
Und keines Andern Nachhall, Widerschein.
Und wenn du gar zu lesen drin verstündest,
Ein Buch, das du im Leben nicht ergründest.

Hugo von Hofmannsthal

 

FRÜHLING

 

Pferde mit Säwagen und Walzen (78 KB) 

VORFRÜHLING

Der Frost verging; schon schaut die schwarze Erde
am Südhang feucht und dunkel aus dem Schnee.
Doch kalt und winterlich ist die Gebärde
der Flur, durch die ich frühlingsuchend geh'.

Noch zeigt sich keine Knospe an den Zweigen,
kein zartes Hälmchen wagte sich hervor,
da trifft gar süß nach langem Winterschweigen
der erste zage Vogelruf mein Ohr.

Und wunderlich will sich mein Herze rühren
beim Ton aus dieser kleinen Vogelbrust.
Kannst du denn auch den Frühling schon so spüren,
du kleiner Fink, daß du ihn singen mußt?!

Rita Reiners

 

FEBRUAR

Im Winde weh'n die Lindenzweige,
Von roten Knospen übersäumt;
Die Wiegen sind's, worin der Frühling
Die schlimme Winterzeit verträumt.

Theodor Storm

 

KROKUS

Gott fügt es.
Er bestimmt die Zeit,
Er heißt ihn blühn, obwohl es schneit,
und ihm genügt es.

Karl Heinrich Waggerl

 

NATURGEFÜHL

Eines zu sein mit allem, das ist Leben der Gottheit, das ist der Himmel des Menschen.

Eines zu sein mit allem, was lebt, in seliger Selbstvergessenheit wiederzukehren ins All der Natur, das ist der Gipfel der Gedanken und Freuden, das ist die heilige Bergeshöhe, der Ort der ewigen Ruhe, wo der Mittag seine Schwüle und der Donner seine Stimme verliert, und das kochende Meer der Woge des Kornfeldes gleicht. Eines zu sein mit allem, was lebt!

Friedrich Hölderlin

 

FRÜHLINGSWIESE

Die sanfte Wiese flieht
In einem runden Schwung zum Tal.
Oben ist alles noch kahl,
Im Grunde aber blüht Enzian
Und helles Primelgold.

Das rührt mich wie ein Lied
Mit Engelhänden an,
Ist wie ein Mädchenlied, so licht und hold.
Schmerzen schweigen, das alte Leid
Sinkt in Traum und Vergessenheit
Für einen Tag im Jahr.

Oh, es ist wunderbar,
Was der Frühling vermag.

Hermann Hesse

 

IM MORGENGRAUEN

Es war im Morgengrauen zur Frühlingszeit.
Der April stand träge von seinem Lager aus Dunkelheit und Nebel auf, wie ein Knecht, der erschöpft schlafen gegangen ist und ohne sich ganz ausgeruht zu haben bei Tagesanbruch wieder aufspringen und zum Pflug greifen muss.
Es tagte schon.
Die Nebel hatten sich wie schäumende, frischgemolkene Milch über die Wiesen und tiefgelegenen Felder ergossen. Von irgendwo aus den noch verhüllten Dörfern fingen die Hähne an wie im Wetteifer zu krähen. Die letzten Sterne erstarben wie Augen, die voll Schlaftrunkenheit sind.

Im Osten aber begann die Morgenröte aufzuglühen wie Feuersglut unter erkalteter Asche.

Der Tag gebar sich und rang mit der erblassenden Nacht, die sich über die Erde nur noch wie ein dicker durchnäßter Schafpelz legte.

Der Himmel ließ, sich immer dichter über die Erde herabsenkend, langsam eine Helle fluten, so daß schon hier und dort die nebelumsponnenen Schöpfe der Bäume ins Licht tauchten, und anderswo, auf den Anhöhen, entstiegen graue taudurchtränkte Felder der Nacht, Teiche blinkten mit ihren angelaufenen Spiegelflächen, und die Bäche zogen sich wie lange betaute Gespinste durch die dünner werdenden Nebel der Morgendämmerung dahin. Bis aus diesem blassen Zwielicht des Morgengrauens, aus diesen noch schlafbefangenen, dämmerigen Feldern, auf denen es noch war wie in der Kirche, die andachtsstumm und versunken daliegt, bevor der Priester das heilige Sakrament dem Volke zeigt, plötzlich ein Lerchensingen emporschoß ...

Es riß sich irgendwo vom Ackerland los, flog auf und begann zu klingen wie eine Betglocke aus purem Silber; es hob sich wie ein Frühlingsreis in den blassen Morgenhimmel, stieg himmelwärts, wurde lauter, so daß es in dieser heiligen Stille des Tagesanbruchs weit hinaus in die Welt erklang. Und der Tag war gekommen, wie ein grenzenloses Meer seligen Lichtes. Die Nebel stiegen wie Weihrauch von den Wiesen zum durchgoldeten Himmel auf, und die Vögel und jegliches Geschöpf stimmten den großen Lärm des Singens wie ein herzliches Dankgebet an.

W. S. Reymont

 

FREIES FELD

Die frische Luft des freien Feldes ist der eigentliche Ort, wo wir hingehören; es ist, als ob der Geist Gottes den Menschen dort unmittelbar anwehte und eine göttliche Kraft ihren Einfluß ausübte.

Johann Wolfgang von Goethe

 

EIN HERZ, DAS GOTT IN DEN WUNDERN VEREHRT

Ich höre die Vögel, ich sehe die Wälder,
Ich fühle das Spielen der kühlenden Luft,
Ich rieche der Blüte balsamischen Duft,
Ich schmecke die Früchte. Die fruchtbaren Felder,
Die glänzenden Wiesen, das funkelnde Naß
Der tauichten Tropfen, das wallende Gras
Voll lieblicher Blumen, das sanfte Gezische
Der mancherlei lieblich beblätterten Büsche,
Das murmelnde Rauschen der rieselnden Flut,
Der zitternde Schimmer der silbernen Fläche
Durch grünende Felder sich schlängelnder Bäche,
Der flammenden Sonne belebende Glut,
Die alles verherrlicht, wärmet und schmücket,
Dies alles ergötzet, erquicket, entzücket
Ein Auge, das Gott in Geschöpfen ersieht,
Ein Ohr, das den Schöpfer verstehet und höret,
Ein Herze, das Gott in den Wundern verehret,
Kein viehisch, nur einzig ein menschlich Gemüt.

Barthold Heinrich Brockes

 

SCHLÜSSELBLUMENLAND

Ach, die Wiesen! Seht die Wiesen!
Seht, die Wiesen werden wieder grün,
und die gelben Schlüsselblumen blühn!

Der Teich glänzt unbewegt
und klar.
Die Wolke steht im Flatterhaar.
Am Himmel segelt, selig leise
schnelle Reise,
eine weiße Wolkenschar.

Zwischen Knospen, in den Zweigen
des Holunders singt die Meise.
Wandelnd auf den feuchten Steigen
junge Männer mit dem Hut in der Hand,
und durch Mädchenzöpfe flicht sich
manch ein rot und blaues Band.

Wolken gehen, und die Mädchenkleider wehen
schattenwerfend übers Schlüsselblumenland.

Georg Britting

 

NATURERLEBEN

Eine wunderbare Heiterkeit hat meine ganze Seele eingenommen, gleich den süßen Frühlingsmorgen, die ich mit ganzem Herzen genieße. Ich bin allein und freue mich meines Lebens in dieser Gegend, die für solche Seelen geschaffen ist wie die meine. Ich bin so glücklich, mein Bester, so ganz in dem Gefühle von ruhigem Dasein versunken, daß meine Kunst darunter leidet. Ich könnt' jetzt nicht zeichnen, nicht einen Strich, und bin nie ein größerer Maler gewesen als in diesen Augenblicken. Wenn das liebe Tal um mich dampft, und die Sonne an der Oberfläche der undurchdringlichen Finsternis meines Waldes ruht, und nur einzelne Strahlen sich in das innere Heiligtum stehlen, ich dann im hohen Grase am fallenden Bache liege, und näher an der Erde tausend mannigfaltige Gräschen mir merkwürdig werden; wenn ich das Wimmeln der kleinen Welt zwischen Halmen, die unzähligen, unergründlichen Gestalten der Würmchen, der Mückchen näher an meinem Herzen fühle, und fühle die Gegenwart des Allmächtigen, der uns nach seinem Bilde schuf, das Wehen des Alliebenden, der uns in ewiger Wonne schwebend trägt und erhält; mein Freund! wenn's dann um meine Augen dämmert, und die Welt um mich her und der Himmel ganz in meiner Seele ruhn wie die Gestalt einer Geliebten - dann sehne ich mich oft und denke: ach könntest du das wieder ausdrücken, könntest du dem Papiere das einhauchen, was so voll, so warm in dir lebt, daß es würde der Spiegel deiner Seele, wie deine Seele ist der Spiegel des lebendigen Gottes! - Mein Freund! Aber ich gehe darüber zugrunde, ich erliege unter der Gewalt der Herrlichkeit dieser Erscheinungen.

Johann Wolfgang von Goethe

 

SONETT DER WELT

Unser Leiden, unsre Wonnen
Spiegelt uns die Allnatur,
Ewig gilt es unsrer Spur,
Alles wird zum Gleichnisbronnen:

Erstes Grün der frischen Flur,
Mahnst an Neigung zart begonnen,
Heißes Sengen reifer Sonnen,
Bist der Liebe Anglanz nur!

Schlingt sich um den Baum die Winde,
Denken wir an uns aufs neue,
Sehnen uns nach einer Treue,
Die uns fest und zärtlich binde ...
Und wir fühlen uns verwandt,
Wie wir unser Bild erkannt.

Hugo von Hofmannsthal

 

APRILABEND

Ein Holzstoß, dran ein Wegkreuz, dunkeln still
auf den umbrochenen, abendbraunen Äckern.
Die weite Feldnacht wächst aus nassen Schollen
zum unbewegten niederen Gewölk,
das am verhüllten Mond glänzt, kalt hinauf,
ganz fern an ihren unsichtbaren Grenzen
leise durchrauscht - vom Rollen eines Zugs,
von Hundegebell am Einödhof, der Stunde,
von Wanderstimmen, die im Feld verhallen,
und vom Verstummen unbestimmter Laute,
die ohne Schall sind und nicht nahekommen - - -

Wilhelm von Scholz

 

FRÜHLINGSKRUME

Ostern war vorüber, und über die Dörfer im Tal und die Städte ging Sonnenschein und Frühling, und Wolkenschatten trieben über die Ebenen, wo Pfluggespanne die Frühlingskrume lockerten.

Carl Hauptmann

 

Ochsen vor dem Pflug (36 KB) 

DER PFLÜGER

Und ich nehme eine Hand voll von diesem braunen, kühlen Grund - eine Hand voll Erde, von der wir genommen sind und zu der wir alle wiederkehren -, halte sie prüfend und nachdenklich gegen die Sonne und streue sie opfernd der Leuchtenden entgegen, die über den Köpfen meiner Pferde stehend, Pflug und Pflüger mit Licht übergießt. Und opfernd spreche ich zur großen Sonne: Schenke Leben, senke Fruchtbarkeit in diesen Grund; heb' heraus aus der Furche, was zu dir drängt, dass es sich deines warmen Lichtes freue, du Mutter aller Lebendigen!"

Da steigt hinter mir die Stimme einer Lerche hoch, als sei sie meiner Seele lebendiger Gesang geworden. Aber schon haben sich die Gäule ins Geschirr geworfen, und mit grimmigem Laut fährt der Pflug in die ruhende Erde und wirft wuchtig die Schollen zur Seite. Leidvoll sinken sie gegeneinander; wie Wesen, stumme, an die Erde gebannte, denen man die göttliche Ruhe gestört. Und sie zerbröckeln, sie dampfen, sie strömen einen herben Atem aus, der, vermischt mit dem Geruch der Pferde und dem brauenden Morgennebel aus Feld und Wald, den Pflüger mit seltsamem Bann umgibt. Seine Seele strafft sich und spannt sich zur Kampfeslust. Alle Sinne arbeiten mit im Takt der stampfenden Hufe und greifen in fanatischem Schaffenseifer mit der reißenden, unbarmherzigen Pflugschar in die berstende Erde. - Furche legt sich an Furche, überglänzt von Morgenlicht.

Da ist plötzlich eine Elster - die hupft lautlos, fort und fort mit dem Schwanze wippend, hinter mir her. Ein unheimlicher Geist, der sich mir zugesellt. Und verstohlen, wie sie gekommen, ist sie schon wieder von dannen. In meiner Seele aber ist ein seltsames Bild erwacht - ich muss es irgendwo gesehen haben -: der Tod, der unheimliche, plötzliche Gast, der hinter dem Pflüger in der Furche geht ... Doch bin ich's nicht selber, der tausend Leben begräbt? Der Gräser und Blumen aus ihren Wurzeln reißt und die Erde mit den Toten düngt? Und tu ich nicht das alles, um neues Leben zu schaffen? - Nicht ein Stäubchen geht verloren im All, nicht eine Energie, von allem, was der Mensch vernichtet". - Und mit dem Gedanken huscht es über mich wie ein tröstliches Licht:

"Trutz, Tod, komm her, ich fürcht dich nit!"

Jakob Kneip

 

EIN GLEICHNIS

Der Säemann säet den Samen,
die Erd' empfängt ihn und über ein kleines
keimet die Blume herauf.

Du liebtest sie; was auch dies Leben
sonst für Gewinn hat, war klein dir geachtet,
und sie entschlummerte dir.

Was weinest du neben dem Grabe
und hebst die Hände zur Wolke des Todes
und der Verwesung empor?

Wie Gras auf dem Felde sind Menschen
dahin, wie Blätter, nur wenige Tage
gehn wir verkleidet einher.

Der Adler besuchet die Erde,
doch säumt nicht, schüttelt vom Flügel den Staub
und kehret zur Sonne zurück.

Matthias Claudius

 

SÄERSPRUCH

Bemeßt den Schritt! Bemeßt den Schwung!
Die Erde bleibt noch lange jung!
Dort fällt ein Korn, das stirbt und ruht.
Die Ruh' ist süß. Es hat es gut.

Hier eins, das durch die Scholle bricht.
Es hat es gut. Süß ist das Licht.
Und keines fällt aus dieser Welt,
und jedes fällt, wie's Gott gefällt.

Conrad Ferdinand Meyer

 

LIED DES LANDMANNS

Wir pflügen und wir streuen
den Samen auf das Land,
doch Wachstum und Gedeihen
steht in des Himmels Hand:
der tut mit leisem Wehen
sich mild und heimlich auf
und träuft, wenn heim wir gehen,
Wuchs und Gedeihen drauf.

Er sendet Tau und Regen
und Sonn- und Mondenschein
und wickelt seinen Segen
gar zart und künstlich ein
und bringt ihn dann behende
in unser Feld und Brot:
es geht durch unsre Hände,
kommt aber her von Gott.

Was nah ist und was ferne,
von Gott kommt alles her,
der Strohhalm und die Sterne,
das Sandkorn und das Meer.
Von ihm sind Büsch' und Blätter
und Korn und Obst, von ihm
das schöne Frühlingswetter
und Schnee und Ungestüm.

Er läßt die Sonn' aufgehen,
er stellt des Mondes Lauf;
er läßt die Winde wehen
und tut die Wolken auf.
Er schenkt uns so viel Freude,
er macht uns frisch und rot;
er gibt den Kühen Weide
und unsern Kindern Brot.

Nach Matthias Claudius

 

HEIDEFRÜHLING

Alle Birken grünen in Moor und Heid',
jeder Brambusch leuchtet wie Gold,
alle Heidlerdien dudeln vor Fröhlichkeit,
jeder Birkhahn kullert und tollt.

Meine Augen, die gehen wohl hin und her
auf dem schwarzen, weißflockigen Moor,
auf dem braunen, grünschäumenden Heidemeer
und schweben zum Himmel empor.

Zum Blauhimmel hin, wo ein Wölkchen zieht,
wie ein Wollgrasflöckchen so leicht,
und mein Herz, es singt sein leises Lied,
das auf zum Himmel steigt.

Ein leises Lied, ein stilles Lied,
ein Lied, so fein und lind,
wie ein Wölkchen, das über die Bläue zieht,
wie ein Wollgrasflöckchen im Wind.

Hermann Löns

 

DIE KRAFT DER NATUR

Die Wiese, die Blumen, das Feld und seine Ähren, der Wald und seine unschuldigen Tierchen sind die ersten und natürlichsten Gespielen und Erzieher des Kinderherzens. Überlaß den kleinen Engel nur seinem eigenen inneren Gott und halte bloß die Dämonen fern, und er wird sich wunderbar erziehen und vorbereiten.

Adalbert Stifter

 

SOMMER

 

MAI

Täler grünen, Hügel schwellen,
Buschen sich zu Schattenruh;
Und in schwanken Silberwellen
Wogt die Saat der Ernte zu.

Johann Wolfgang von Goethe

 

Heuernte mit der Heugabel (73 KB) 

JUNIWIESEN

Juniwiesen mit den hohen holden
Gräserwäldern, übersternt von Dolden,
überwölkt vom Sommerhimmel blau und golden!

Sieh im Wanderflug die schönen weißen
Wolken in besonnte Ferne reisen;
sieh den Bussard einsam überm Hange kreisen

regungslos in immer weitern Ringen;
sieh die Lerchen sich ins Blaue schwingen,
himmelhin den hellsten Jubeldank zu singen;

spür die schlanken Halme atmend beben,
fühle, wie die Blumen, hingegeben
an ein farbenbuntes, duftbeglücktes Leben

blühn, nur blühn! Was wissen sie von morgen?
Weißt du mehr? Was sollen deine Sorgen?
Frag dein Herz! Es lächelt nur: Du bist geborgen.

Fritz Leisinger

 

WALDWIESE

Es war eine glänzend grüne natürliche Waldwiese, wie ein halber Mond herausgeschnitten aus dem See und der Felsenwand, der Morgen- und Mittagsonne offenliegend und nur im späten Nachmittag von der Seewand beschattet, wenn die Fichtengehege jenseits des Sees in düsterm Spätlicht glänzten. Landwärts stieg diese Wiese sanft auf, bis die ungeheuren senkrechten Felsen aus ihr emporwuchsen, zwischen ihren Schluchten ein paar mächtige Ströme von Steingeröll hervorschiebend gegen den weichen grünen Teppich des Rasens. In der Nähe des Hauses, gegen die Wand schreitend, stand eine Grupe von Buchen und riesenhaften Ahornen, deren Grün sehr hold abstach gegen das Düster der Fichten und Schwarzföhren. Zu erwähnen ist noch eine eiskalte Quelle, in einer Felsenvertiefung stehend, von solcher Durchsichtigkeit, dass, wenn das Gestein nass war, man nicht wusste, wo die Luft aufhöre und das Wasser beginne. Ihr Abfluß ging als kleines Bächlein unter einem Steine hervor und durchschnitt quer die Wiese, dem See zueilend.

Adalbert Stifter

 

TROST IM GRASE

Im Grase hingestreckt,
Lausch' ich der Halme zartem Wald,
Der flüstert wirr und hat mir bald
Den Himmel fast verdeckt.

Es kommt die Zeit heran,
Da weiß ich nichts von Leide mehr,
Und schmerzt es heute noch so sehr,
Alsdann ist es vertan.

Dann kreist mein heißes Blut
Gekühlt und licht in Halm und Klee,
Und dieser Stunde grimmes Weh
ist still, ist kühl, - ist gut.

Den meine Sehnsucht spinnt'
Der Traum wird eine Blume sein.
In seinem Dufte schlaf' ich ein,
Ein heimgekehrtes Kind.

Hermann Hesse

 

ZITTERGRAS

Warum am lichten Sommertag das
Zittergras wohl zittern mag?

Im Erdreich fühlts den Höllenwurm,
in Lüften Gottes Atemsturm.

Du, Mensch, mit deinem Hirngewicht,
du spürst das nicht.

Karl Heinrich Waggerl

 

BLÜHENDES KARTOFFELFELD

Habt ihr euch schon einmal ein blühendes Kartoffelfeld angesehen? Aus dem Hölzliacker ist jetzt ein einziges Blumenbeet geworden. Die große Einsamkeit ist erfüllt von dem Wunder. Selbst der alte Grenzstein vermag sich zu freuen. Er ist ja von seiner Wichtigkeit tief durchdrungen, er weiß nicht, daß er in seinem kleinen Schaubezirk nur als ein grauer Stein angesehen ist. Kein Zweifel: der Acker blüht nur ihm zulieb, die Lerchenlieder schweben nur ihm zu Ehren vom frühen Morgen bis zum späten Abend im Sonnenhimmel über den nahen Weiherwiesen. Auch ein Stein muß seine Feste haben.

Alfred Huggenberger

 

GEDANKEN IM GRASE

Süße Ruh, süßer Taumel im Gras,
Von des Krautes Arome umhaucht,
Tiefe Flut, tief, tief trunkene Flut,
Wenn die Wolk' am Azure verraucht,
Wenn aufs müde verschwimmende Haupt
Süßes Lachen gaukelt herab,
Liebe Stimme säuselt und träuft
Wie die Lindenblüte auf ein Grab.

Wenn im Busen die Toten dann,
Jede Leiche sich streckt und regt,
Leise, leise den Odem zieht,
Die geschlossene Wimper bewegt,
Tote Lieb', tote Lust, tote Zeit,
All die Schätze, im Schutt verwühlt,
Sich berühren mit schüchternem Klang
Gleich den Glöckchen vom Winde umspielt.

Stunden, flüchtiger ihr als der Kuß
Eines Strahls auf den trauernden See,
Als des ziehenden Vogels Lied,
Das mir niederperlt aus der Höh',
Als des schillernden Käfers Blitz,
Wenn den Sonnenpfad er durcheilt,
Als der heiße Druck einer Hand,
Die zum letzten Male verweilt.

Dennoch, Himmel, immer mir nur
Dieses eine mir: für das Lied
Jedes freien Vogels im Blau
Eine Seele, die mit ihm zieht,
Nur für jeden kärglichen Strahl
Meinen farbig schillernden Saum,
Jeder warmen Hand meinen Druck,
Und für jedes Glück meinen Traum.

Annette von Droste-Hülshoff

 

EIN NICHTS AUS NICHTS

Du holder Wiesenhang,
Darauf ich hingebogen
Der Glockenblumen Klang
In mich gesogen,

Aus seidnem Flockengras
Das Traumgespinst begonnen,
Daraus - ich weiß nicht was -
Wohl dieses Lied gesponnen ...

Börries Freiherr von Münchhausen

 

ABENDSEHNSUCHT

Wenn der Abend sich senkt, flieh ich die laute Stadt
Und durchwandere stumm feuchtes Gefild umher,
Voll die Seele von Sehnsucht
Und von süßer Erinnerung.

Safranfarbiger Schein rändert den Horizont
Und durchglüht das Gebüsch, welches den Hügel kränzt,
Wo die stöhnende Windmühl'
Ihren langsamen Flügel wälzt.

An die Schleusen gelehnt, schau ich den Weidengrund,
Frisch von perlendem Tau, und wie des duftenden
Reps gelbblühende Felder
Noch ein rötender Nachschein färbt.

Nur der Emmerling zirpt oben im Erlenstrauch.
Stille waltet umher auf dem umbüschten Dorf,
Das der krähende Haushahn
Und aufwallender Rauch verrät.

Frischer dünstet der Tau; tiefere Dämmerung
Spannt den trübenden Flor über die Fernung hin.
Wo die Formen vernachten,
Weilt hinstarrend der lange Blick.

Länder dehnen sich dort hinter der Fläche Rand;
Aber trennende Nacht füllet den weiten Raum
Hin zu meinem Geliebten,
Und die Träne der Sehnsucht rinnt.

Gaudenz von Salis-Seewis

 

ÜBER DIE FELDER

Des Abends oft, wenn ich allein,
von meinem Willen still verlassen,
durch Felder wandre, um mein Sein
im Dämmerfrieden zu umfassen,

wird mir aus allen Zweifeln klar
mein Gehen auf der dunkelnden Erde,
mein Aufwärtsschaun, wie Tag und Jahr
und Leben sich gestalten werde.

Ich spreche: Tag und Jahr umschließt
in seinem engen Zauberkreise,
der stets um deine Schritte fließt,
des Menschenlebens weiteste Reise.

Gegenwartsruhig hallt das Wort
und zieht mich aus der Sternenhöhe
der aufgesandten Blicke fort
in klare, schrittdurchmessene Nähe.

Wilhelm von Scholz

 

SOMMERABEND

Klar ruhn die Lüfte auf der weiten Flur;
fern dampft der See, das hohe Röhricht flimmert,
im Schilf verglüht die letzte Sonnenspur,
ein blasses Wölkchen rötet sich und schimmert.

Vom Wiesengrunde kommt ein Glockenton,
der Hirte sammelt seine satte Herde;
im stillen Walde steht die Dämmerung schon,
ein Duft von Tau entweicht der warmen Erde.

Im jungen Roggen rührt sich nicht ein Halm,
die Glocke schweigt wie aus der Welt geschieden;
nur noch die Grillen geigen ihren Psalm. -
So sei doch froh, mein Herz, in all dem Frieden!

Richard Dehmel

 

NACHT

Es war als hätt' der Himmel
Die Erde still geküßt,
Daß sie im Blütenschimmer
Von ihm nur träumen müßt.

Die Luft ging durch die Felder,
Die Ahren wogten sacht,
Es rauschten leis' die Wälder,
So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.

Joseph Freiherr von Eichendorff

 

SOMMERMORGEN

Sei mir gegrüßt, du frischer Morgen,
der mir der Arbeit Segen bringt!
Ein Schatz ruht dir im Schoß verborgen,
den sich so mancher nie erringt.
Das Gold der klaren Herrgottsfrühe
schlürf ich in vollen Zügen ein;
leis legt sich auf den Pfad der Mühe
des Glückes wunderbarer Schein.

Die erste Lerche hör ich steigen;
Dem Lied lauscht zitternd Halm und Blatt.
Fern träumt der Wald, sein Lied heißt Schweigen,
das stets mein Herz gefangen hat.
Ich grüße dich, du klarer Morgen,
der mir der Scholle Frieden beut!
Der wird sich keine Krone borgen,
der sich der Gunst der Stillen freut.

Alfred Huggenberger

 

SOMMERLIED

Geh aus, mein Herz, und suche Freud
in dieser lieben Sommerszeit
an deines Gottes Gaben;
schau an der schönen Gärten Zier
und siehe, wie sie mir und dir
sich ausgeschmücket haben!

Die Bächlein rauschen in dem Sand
und malen sich und ihren Rand
mit schattenreichen Myrten;
die Wiesen liegen hart dabei
und klingen ganz vom Lustgeschrei
der Schaf' und ihrer Hirten.

Der Weizen wächset mit Gewalt,
darüber jauchzet jung und alt
und rühmt die große Güte
des, der so überflüssig labt
und mit so manchem Gut begabt
das menschliche Gemüte.

Ich selber kann und mag nicht ruhn;
des großen Gottes großes Tun
erweckt mir. alle Sinnen:
ich singe mit, wenn alles singt,
und lasse, was dem Höchsten klingt,
aus meinem Herzen rinnen.

Paul Gerhardt

 

Pferde mit Erntewagen (28 KB) 

DURCH BAUERNLAND

Ein Streifen Mais, ein Streifen Klee.
Kartoffelfurchen je und je,
und Acker braun und Acker rot,
im gelben Mittag reift das Brot;
der Wiesenweg gebändert weiß,
ein Streifen Klee, ein Streifen Mais,
der Jogl zieht am Strick das Kalb,
und Acker rot und Acker falb,
Kartoffelfurchen je und je,
im hohen Hafer äst das Reh,
die reifen Mandeln Reih an Reih,
ein Leiterwagen nahebei,
und Wegerich und Rittersporn,
im gelben Mittag rauscht das Korn,
die Weiden an dem Wasserbug
beschatten kühl den Schnitterkrug,
und Acker falb und Acker schwarz,
im lichten Forste riecht das Harz,
mit Ochsen schwer, der Bauer dran,
geht um die Hufe das Gespann,
geschobert liegt das Heu zuhauf,
Rebhühner stehen knatternd auf,
ein Kirchturm, ein paar Höfe weit,
und wieder nichts als Einsamkeit,
ein Streifen Mais, ein Streifen Klee,
Kartoffelfurchen je und je,
und Acker hier und Acker dort,
und an und um und immerfort ...

Josef Weinheber

 

HEUMAHD

Der Sommer ist weit fortgeschritten, es wird Zeit, an die Heumahd zu denken.

Simon steht im Morgengrauen auf der Wiese - das ist eine Lust, weit auszuholen, eine ganze Armlänge in einem Zug! Die Sense klingt, er läßt eine breite Gasse glattgeschoren hinter sich. Das Gras ist nicht hoch, aber würzig, Simon ist wie betrunken von diesem starken Geruch. Er nimmt eine Handvoll Futter vom Boden auf und wischt die Sense damit blank, wie man es macht, wenn die Schneide geschärft werden muß, und Simon tut auch das auf eine besondere Art - es klingt wie Musik in der reinen Kühle des Morgens.

Karl Heinrich Waggerl

 

IM KORN

Durch das Kornfeld hin
bin ich gegangen.
Wenn ich mich bückte,
rührten mir den Mund,
die Wangen,
die langen Halme.

Mohn und Kornraden waren
in dem Kornfeld drin,
hier und dort, und Scharen
schwarzer Hummeln brummten
wie ein Schlafhorn
fort und fort.

Beim Pfad im Kornfeld legte ich mich nieder:
müde Glieder,
ruht euch aus!
Und das Horn der Hummel tönte
schwer wie Traumgebraus,
und das Korn war um mich
wie ein goldenes Haus.

Georg Britting

 

SOMMERWIESE

Dieses Summen ist der Sang der Welt.
Diese Stille hört sich selber zu:
Hörst du, was die tiefe Welt erzählt?
Gott hält Mittagsschlaf in seinem Haus,
heißes Atmen, ewig ein und aus,
diese Wiese bringt es sanft zur Ruh.
Käfer, Halm und nun auch du -: auch du
bist in Gottes Traum! - Die Tür der Welt - fällt - zu.

Josef Weinheber

 

MITTAGSRUH

Über Bergen, Fluß und Talen,
Stiller Lust und tiefen Qualen
Webet heimlich, schillert Strahlen!
Sinnend ruht des Tag's Gewühle
In der dunkelblauen Schwüle,
Und die ewigen Gefühle,
Was dir selber unbewußt,
Treten heimlich, groß und leise
Aus der Wirrung fester Gleise,
Aus der unbewachten Brust,
In die stillen, weiten Kreise.

Joseph Freiherr von Eichendorff

 

ABSEITS

Es ist so still, die Heide liegt
Im warmen Mittagssonnenstrahle,
Ein rosenroter Schimmer fliegt
Um ihre alten Gräbermale;
Die Kräuter blühn; der Heideduft
Steigt in die blaue Sommerluft.

Laufkäfer hasten durchs Gesträuch
In ihren goldnen Panzerröckchen,
Die Bienen hängen Zweig um Zweig
Sich an der Edelheide Glöckchen,
Die Vögel schwirren aus dem Kraut
Die Luft ist voller Lerchenlaut.

Ein halbverfallen niedrig Haus
Steht einsam hier und sonnbeschienen;
Der Kätner lehnt zur Tür hinaus,
Behaglich blinzelnd nach den Bienen;
Sein Junge auf dem Stein davor
Schnitzt Pfeifen sich aus Kälberrohr.

Kaum zittert durch die Mittagsruh
Ein Schlag der Dorfuhr, der entfernten;
Dem Alten fällt die Wimper zu,
Er träumt von seinen Honigernten. -
Kein Klang der aufgeregten Zeit
Drang noch in diese Einsamkeit.

Theodor Storm

 

IM GRASE

Glocken und Zyanen,
Thymian und Mohn.
Ach, ein fernes Ahnen
hat das Herz davon.

Und im sanften Nachen
trägt es so dahin.
Zwischen Traum und Wachen
frag ich, wo ich bin.

Seh die Schiffe ziehen,
fühl den Wellenschlag,
weiße Wolken fliehen
durch den späten Tag -

Glocken und Zyanen,
Mohn und Thymian.
Himmlisch wehn die Fahnen
über grünem Plan:

Löwenzahn und Raden,
Klee und Rosmarien.
Lenk es, Gott, in Gnaden
nach der Heimat hin.

Das ist deine Stille.
ja, ich hör dich schon.
Salbei und Kamille,
Thymian und Mohn,

und schon halb im Schlafen
- Mohn und Thymian -
landet sacht im Hafen
nun der Nachen an.

Josef Weinheber

 

S0MMER

Mein Herz steht bis zum Hals im gelben Erntelicht
wie unter Sommerhimmeln schnittbereites Land.
Bald läutet durch die Ebenen Sichelsang:
mein Blut lauscht tief mit Glück gesättigt in den
Mittagsbrand.
Kornkammern meines Lebens, lang verödet,
alle eure Tore sollen nun wie Schleusenflügel
offen stehn,
Über euren Grund wird wie Meer
die goldene Flut der Garben gehn.

Ernst Stadler

 

SOMMERSPUK

Mannshoch steht das Korn unterm Sichelmond,
der im Dämmerblau schwebt über goldfahler Weite.
Der Mahr, der heimlich im Ahrenwald wohnt,
bereitet sich, daß er ins Nachtdunkel gleite.
Denn die Sichel mahnt, die am Himmel thront,
daß die Schnitter nahn mit den Sensen im Schwung,
mit den braunen, packenden Händen im Schwung,
mit den Füßen, die stehend vorwärts schreiten
durch die halmfallenden Furchenbreiten.
Wer ist es?

Der den Ähren die seltsamen Dinge sagt,
daß sie, wenn Wind weht, rascheln und flüstern,
daß sie die Köpfe neigen und wispern;
jede erzählt, jede tuschelt und fragt.
Glauben sie, was er zu sagen wagt?
Daß die Sichel herabsinkt und schneidet zu Garben,
die vom Blitz ihres Kreises starben?
Daß, wo die Kornwoge rauscht weit über das Land,
kahles Feld dann sich dehnt bis zum Waldesrand?
Wer weiß es?

jede weiß es und zittert, aber keine will's glauben,
fröhlich bleiben will jede trotz der Gefahr.
Die Sichel hängt hoch, soll die Freude nicht rauben!
Wir sind ja zusammen, wispert die Schar.

Die Sichel sinkt. Sternklar wird die Nacht.
Da hat der Mahr die Fledermausflügel
und die listig verkniffenen Augen weit aufgemacht,
an zwei mächtigen Halmen aufklimmend sacht
sich flatternd geschwungen oben vom Hügel
über die endlose Ebene der Ähren,
die des morgigen Tages harrt.
Nichts regt sich, nichts flüstert, das Korn steht erstarrt.
Kein Halm wird sich wehren.

Wilhelm von Scholz

 

Ernte mit Pferden (78 KB) 

 

EIN LETZTER GANG

Sie wandeln, eh' die Sense schnellt,
noch einmal um ihr Roggenfeld.
Er nickt und wird vor Freude rot:
Es riecht nach Brot! Es riecht nach Brot!

Sie lächelt in den Erntewind:
es ist so blond wie unser Kind!
Noch einmal gehn sie um ihr Feld;
und Sonntag ist in ihrer Welt.

Kurt Arnold Findeisen

 

SOMMERREGEN

Der wandernde Wind auf den Wegen
War angefüllt mit süßem Laut,
Der dämmernde rieselnde Regen
War mit Verlangen feucht betaut.

Das rinnende rauschende Wasser
Berauschte verwirrend die Stimmen
Der Träume, die blasser und blasser
Im schwebenden Nebel verschwimmen.

Der Wind in den wehenden Weiden,
Am Wasser der wandernde Wind
Berauschte die sehnenden Leiden,
Die in der Dämmerung sind.

Der Weg im dämmernden Wehen,
Er führte zu keinem Ziel,
Doch war er gut zu gehen
Im Regen, der rieselnd fiel.

Hugo von Hofmannsthal

 

VOR DER ERNTE

Nun störet die Ähren im Felde,
ein leiser Hauch,
Wenn eine sich beuget, so bebet
die andere auch.

Es ist, als ahnten sie alle
Der Sichel Schnitt -
Die Blumen und fremde Halme
Erzittern mit.

Martin Greif

 

EIN ALTER SCHÖNER BRAUCH

Es wallt das Korn weit in die Runde
und wie ein Meer dehnt es sich aus;
Doch liegt auf seinem stillen Grunde
nicht Seegewürm noch andrer Graus;
Da träumen Blumen nur von Kränzen
Und trinken der Gestirne Schein,
0 goldnes Meer, dein friedlich Glänzen
Saugt meine Seele gierig ein!

In meiner Heimat grünen Talen,
Da herrscht ein alter schöner Brauch:
Wann hell die Sommersterne strahlen,
Der Glühwurm schimmert durch den Strauch,
Dann geht ein Flüstern und ein Winken,
Das sich dem Ährenfelde naht,
Da geht ein nächtlich Silberblinken
Von Sicheln durch die goldne Saat.

Da sind die Burschen jung und wacker,
Die sammeln sich im Feld zuhauf
Und suchen den gereiften Acker
Der Witwe oder Waise auf,
Die keines Vaters, keiner Brüder
und keines Knechtes Hülfe weiß -
Ihr schneiden sie den Segen nieder,
Die reinste Lust ziert ihren Fleiß.

Schon sind die Garben festgebunden
Und rasch in einen Ring gebracht;
Wie lieblich flohn die kurzen Stunden,
Es war ein Spiel in kühler Nacht!
Nun wird geschwärmt und hell gesungen
Im Garbenkreis, bis Morgenluft
Die nimmermüden braunen Jungen
Zur eignen schweren Arbeit ruft.

Gottfried Keller

 

Getreide-Garben (38 KB) 

SCHNITTERLIED

Wir schnitten die Saaten, wir Buben und Dirnen,
Mit nackenden Armen und triefenden Stirnen,
Von donnernden, dunklen Gewittern bedroht -
Gerettet das Korn! Und nicht einer, der darbe!
Von Garbe zu Garbe
Ist Raum für den Tod -
Wie schwellen die Lippen des Lebens so rot!

Hoch thronet ihr Schönen auf güldenen Sitzen,
In strotzenden Garben umflimmert von Blitzen -
Nicht eine, die darbe! Wir bringen das Brot!
Zum Reigen! Zum Tanze! Zur tosenden Runde!
Von Munde zu Munde
Ist Raum für den Tod -
Wie schwellen die Lippen des Lebens so rot!

Conrad Ferdinand Meyer

 

HERBST

Schon ins Land der Pyramiden
Flohn die Störche übers Meer;
Schwalbenflug ist längst geschieden,
Auch die Lerche singt nicht mehr.

Seufzend in geheimer Klage
Streift der Wind das letzte Grün;
Und die süßen Sommertage,
Ach, sie sind dahin, dahin!

Nebel hat den Wald verschlungen,
Der dein stilles Glück gesehn;
Ganz in Duft und Dämmerungen
Will die schöne Welt vergehn.

Nur noch einmal bricht die Sonne
Unaufhaltsam durch den Duft,
Und ein Strahl der alten Wonne
Rieselt über Tal und Kluft.

Und es leuchten Wald und Heide,
Daß man sicher glauben mag,
Hinter allem Winterleide
Lieg ein ferner Frühlingstag.

Theodor Storm

 

SONNENBLUME

Entflammte Sonnenblumenscheibe,
die du ans Himmelsdach entrückt,
hoch über meinem Scheitel stehst,

Gestirn des späten Jahres bleibe!
Die Nacht, schon nah herangerückt,
wird lang sein, wenn du untergehst.

Karl Heinrich Waggerl

 

SOMMERBILD

Ich sah des Sommers letzte Rose stehn,
Sie war, als ob sie bluten könne, rot;
Da sprach ich schauernd im Vorübergehn:
"So weit im Leben ist zu nah' am Tod!"

Es regte sich kein Hauch am heißen Tag,
Nur leise strich ein weißer Schmetterling;
Doch ob auch kaum die Luft sein Flügelschlag
Bewegte, sie empfand es und verging.

Friedrich Hebbel

 

ASTERN

Astern -, schwälende Tage,
alte Beschwörung, Bann; die
Götter halten die Waage
eine zögernde Stunde an.

Noch einmal die goldenen Herden
der Himmel, das Licht, der Flor,
was brütet das alte Werden
unter den sterbenden Flügeln vor?

Noch einmal das Ersehnte,
den Rausch, der Rosen Du
der Sommer stand und lehnte
und sah den Schwalben zu,

noch einmal ein Vermuten,
wo längst Gewißheit wacht:
die Schwalben streifen die Fluten
und trinken Fahrt und Nacht.

Gottfried Benn

 

HERBST

 

SEPTEMBERMORGEN

Im Nebel ruhet noch die Welt,
noch träumen Wald und Wiesen:
Bald siehst du, wenn der Schleier fällt,
den blauen Himmel unverstellt,
herbstkräftig die gedämpfte Welt
in warmem Golde fließen.

Eduard Mörike

 

HERBST

Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.

Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.

Und doch ist einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.

Rainer Maria Rilke

 

AUF DER WEIDE

Im Herbst dieses Jahres trieb ich die Kühe öfter als sonst auf eine unserer Wiesen, denn wir müßten mit dem Heu verständig umgehen, so sagte die Mutter. Manchmal arbeiteten die Geschwister auf einem Feld in der Nachbarschaft. Vater kam dann oft zu mir und hockte sich neben mich, und wir schauten den weidenden oder wiederkäuenden Kühen zu. Ich hatte das Bedürfnis, etwas zu sagen, was Vater gefiel. Er sah aus, als ertrüge er unaufhörlich Schmerzen, die er seiner Umgebung verheimlichte. So lobte ich denn die Kühe und sagte, daß sie so gute Tiere wären. Er nickte sofort und meinte - ja, die Kühe und überhaupt so ein kleiner Berg wie Marscheid, wie schön es doch wäre, von hier über den Azertwald hinzuschauen und in die Wolken hinauf. Oder man guckte einfach zwischen das Gras. Da passiert soviel wie im Dorf", murmelte er. Ein Mensch der Augen im Kopf hat und der nicht alles haben will und der spürt, wie jedes Hälmchen auf Gottes Hand wächst und jeder Käfer auf seiner Hand herumkrabbelt ... Und wie darum alles, was du siehst, so unbegreiflich ist wie der Herrgott im Brot!

Stefan Andres

 

KARTOFFELERNTE

September. Die Buchen am Waldrande ziehen gemach ihr buntes Herbstkleid an. Eichhörnchen wagen sich aufs offene Feld hinaus: dem Lettenbirnbaum auf dem Hölzliacker gilt ihr zögernd gewagtes Werben. Sie zernagen und vergeuden frech die herrlichen Birnen, es ist ihnen ja nur um die braunen Kerne zu tun.

Ei sieh - was trottet dort für eine kleine Karawane mit Karst und Karren daher? Macht euch heim in euer Reich, ihr kleinen Schlemmer und Erzschelme! jetzt wollen die ernten, die gesät haben!

ja, da sind sie, Bauer und Bäuerin, Kind und Kegel. Da sind wir, die rechtmäßigen Eigentümer des Hölzliackers. Oder will sich so ein Eichhorn am Ende gar mucksen und auf sein Recht pochen? Augenblicks ginge ich heim, den Kaufbrief holen, um gutes Geld vom Notar mit Schnörkeln und Siegel gültig gemacht. Es ist alles in der obersten Truhe der Kommode, ich wäre bald wieder da. So - da kannst du lesen, wenn du lesen kannst! Alles schwarz auf weiß! Im Jahr soundso. Von da an hat auf dem Grenzacker niemand einen Stein mit Recht umkehren dürfen. Mein Vater kann aus ihm eine Wiese machen, eine Weizenmauer, ein Haberfeld, einfach, was ihm beliebt. Und es mag einer zehnmal im Vorbeigehen die Nase rümpfen und sagen: Was liegt an so einer abseitigen Hungerzelg, wo sich Füchse und Hasen Gutnacht wünschen?" Er beweist damit nur, daß mit ihm nicht viel los ist. Mein Vater hat gesagt: Es kommt nicht darauf an, wo oder wie ein Acker ist, es kommt darauf an, ob er einem andern gehört oder mir."

Alfred Huggenberger

 

WEG ZWISCHEN FELDERN

Ach, ich könnte es nicht länger tragen,
wenn nicht nach der grauen Häuserschwere
wieder einmal solch ein Feldweg wäre,
breit genug, sich querlandein zu schlagen -
Und so tief, daß ich in brausendem Winde
lande, während alle Stimmen schweigen
und die Erde, endlich mir zu eigen,
meiner Mutter heiliges Antlitz finde.

Josef Weinheber

 

HEIMWEG

Abend, Wind, Wolken, überdunkeltes Land.
Schwarze Höhe und Weite. Grauwehen am Himmelsrand.
Umrisse: Wipfelschatten, ein Feldscheunendach
schwinden davor zurück, durchschrittenen Dörfern nach.
Und wieder Wolkenweite. Berge, Tal, Erdenrand,
wogend sich streckende Ebene. Fern Lichter und Land.
Wehen über dem Weg. Der läuft ins Dunkel voraus,
wie ein Hund zu warten am Tor. Er weiß das Haus,
dem ich zuwandre, einsam, wie in der alten Zeit
Menschen noch wanderten Stunden und Stunden weit,
bis vertraut und gewohnt, selbst in finsterer Nacht,
dort ein Zaun, ein Garten, ein Baum bei ihrem Kommen erwacht,
sie zu grüßen. Denn nun war Heimat um sie das Land
und dem tretenden Fuß jede Biegung des Weges bekannt.

Fern noch bin ich vom Haus, wandre in Dunkelheit,
nichts als Schreiten im Raum, und mein Weg ist die Zeit
und mein Schritt ein wandernder Traum, der durch Nacht und Wind
von Fährnis, Verlassenheit, Einöde sich Bilder spinnt,
der Gestalten dichtet in die Weite von Weg und Wald
und die Wolken ringsum zu drohenden Gestalten ballt;
der Stimmen im Winde hört. Da bin ich erwacht.
Ein Schatten geht an mir vorüber und ruft: Gute Nacht!

Wärmer wird mir der Mantel, der mich umweht. Mein Fuß
schreitet fester aus. Schatten, ich hörte den Gruß.
Schatten, ich fühle ihn. Du hast mir ein Weglicht entfacht.
Wir sind einsam im Land. Gut sei uns die Nacht!

Wilhelm von Scholz

 

EIGEN LAND

Es blinkt ein Pflug im Thüringerland,
den führt eine feste, fröhliche Hand
Durch meine, meine Erde!
Und mein ist der Pflug und mein das Gespann,
die silbernen Birken, der kupferne Tann,
und mein am Waldrand die Herde!

Was ist in der Welt ein köstlicher Ding
als dieses, das ich von den Ahnen empfing!
Ich steige im Frühdunst zu Pferde,
die Güter der Gasse schiebt fort meine Hand:
Es blinkt ein Pflug im Thüringerland,
der geht durch meine Erde!

Börries Freiherr von Münchhausen

 

MELANCHOLIA

Ein Stoppelfeld. Ein schwarzer Wind gewittert.
Aufblühn der Traurigkeit Violenfarben,
Gedankenkreis, der trüb das Hirn umwittert;
An Zäunen lehnen Astern, die verstarben,
Und Sonnenblumen schwärzlich und verwittert.
Da schweigt die Seele grauenvoll erschüttert
Entlang an Zimmern leer und dunkelfarben.

Georg Trakl

 

WOHIN?

Die Schneegans
im Wolkendampf
mit ruhigem
Gesang
kennt ihren Weg.
Aber der Mensch
weiß nicht,
wohin.

Manfred Hausmann

 

ÜBER DIE HEIDE

Über die Heide hallet mein Schritt;
Dumpf aus der Erde wandert es mit.

Herbst ist gekommen, Frühling ist weit -
Gab es denn einmal selige Zeit?

Brauende Nebel geistern umher;
Schwarz ist das Kraut und der Himmel ist leer.

Wär ich hier nur nicht gegangen im Mai
Leben und Liebe - wie flog es vorbei.

Theodor Storm

 

SÄNGERGLÜCK

Herbstlich alle Fluren rings verwildern,
Und unkenntlich wird die Welt.
Dieses Scheidens Schmerzen sich zu mildern,
Wenn die Zauberei zerfällt,
Sinnt der Dichter, treulich abzuschildern
Den versunknen Glanz der Welt.
Selig Herze, das in kühnen Bildern
Ewig sich die Schönheit hält!

Joseph Freiherr von Eichendorff

 

WINTER

 

Erster Schnee und Raureif (63 KB) 

 

ERSTER SCHNEE

Wie nun alles stirbt und endet
Und das letzte Lindenblatt
Müd sich an die Erde wendet
In die warme Ruhestatt:
So auch unser Tun und Lassen,
Was uns zügellos erregt,
Unser Lieben unser Hassen
Sei zum welken Laub gelegt.

Reiner, weißer Schnee, 0 schneie,
Decke beide Gräber zu,
Daß die Seele uns gedeihe
Still und kühl in Wintersruh!
Bald kommt jene Frühlingswende,
Die allein die Liebe weckt,
Wo der Haß umsonst die Hände
Dräuend aus dem Grabe streckt.

Gottfried Keller

 

WINTERABEND

Müde geht der Tag zur Neige,
nebelgraues Abenddämmern
hüllt in Schleier Feld und Wiesen.
Durch die frierend kahlen Zweige
rascheln welke Blätter. Fern,
wie aus Stadt und Land verwiesen,
irrt ein dumpfes Glockenhämmern.
Einsam glänzt ein kalter Stern.

Richard von Schaukal

 

IM WINTER

Der Acker leuchtet weiß und kalt.
Der Himmel ist einsam und ungeheuer.
Dohlen kreisen über dem Weiher
Und Jäger steigen nieder vom Wald.

Ein Schweigen in schwarzen Wipfeln wohnt.
Ein Feuerschein huscht aus den Hütten.
Bisweilen schellt sehr fern ein Schlitten
Und langsam steigt der graue Mond.

Ein Wild verblutet sanft am Rain
Und Raben plätschern in blutigen Gossen.
Das Rohr bebt gelb und aufgeschossen.
Frost, Rauch, ein Schritt im leeren Hain.

Georg Trakl

 

WINTERNACHT

Vor Kälte ist die Luft erstarrt,
es kracht der Schnee von meinen Tritten,
Es dampft mein Hauch, es klirrt mein Bart;
Nur fort, nur immer fortgeschritten!

Wie feierlich die Gegend schweigt!
Der Mond bescheint die alten Fichten,
die, sehnsuchtsvoll zum Tod geneigt,
den Zweig zurück zur Erde richten.

Frost! Friere mir ins Herz hinein,
tief in das heißbewegte, wilde!
Daß einmal Ruh mag drinnen sein,
Wie hier im nächtlichen Gefilde!

Nikolaus Lenau

 

WINTERMONDNACHT

Der Mond tritt über die Eichen
und wandelt die Acker im Schnee
mit seinem geisterbleichen
Schimmer in einen weiten See.

Tiefdunkle Wälder säumen
den Regungslosen ein,
und hoch aus blauen Räumen
tropft Sternensilberschein.

Christian Morgenstern

 

VERSCHNEITE SAAT

Aber lebend im Geheimen
regt die Saat sich sehnsuchtsblind,
und die schwachen Halme keimen
durch den Schnee und wehn im Wind.

Denn das innige Verlangen,
das vom Duft der Ähren weiß,
überdauert traumbefangen
Schnee und Sturm und Frost und Eis.

Manfred Hausmann

 

Schafherde im Winter (51 KB) 

 

ABSCHIED

Und ob sie all' verglommen,
die Täler und die Höhn -
Lenz muß doch wiederkommen
und alles auferstehn!

Joseph Freiherr von Eichendorff

 

Endstück (2 KB) 
RR »»» weiter