1936 - „Röhrenbuch“ von F. Bergtold (Auszug)
Vorwort zur dritten Auflage.
Die zweite Auflage des Röhrenbuches war einige Wochen vor der Funkausstellung plötzlich und unversehens vergriffen, da das Buch mit einem Male an vielen Stellen für Unterrichtszwecke Verwendung fand. Es hätte nahegelegen, zur Funkausstellung eine nur wenig geänderte Neuauflage herauszubringen und so einem Augenblicksbedürfnis Rechnung zu tragen. Da das Buch schon in seiner ersten Auflage mit Rücksicht auf die kommende Entwicklung ausgestaltet war, hätten geringe Änderungen genügt, um es äußerlich mit dem heutigen Stand der Röhrenfrage sowie mit der nächsten Röhrenentwicklung in Einklang zu bringen.
Trotzdem habe ich mich entschlossen, das Röhrenbuch völlig neu zu gestalten, so daß es jetzt auch innerlich auf den jetzigen und den kommenden Stand der Röhrentechnik gebracht ist.
Bei der Umarbeitung habe ich grundsätzlich alles beibehalten, was von den Lesern des Buches sowie von den Lehrern der technischen Lehranstalten und der Nachrichtenschulen als gut anerkannt wurde. Daß ich Anregungen dankbar aufgenommen und für die Neuauflage verwertet habe, wird man bei näherer Betrachtung leicht erkennen. Daß ich mich bemüht habe, die Worte noch klarer zu fassen, die Verständlichkeit weiter zu erhöhen, die Sprache mehr zu vereinfachen und die Praxis besser zu berücksichtigen, als das in den bisherigen Auflagen erreicht wurde, ist wohl deutlich zu merken.
Der Tatsache, daß das Buch im Unterricht benutzt wird, versuchte ich möglichst weitgehend Rechnung zu tragen. Dabei mußte allerdings der Hauch der Praxis, der die beiden ersten Auflagen durchweht, geschont werden. Demgemäß habe ich auf die in Lehrbüchern vielfach übliche, lebensfremde, formelle Systematik verzichtet und — wie in den früheren Auflagen — lieber eine lebensnahe Ausgestaltung in der Weise angestrebt, daß ich immer wieder umfassende Überblicke zu geben suche. Ständig soll dem Leser das Gesamtbild vor Augen treten, damit er — statt im Stoff zu versinken — sich stets darüber erheben kann.
In diesem Sinne geben die ersten sechs Hauptabschnitte des Buches ein abgerundetes Bild vom Wesen und Aufbau der Röhre. Kennlinien wurden in diesen Abschnitten beiseite gelassen, weil sie dem gedanklichen Eindringen in die großen Zusammenhänge zunächst hinderlich wären. Die grundlegenden Röhrenfragen, die sicher manchem Leser schon von vornherein bekannt sind, wurden in den ersten sechs Hauptabschnitten deshalb ausführlich behandelt, weil das für den Anfänger von grundlegender Wichtigkeit ist, und weil auch der schon fachlich Vorgebildete gut daran tut, durch Studium der sechs ersten Hauptabschnitte seine Fachkenntnisse so einzuordnen, daß sie zu einer tragfähigen Grundlage für das Studium des übrigen Buchinhaltes werden.
Die folgenden drei Hauptabschnitte geben einen Überblick über das Wesen der Kennlinien. Sie zeigen deren Bedeutung und führen in die praktische Verwertung der Kennlinienbilder ein. In den nächsten beiden Hauptabschnitten erhält man ein abgerundetes Bild von allem, was mit Kennwerten und wichtigen Röhrenbegriffen zusammenhängt.
Zwei weitere Hauptabschnitte enthalten ausführliche und leicht verständliche Anweisungen für die grundlegenden Berechnungen der Verzerrung, des Verstärkungsgrades und der Leistungsabgabe. Diese Abschnitte bauen das aus, was vorher über die Kennlinien erwähnt ist, und bereiten auf die Einzelfragen vor, die für die Anwendung der Röhre in den Empfängerstufen eine Rolle spielen. Der anschließende Hauptabschnitt ist den Grundfragen der Röhrenschaltung gewidmet. Er bereitet die Behandlung der einzelnen Stufen vor.
Die folgenden Hauptabschnitte beziehen sich auf die Verwendung der Röhre in den einzelnen Empfänger- und Verstärkerstufen. Wir lernen hier zunächst die Verstärkerstufen kennen. Dann folgen mehrere Hauptabschnitte über die Endstufe, in denen besonderer Wert auf die Klärung der Anpassungsfrage sowie auf die genaue Besprechung der Möglichkeiten der Gegentakt-A-, B- und C-Stufen gelegt ist. Hieran reiht sich eine eingehende Besprechung der Empfangsgleichrichtung, der Verwendung der Röhre in der Gleichrichterstufe, der Schwingungserzeugung und der Rückkopplung an. Drei weitere Hauptabschnitte beziehen sich auf die Verwendung der Röhre in der Mischstufe, wobei alle grundsätzlichen und praktischen Fragen besprochen werden. In diesen Abschnitten ist auf die geschichtliche Entwicklung Bezug genommen, was eine besonders anschauliche Klärung der Grundfragen der Mischstufe ermöglicht.
Da die Mehrfachröhren in verschiedenen Formen ihre Auferstehung erlebten, ist für sie ein besonderer Hauptabschnitt vorgesehen.
Der Gleichrichtung des Netzwechselstromes wurden zwei Hauptabschnitte gewidmet, weil hier durch die ausgedehnte Verwendung der B-Stufen und der Allstromgeräte eine größere Zahl von Fragen neu aufgetreten ist. Den Schluß des Buches büdet eine den praktischen Bedürfnissen Rechnung tragende Aufstellung der heute üblichen Röhren.
Die einzelnen Abschnitte sind so abgefaßt, daß sie — soweit möglich — auch für sich (also herausgerissen aus dem Zusammenhang, in dem sie stehen) verständlich sind.
Abschließend will ich der Hoffnung Ausdruck geben, daß das Buch sich mit seiner dritten Auflage ebenso viele Freunde erwerben möge wie mit den beiden ersten Auflagen, und daß mir aus dem Leserkreis ebenso viele und ebenso ausführliche Stellungnahmen und Anregungen zukommen mögen wie bisher. Letzten Endes ist ja jedes Buch eine Gemeinschaftsarbeit. Es ist auf den Arbeiten und Ergebnissen anderer aufgebaut und soll wieder die Arbeiten anderer fördern. Je inniger die Leser mit dem Verfasser in Beziehung kommen, desto wertvoller kann das Buch werden, und desto besser kann es seine Aufgaben als Mittler und Helfer erfüllen.
München, Januar 1936.
F. Bergtold.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
013 Zweck und grundsätzlicher Aufbau der Rundfunkröhren / Weshalb braucht man Röhren im Empfänger? / Was tut die Röhre im Röhrengerät ? / Was heißt „steuern" ?
014 Elektronen werden durch den leeren Raum gejagt / Einige interessante Zahlen
015 Praktische Ausführung und Schaltung der Röhre / Zwei Ausführungen sind möglich, Glasröhren und Metallröhren / Was man von außen sieht
016 Anordnung der Innenteile
017 Der Aufbau der Metallröhren / Glasröhren oder Metallröhren?
019 Bei Verwendung von Metall kann der Kolben auch als Anode benutzt werden / Schaltzeichen und Schaltung der Röhre
020 Der Gitterstromkreis / Der Anodenstromkreis
021 Die Kathode / Die wirksame Schicht ist für die Röhre lebenswichtig / Direkte Heizung ist sparsam
022 Indirekte Heizung ist für Netzbetrieb das Richtige
023 Für die indirekt geheizte Kathode gibt es verschiedene Ausführungsarten
023 Eigenheiten der Anode / „Anodenspannung“ und „Spannung der Anodenstromquelle“ sind nicht gleichbedeutend
024 Die Anode erwärmt sich im Betrieb
025 Sekundärelektronen wirken sich aus, wenn der Anode ein positives Gitter benachbart ist
027 Streuelektronen sind mitunter unangenehm / Der ringförmige Kohlebelag macht die Streuelektronen unschädlich
027 Das Steuergitter / Bezeichnung und Wirkung
028 Die Folgen des Gitterstromes sind: Dämpfung und Verzerrung / Der Gitterstrom-Einsatzpunkt richtet sich nach der Kathoden-Art
029 Gitterstrom ist bei Gasgehalt auch für negative Gitterspannungen möglich! / Prüfung des Gasgehaltes und der Gitter-Isolation
030 Vorläufiger Überblick über die zusätzlichen Gitter / Vorbemerkung / Eine Zusammenstellung der zusätzlichen Gitter
031 Das Schutzgitter schützt die Röhre gegen die Rückwirkung der Anodenspannungs-Schwankungen
033 Das Schirmgitter ist ein durch eine Abschirmung ergänztes Schutzgitter
035 Das Bremsgitter verhindert die Auswirkung der Sekundärelektronen.
036 Das Raumladegitter ermöglicht die Verwendung geringer Anodenspannungen
037 Manchmal braucht man ein zweites Steuergitter / Das Verteilungsgitter ist ein Steuergitter besonderer Art
038 Das Dosierungsgitter ist eine weitere Abart des Steuergitters .... 38
039 Die Gitteranode ist ein als Hilfsanode benutztes Gitter. / Der Sammelname „Röhrenpol“ oder „Elektrode“
039 Röhren offenbaren sich in Röhren-Kennlinien / Das Grundlegende
041 Anodenstrom-Gitterspannungskennlinie
042 Anodenstrom-Anodenspannungskennlinien besser zu verwerten / Umzeichnung der Kennlinien
044 Das Anodenstrom-Anodenspannungsbild der Dreipolröhre für negative Steuergitterspannungen / Ein Schutz- oder Schirmgitter verändert den Verlauf der Anodenstrom-Anodenspannungskennlinien für negative Steuergitterspannungen grundsätzlich
045 Das Anodenstrom-Anodenspannungsbild der Dreipolröhre für positive Steuergitterspannungen
046 Die Auswirkung der Sekundärelektronen zeigt sich besonders deutlich im Anodenstrom-Anodenspannungsbild
047 Die Betriebsbedingungen zeigen sich in Arbeitskennlinien
Gegenüberstellung von Arbeitskennlinien und Röhrenkennlinien 47
Vorbemerkung zu den folgenden Abschnitten 47
Arbeitskennlinien im Anodenstrom-Gitterspannungsbild 47
Arbeitskennlinien im Anodenstrom-Anodenspannungsbild 48
Der Arbeitspunkt 51
Wenn der Außenwiderstand sich für Wechselstrom anders verhält als
für Gleichstrom 51
Der Wechselstromwiderstand ist kleiner als der Gleichstromwiderstand 52
Der Wechselstromwiderstand ist größer als der Gleichstromwiderstand 53
Arbeitsellipsen 55
Dynamische und statische Kennlinien 55
Grundsätzliches zur Verwertung der Kennlinienbilder 55
Arbeitskennlinien und Röhrenkennlinien gehören zusammen 55
Wahl des Arbeitspunktes mit Rücksicht auf die höchstzulässige Anodenspannung 56
Wahl des Arbeitspunktes mit Rücksicht auf die höchstzulässige Anodenbelastung 56
Die Röhre verursacht Verzerrungen 58
Wahl von Arbeitskennlinie und Aussteuerungsbereich mit Rücksicht auf geringe Verzerrung 59
Arbeitskennlinie für hohe Verstärkung 60
Arbeitskennlinie für große Wechselstrom-Leistung 60
Ein praktisches Beispiel 61
Die Kennwerte der Röhre 63
Die Steilheit im einfachsten Fall 63
Steilheit in Mehrgitterröhren 65
Positive und negative Steilheit 65
Durchgriff bei nur einem Gitter 66
Durchgriff in Mehrgitterröhren 67
Verstärkungsfaktor 67
Unter dem „Innenwiderstand" einer Röhre versteht man deren Wechselstromwiderstand 68
Der Gleichstromwiderstand der Röhre hat mit dem Innenwiderstand nichts gemein 69
Weitere wichtige Begriffe 70
Was ist Raumladung und wie wirkt sie ? 70
Virtuelle Kathode 71
Emission — ein kaum noch verwertbarer Begriff 72
Die Steuerspannung und ihr Aufbau 72
Röhrenkapazitäten, Durchgriff und Umgriff 73
Die besonderen Wirkungen der Gitter-Anodenkapazität 74
Verzerrungen lassen sich aus den Kennlinienbildern berechnen 75
Lineare und nichtlineare Verzerrung 75
Nichtlineare Verzerrung ist gleichbedeutend mit dem Zustandekommen der Oberwellen 76
Zusammenhang zwischen Kennlinien und Zustandekommen der Oberwellen 77
Klirrgrad (Klirrfaktor) als Ausdruck des Verzerrungsgrades 79
Klirrgradberechnung, wenn nur die zweite Oberwelle eine Rolle spielt 79
Klirrgradberechnung, wenn auch die dritte Oberwelle eine Rolle spielt 80
Wie groß darf der Klirrgrad werden? 81
Berechnung des Verstärkungsgrades und der abgegebenen Leistung 81
Verstärkungsgrad aus dem Anodenstrom-Anodenspannungsbild 82
Verstärkungsgrad aus Verstärkungsfaktor, Innenwiderstand und Außenwiderstand (für Außenwiderstand größer als Innenwiderstand) 83
Verstärkungsgrad aus Innenwiderstand, Außenwiderstand und Steilheit (für Außenwiderstand kleiner als Innenwiderstand) 84
Wechselstromleistung aus dem Anodenstrom-Anodenspannungsbild 85
Wechselstromleistung, Gitterwechselspannung, Innenwiderstand und Außenwiderstand (Anpassung) 86
Das ABC der Röhrenschaltung 87
Die Heizstromversorgung 87
Gittervorspannungen im Batteriegerät 89
Spannungsabfall im Heizstromkreis als Gittervorspannung 90
Gittervorspannung durch Kathodenwiderstand 91
Spannungsteiler statt Kathodenwiderstand 92
Die Unmöglichkeit einer vollkommenen Isolation begrenzt die Höhe des Gitterwiderstandes 92
Die Schirmgitterspannungen 94
Der Anodenwiderstand 95
Beruhigung der Spannungen der Anodenstromquelle 95
Die Röhre in der Verstärkerstufe 97
Verstärkung und Durchgriff 97
Bei Verwendung nur eines Gitters kann der Durchgriff nicht beliebig klein gemacht werden 97
Ein Schutz- oder Schirmgitter und dazu das Bremsgitter als Ausweg 98
Hoch- und Zwischenfrequenz-Verstärkung als Sonderfall 99
Für Hoch- und Zwischenfrequenz-Verstärkung ist die Fünfpol-Schirmröhre besonders geeignet 101
Besonderheiten der Niederfrequenzverstärkung 102
Die richtige Röhre für die Niederfrequenzverstärkung 103
Röhren für regelbaren Verstärkungsgrad 104
Flacher Auslauf des unteren Endes der Anodenstrom-Gitterspannungskennlinien nötig! 104
Der flache Auslauf wird durch eine Abänderung des Steuergitters erzielt 105
Die Grundform der flach auslaufenden Kennlinie ist die Exponentialkurve 105
Die Regelbarkeit erfordert ein Schirmgitter und womöglich ein Bremsgitter 107
Ein zweites Steuergitter (Dosierungsgitter) erhöht die Wirksamkeit der Regelspannung 108
Arbeitsweise und Schaltung der doppelt geregelten Röhre 110
Die passende Regelröhre 111
Grandlegendes zu der Endstufe 113
Die Endstufe ist eine Niederfrequenzstufe, die stark ausgesteuert wird und Leistung abgeben muß 113
Die Möglichkeiten der Endstufe: einfach und Gegentakt 114
Das Wesen der Gegentaktstufe 114
Das Anodenstrom-Anodenspannungsbild der Gegentaktstufe 115
Die Anpassung bezieht sich auf das Verhältnis zwischen Innen- und Außen widerstand 116
Für große Endröhren darf der Gitterwiderstand nicht zu hoch sein 119
Bei Nebeneinanderschaltung großer Endröhren Schutzwiderstände vor die Steuergitter! 120
Einzelfragen der Anpassung an die Endröhre 121
Anpassung mit Rücksicht auf größtmögliche Leistung 121
Leistungsabgabe bei gegebener Gitterwechselspannung und verschiedenen Außenwiderständen 121
Anpassung mit Rücksicht auf größtmögliche Frequenzunabhängigkeit 123
Anpassung durch Wahl des Ausgangstransf ormator - Übersetzungsverhältnisses 124
Anpassung bei Verwendung mehrerer Lautsprecher 125
Die einfache Endstufe in der Praxis 126
Fünfpolröhre gegen Dreipolröhre 126
Anpassungsmöglichkeiten bei der Drei- und Fünfpolendröhre 127
Die Schaltung des Schutzgitterzweiges 128
Klirrgradverlauf in der einfachen Endstufe 129
Sparsame einfache Endstufe für Batteriebetrieb 130
Welche Röhre für die einfache Endstufe? 131
Zwei Beispiele aus der Praxis 132
Die Möglichkeiten der Gegentakt-Endstufe 133
Übersicht 133
A-, B- und C-Stufe 134
Besonderheiten der A-Verstärkung 134
Die zwei Möglichkeiten zur Verwertung des positiven Gitterspannungsbereiches 136
Die einer mit Gitterstrom betriebenen Endstufe vorangehende Stufe heißt „Treiberstufe“ 137
Die Aussteuerungsgrenze bei Verwendung des positiven Gitterspannungsbereiches 138
Die A-B-Stufe und die C-Stufe in der Praxis 139
Welche Röhren für die Gegentakt-Endstufe? 141
Grundsätzliches zur Empfangsgleichrichtung 141
Die Aufgaben der Gleichrichterstufe 141
Die Röhren, die zur Erfüllung der Aufgaben zur Verfügung stehen 141
Die Tonabnahme wird durch eine gekrümmte Kennlinie ermöglicht 142
Die Mittelkurve gestattet einen raschen Überblick 142
Auswirkung störender Spannungen in der Gleichrichterstufe 145
Die Röhre in der Empfangsgleichrichterstufe 148
Die einfache Zweipolröhre als Empfangsgleichrichter 148
Die Gründe für die Doppelzweipolröhre 149
Verwendung der Röhre für Anodengleichrichtung 151
Verwendung der Röhre für Gittergleichrichtung 152
Gittergleichrichtung oder Anodengleichrichtung? 153
Kennlinienbild für Gittergleichrichtung 154
Welche Röhre für die verstärkende Gleichrichterstufe? 155
Bremsfeld- Gleichrichtung 155
Rückkopplung und Schwingungserzeugung 156
Wesen und Wirkung der Rückkopplung 156
Für den Schwingungseinsatz ist die mittlere Steilheit maßgebend 157
Gerade Linien als bildliche Darstellung der Rückkopplung 158
Zu den Rückkopplungslinien gehören Schwinglinien 159
Die Schwinglinien lassen sich auch aus Anodenstrom-Gitterspannungskennlinien ermitteln 159
Auf die Schnittpunkte zwischen Rückkopplungslinien und Schwinglinien kommt es an 160
Bei welcher Rückkopplung findet der Schwingungseinsatz statt? 161
Rückkopplung bei Empfang eines unmodulierten Senders 162
Rückkopplungspfeifen 163
Empfang eines modulierten Senders 163
Die Röhre in der Mischstufe 165
Die Aufgabe der Mischstufe 165
Die beiden Möglichkeiten der Mischung 165
Das Wesen der multiplikativen Mischung 166
Zwei Forderungen, die die Mischstufe zu erfüllen hat 166
Forderungen an die Mischröhre 167
Wandlungen der Mischröhre und Mischstufe 167
Vorbemerkung 167
Zu Anfang benutzte man reine Summenmischung 168
Später kamen die Doppelgitterröhren auf und damit die multiplikative Mischung 168
Die Schirmgitterröhre brachte als Mischröhre höhere Verstärkung, führte aber wieder zur
Summenmischung 169
Der nächste Entwicklungsschritt war durch die Sechspolmischröhre gegeben 170
Einwandfrei arbeitende Mischstufen mit regelbarer Verstärkung 171
Überblick über die zwei in der Praxis ausgenutzten Möglichkeiten 171
Die für Mischröhren überhaupt möglichen Gitteranordnungen 172
Die Schaltung der Sechspol-Dreipolröhre 174
Die Schaltung bei getrennter Sechs- und Dreipolröhre 174
Die Schaltung der Achtpolröhre 175
Mehrfachröhren und Verbundröhren 176
Mehrfachröhren und Verbundröhren beinahe dasselbe 175
Gründe und Gegengründe 176
Dreipolröhre mit Doppelzweipolröhre vereinigt 176
Sechspolröhre in Verbindung mit Dreipolröhre 176
Misch- und Zwischenfrequenzmehrfachröhre 177
Mehrfachröhren mit eingebauten Endstufen 178
Doppelröhren für Endstufen 178
Gleichrichterröhren für Wechselstromnetzanschluß 178
Wozu Gleichrichterröhren? 178
Die zwei Möglichkeiten der Anschaltung an das Netz 178
Die Bedeutung des Ladekondensators als Stromspeicher 179
Die Beruhigungsschaltung als Ergänzung 179
Gasgefüllt oder nicht? 180
Glühkathodenröhren oder Glimmröhren? 181
Die Schaltungen der Gleichrichterröhre in der Praxis 181
In Reihe mit der Gleichrichterröhre muß ein Widerstand liegen (Schutzwiderstand) 181
Die Gleichrichterspannung und ihre Abhängigkeit von der Belastung 182
Halbweg- und Voll Weggleichrichterröhre 183
Bei Vollweggleichrichtung schaltet man für Verstärker mit B-Endstufen die Drossel vor den
Ladekondensator 184
Spannungsverdopplerschaltung 184
Unsere Röhrenliste 186
Bezeichnungen 186
Die Röhrenarten 187
Die Verwendungsarten 187
Die Heizung 187
Die Betriebswerte 187
Bezifferung der Röhrenpole 188
Sockelschaltungen 189
Zahlentafeln 191
[↑Seite 12]
Zweck und grundsätzlicher Aufbau der Rundfunkröhren.
Weshalb braucht man Röhren im Empfänger?
Das Detektorgerät enthält keine Röhren. Trotzdem ermöglicht es den Empfang von Rundfunksendungen. Röhren sind demnach erst dann notwendig, wenn gesteigerte Empfindlichkeit und erhöhte Leistungsfähigkeit des Empfängers verlangt werden.
Was tut die Röhre im Röhrengerät?
Während das Detektorgerät nur an Antenne und Erde hängt und von dort die Hochfrequenz bezieht, die in ihm verarbeitet und schließlich durch den Kopfhörer in Form von Tönen wiedergegeben wird, steht das Röhrengerät außerdem mit Batterien oder mit dem Lichtnetz in Verbindung und erhält von dort zusätzlich elektrische Energie. Mit Hilfe der Röhren wird diese Energie durch die sehr viel schwächere Hochfrequenz gesteuert.
Was heißt „steuern"?
Der Motor eines Kraftwagens arbeitet mit einem Gemisch aus Luft und Benzindampf. Treten wir auf das Gaspedal, so erhält der Motor mehr von diesem Gemisch. Die Antriebskraft wächst. Das Auto fährt rascher. Lassen wir mit dem Druck auf das Pedal nach, so wird der aus Luft und Benzindampf bestehende „Strom“ abgedrosselt. Die Antriebskraft nimmt ab. Durch den Pedaldruck wird also die Antriebskraft des Motors gesteuert.
Der Netz- oder Batteriestrom besteht in einer Wanderung von Elektrizitätsteilchen (Elektronen). Diese Elektrizitätsteilchen haben stets das Bestreben, sich gegenseitig abzustoßen. Das sind die beiden Grundtatsachen, die in den Röhren ausgenutzt werden.
Man läßt die Elektronen, die den Netz- oder Batteriestrom ausmachen, einen Durchgang passieren. Dieser Durchgang wird mit anderen Elektronen einmal stärker und einmal schwächer besetzt. Stärkere Besetzung gibt Stromverminderung, schwächere Besetzung Stromerhöhung. Der Strom schwankt somit im gleichen Takt wie die Besetzung des Durchganges.
[↑Seite 13]
Elektronen werden durch den leeren Raum gejagt.
Der abwechselnd stärker und schwächer besetzte Durchgang läßt sich nicht ohne weiteres verwirklichen: Einerseits muß der Durchgang isoliert sein, damit seine Elektronenbesetzung ihn nicht im Stich lassen kann. Anderseits aber müssen ihn die Elektronen, die den Netzoder Batteriestrom ausmachen, durchwandern. Die gleichzeitige Erfüllung dieser beiden Forderungen wird dadurch möglich, daß man den Durchgang in einem leergepumpten Raum anordnet: Der leere Raum (das „Vakuum“) ist der beste Isolator, den es gibt, und hält deshalb die Elektronenbesetzung des Durchganges zusammen. Trotzdem lassen sich Elektronen, die zwangsweise in den leeren Raum gebracht werden, durch ihn hindurch jagen.
Um die Elektronen in den leeren Raum zu bringen, muß man den Teil der Röhre heizen, der die Elektronen abgeben soll. Die Heizung könnte an sich durch Gas oder Bügelkohlen geschehen. Elektrische Heizung ist jedoch bequemer und gleichmäßiger. Deshalb heizt man elektrisch. Der Teil, der die Elektronen aussprüht, heißt „Kathode".
Die von der Kathode ausgesprühten Elektronen müssen durch die Besetzung des Durchgangs beeinflußt werden. Damit diese Beeinflussung genügend kräftig ausfällt, teilt man den Durchgang auf: Man bildet ihn als Gitter aus.
Die Elektronen, die das Gitter passiert haben, müssen schließlich irgendwo landen, um dann in den Leitungen der Empfängerschaltung als Strom weiter fließen zu können. Demgemäß enthält jede Röhre wenigstens eine aus Blech oder Drahtgaze bestehende Landungsstelle, die „Anode" genannt wird. Damit die Elektronen wirklich hier landen, muß die Elektronenbesetzung der Landungsstelle schwächer sein als die des Startplatzes und die des Gitters. Schwächere Elektronenbesetzung bedeutet positive Spannung: Die Landungsstelle muß also gegenüber Startplatz und Gitter positiv sein!
Hiermit haben wir alles erwähnt, was grundsätzlich für eine Röhre nötig ist: Den leeren Raum, in dem sich die Vorgänge abspielen, die Kathode als geheizten Startplatz der Elektronen, das Gitter mit seiner wechselnden Besetzung und die nur schwach mit Elektronen besetzte Landungsstelle, die Anode.
Einige interessante Zahlen.
Der Raum, der die wirksamen Teile der Röhre enthält, läßt sich nicht ganz leer pumpen. Wohl ist der zurückbleibende Gasrest so weitgehend verdünnt, als ob in einem großen Faß nur noch ein Luftbläschen von der Größe eines Stecknadelkopfes verteilt wäre. Aber dieser geringe Luftrest bedeutet trotzdem eine unvorstellbar große
[↑Seite 14]
Zahl von Molekülen: Jede unserer heutigen Röhren enthält in ihrem „leer gepumpten" Glaskolben immer noch rund eine Billion Gasmoleküle ! Dabei ist eine Billion derart viel, daß man für das Abzählen einer solchen Zahl Tausende von Jahren nötig hätte. — Und die Elektronen, die infolge der Heizung des Startplatzes in den leeren Raum hinausgetrieben werden ? — Das sind bei kleineren Endröhren in jeder einzelnen Sekunde weit mehr als 10000 Billionen! — Zum Schluß noch die Geschwindigkeit, mit der diese Elektronen den leeren Raum durcheilen: Rechnen wir die Wegstrecke aus, die sie in einer Sekunde durcheilen könnten, so kommen ein paar tausend Kilometer heraus.
Praktische Ausführung und Schaltung der Röhre.
Zwei Ausführungsformen sind möglich: Glasröhren und Metallröhren.
Zur Umgrenzung des leergepumpten Raumes, der die wirksamen Innenteile der Röhre enthält, dient eine Hülle, die entweder aus Glas oder Metall (meist Eisen) besteht. (Statt „Hülle" sagt man meist „Kolben"). Der Werkstoff, aus dem die Hülle besteht, ist (trotzdem die Hülle beim Betrieb der Röhre meist nicht unmittelbar mitwirkt) von Bedeutung, da er den Aufbau der Innenteile, die Außenmaße, das Aussehen und schließlich die Wärmeabgabe der Röhre mitbestimmt. Wir betrachten zunächst die mit Glaskolben ausgerüstete Röhre:
Was man von außen sieht.
Zunächst fällt der Kolben auf. Er besteht aus dünnwandigem Glas. Seine Innenseite ist meist teilweise verspiegelt. Bei sehr vielen Röhren trägt der Kolben einen matten Metallüberzug.
Der Glaskolben hat die Aufgabe, das Innere der Röhre luftdicht abzuschließen. Voraussetzung für ein einwandfreies Arbeiten der Röhre ist nämlich, daß sich deren Innenteile in einem leeren Raum befinden. Die Verspiegelung (der Fachmann sagt auch: „Das Getter") dient dazu, das Leerpumpen des Glaskolbens zu erleichtern. Der Metallspiegel frißt gewissermaßen die noch störenden Luftreste weg, die man sonst nur durch einen mühevollen Pumpprozeß beseitigen könnte. Außerdem sichert der Metallspiegel auch späterhin den Bestand einer genügenden Luftleere. Das ist wichtig, weil die Möglichkeit besteht, daß während des Betriebes noch geringe Gasreste aus den Metallteilen der Röhre frei werden.
Der äußere Metallüberzug schützt das Röhrensystem vor ungewollten elektrischen Beeinflussungen. An Stelle einer grauen oder bronzefarbigen Metallschicht wird hierfür manchmal (z. B. in Österreich)
[↑Seite 15]
ein Drahtnetz oder (z.B. in Amerika) ein aus zwei Teilen bestehendes Blechgehäuse benützt.
Der Glaskolben sitzt auf dem Röhrensockel. Dieser Sockel (manchmal sagt man auch „Fuß") besteht aus einem Werkstoff, der keine Elektrizität durch sich hindurchläßt. Aus dem Röhrensockel stehen unten mehrere Metallteile heraus. Diese Anschlußteile, die zum Anschluß der Röhre dienen, sind bei den älteren Röhren in Form von Stiften, bei den neueren Röhren in Form von flachen Metallstückchen ausgeführt. Das Anschließen geschieht durch Einstecken der Röhre in die zugehörige Fassung. Bei manchen älteren Röhrenarten trägt der Röhrenfuß seitwärts noch eine Klemme (die Seitenklemme), die ebenfalls zum Anschluß dient. Eine große Zahl von Röhren hat — außer den Anschlußmöglichkeiten am Röhrensockel — oben auf dem Kolben noch eine Anschlußkappe.
Hiermit haben wir das Äußere der Röhre erledigt. Wir kümmern uns jetzt um die
Anordnung der Innenteile.
Wir denken uns den Glaskolben samt seiner Verspiegelung entfernt. (Würde man den Glaskolben wirklich zerschlagen, so gäbe es einen kleinen Knall. Dieser käme daher, daß plötzlich Luft in den leer gepumpten Kolben eintritt.)
Fehlt der Glaskolben, so sehen wir unten einen flachgedrückten Glasfuß, der Quetschfuß heißt (Abb. l und 2). Aus ihm steht eine Reihe von Drähten heraus, die in verschiedener Weise abgebogen sind. Die Drähte tragen das eigentliche Röhrensystem, das bei einfachen Röhrenarten (bei Dreipolröhren) aus drei Teilen besteht (Abb. 3).
Ganz innen befindet sich die Kathode. Diese besteht bei manchen Röhren in einem dünnen Draht, der mitunter gerade, mitunter V-oder M-förmig ausgespannt ist. Heizfaden und Kathode sind hier gleichbedeutend. Bei den anderen Röhren wird als Kathode eine rohrförmige Metallschicht benutzt, die gegen den in ihrem Innern befindlichen Heizfaden isoliert ist.
Die Kathode wird so vom Gitter umschlossen, daß Gitter und Kathode sich an keiner Stelle berühren können. Die heutigen Gitter sind meist als Drahtspiralen ausgebildet.
Den Abschluß bildet die Anode, die derart angeordnet ist, daß keine Berührung mit dem Gitter stattfinden kann.
Bei Senderöhren wird die Anode seit langem zum Abschluß des leeren Raumes benutzt. Seit einigen Jahren baut man im Ausland auch Empfängerröhren in dieser Weise (siehe S. 19).
[↑Seite 16]
Der Aufbau der Metallröhren.
Abb. 1. Die Innenteile einer direkt geheizten Dreipolröhre. Da der obere Teil der Anode entfernt ist, kann man das Gitter und den von ihm umschlossenen, V-förmig gespannten Heizfaden erkennen. Die Haltedrähte, die auch die Zuführungen zu den drei Innenteilen darstellen, sind mit ihren unteren Enden in dem Quetschfuß gehalten.
Abb. 2. Die Innenteile einer indirekt geheizten Dreipolröhre. Hier ist der vordere Teil der Anode weggenommen, damit das spiralen-förmige Gitter und die stabförmige Kathode gut sichtbar werden. Am unteren Ende der Kathode kann man die zwei Heizfadenenden bemerken.
Die ersten Metallröhren waren in der Weise gebaut, daß der Metallkolben mit einem gläsernen Quetschfuß verschmolzen war. Die heutigen Metallröhren besitzen als Grundplatte einen Metallboden, in den Röhrchen aus einer Eisen-Nickel-Kobalt-Legierung eingeschweißt sind. In jedes dieser Röhrchen ist ein Glastropfen eingeschmolzen, durch dessen
Mitte jeweils eine Zuleitung hindurchgeht. Auf die Bodenplatte ist ein haarnadelförmiger Träger aufgeschweißt, der zur Befestigung der Innenteile dient. Die Innen teile selbst sind in der Metallröhre in grundsätzlich gleicher Weise angeordnet und durchgebildet wie in der Glasröhre. Glasröhren oder Metallröhren.
Um einen grundsätzlichen Vergleich zu ermöglichen, setzen wir voraus, daß jeweils zwei Röhren, von denen die eine mit Glaskolben
[↑Seite 17]
und die andere mit Metallkolben ausgeführt ist, dem gleichen Zweck dienen und beide das erreichbare Höchstmaß an Vollkommenheit aufweisen. Unter diesen Voraussetzungen gilt folgendes:
Die Vorteile der Glasröhre sind:
Die Vorteile der Metallröhre sind:
Abb. 3. Die drei Innenteile der Dreipolröhre. Hier ist eine indirekt geheizte Röhre gewählt, da deren Aufbau eine bessere Übersicht ermöglicht.
Wie sich aus den beiden vorangehenden Aufstellungen ergibt, ist die Frage, ob man Glas- oder Metallröhren wählen soll, für die praktische Verwendung der Röhren ziemlich belanglos. Bei Verwendung von Metall kann der Kolben auch als Anode benutzt werden.
Die Mehrzahl der Metallröhren ist so aufgebaut, daß der Kolben lediglich den leeren Raum abschließt und das Innere der Röhre gegen äußere elektrische Einwirkungen schützt. Man kann aber — was für Endröhren möglicherweise Vorteile bietet — den Kolben auch unmittelbar als Anode verwenden. Dadurch erzielt man eine gute Kühlung der Anode und besonders geringe Ausmaße.
Hiermit haben wir einen Überblick über den Aufbau eines einfachen Röhrensystems gewonnen. Bevor wir uns eingehender mit der Kathode, der Anode und den verschiedenen Gittern beschäftigen, müssen wir kurz Schaltzeichen und Schaltung der Röhre betrachten. Wenn gezeigt werden soll, wie eine Röhre angeschlossen wird, zeichnet man die Röhre nicht so, wie sie wirklich aussieht, sondern stellt sie in Gestalt eines Schaltzeichens dar. Hierbei werden die Einzel- teile des Systems nur durch übereinanderliegende Zeichen angedeutet, wobei die Reihenfolge der Einzelteile so bleibt, wie sie nacheinander im Weg der die Röhre durcheilenden Elektronen liegen. Abb. 4 und 5 zeigen zwei Röhrenschaltzeichen.
Abb. 6 stellt eine vollständige Schaltung dar. Im oberen Teil des Bildes sehen wir das Schaltzeichen einer Röhre. Die Anode ist über einen Widerstand mit dem Pluspol, die Kathode unmittelbar mit dem Minuspol der Anodenstromquelle verbunden. Das Gitter
[↑Seite 19]
liegt (hier z.B. über eine Wicklung) am Minuspol, die Kathode unmittelbar am Pluspol der Gitterspannungsquelle.
Der Gitterstromkreis.
Von einem Stromkreis im landläufigen Sinn kann hier nur gesprochen werden, wenn das Gitter eine gegenüber der Kathode positive Spannung bekommt (Abb. 7). Nur bei diesem Spannungsvorzeichen kommt ein Gitterstrom zustande. Da der Gitterstrom meist unerwünschte Folgen hat, gibt man dem Gitter in der Regel eine gegenüber der Kathode negative Vorspannung. Die während des Betriebes zwischen Gitter und Kathode vorhandene Spannung setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Diese Teile sind: 1. Die über die Gitterspule, einen Transformator oder eine andere Übertragungseinrichtung gelieferte Wechselspannung, die die Röhre steuert, 2. Die aus der Gitterspannungsquelle stammende negative Gittervorspannung. Die negative Gittervorspannung wird in der Regel so hoch bemessen, daß die Gesamtspannung des Steuergitters niemals während des Betriebes (gegenüber der Kathode) positiv wird.
Der Anodenstromkreis.
Der Anodenstrom (Abb. 8) folgt den Schwankungen der Gitterspannung. Wird die Gitterspannung z. B. stärker negativ, so sinkt dementsprechend im selben Augenblick der Anodenstrom. Der Anodenstrom ist außer vom jeweiligen Wert der Gitterspannung auch von der Größe des im Anodenzweig liegenden Widerst von der Höhe der Spannung der Anodenstromquelle abhängig (Abb. 6).
[↑Seite 20]
Der Anodenstrom fließt durch den Anodenwiderstand. Das ergibt im Anodenwiderstand einen Spannungsabfall. Die Anodenspannung unterscheidet sich somit von der Spannung der Anodenstromquelle um diesen Spannungsabfall.
Anodenspannung = Spannung der Anode gegen die Kathode.
Die Kathode.
Die wirksame Schicht ist für die Röhre lebenswichtig.
Die Kathode soll Elektronen aussprühen. Zu diesem Zweck muß man sie heizen. Damit eine geringe Heizleistung ausreicht, ist es nötig, die Kathode mit einer Schicht zu überziehen, die den Elektronenaustritt erleichtert. Diese Schicht bestand früher aus Thorium (Thoriumröhren) oder aus einem Erdmetalloxyd. Heute wird meist Barium benutzt. Im Laufe der Betriebszeit verdampft die wirksame Schicht. Dadurch altert die Röhre: Ihr Anodenstrom nimmt ab. Überheizung beschleunigt das Altern. Wird die Schicht durch Überheizung vernichtet, ohne daß der Heizfaden durchschmilzt, so geht der Anodenstrom auf einen kleinen Bruchteil des normalen Wertes zurück. Die Röhre büßt ihre Leistungsfähigkeit ein. Sie wird „taub".
Direkte Heizung ist sparsam.
Befindet sich die wirksame Schicht direkt auf dem Heizfaden (Heizfaden und Kathode gleichbedeutend), so spricht man von direkter Heizung. Die Kathode selbst ist hier einfach und damit billig. Leistungsfähige Röhren benötigen aber große Kathodenoberflächen. Um diese zu erzielen, muß der Heizdraht im Zickzack ausgespannt sein. Das bedeutet einen umfangreicheren Systemaufbau. Bei direkter
[↑Seite 21]
Heizung kommt man mit geringen Heizleistungen aus (0,12 bis 2,5 Watt). Röhren für direkte Heizung haben mitunter eine Neigung zum Klingen. Dieses Klingen wird durch mechanische Schwingungen des Heizfadens bewirkt. Besteht — vor allem beim Audionrohr — Neigung zum Klingen, so kann durch Zusammenwirken von Röhre und Lautsprecher akustische Rückkopplung entstehen (lauter, allmählich anschwellender Ton; Abhilfe: Änderung der gegenseitigen Lage von Lautsprecher und Gerät, Umwickeln des Röhrenkolbens mit Isolierband).
Bei direkter Heizung bedeutet die Heizspannung einen Spannungsabfall längs der Kathode. Heizen wir z. B. mit 4 Volt Gleichspannung, so haben beide Kathodenenden gegeneinander diese 4 Volt als Spannungsunterschied. Deshalb kann es hier nicht gleichgültig sein, welches der beiden Heizfadenenden wir als Kathodenanschluß verwenden. Der Einheitlichkeit halber wird bei Angaben über direkt geheizte Röhren stets das negative Heizfadenende als Kathodenanschluß betrachtet.
Indirekte Heizung ist für Netzbetrieb das richtige.
Bei direkter Heizung mit Wechselstrom oder mit einem Gleichstrom, dem Wechselstrom überlagert ist, wirken sich die Heizspannungsschwankungen auf die Elektronen aus, die von der Kathode nach der Anode fliegen. Die Heizspannungsschwankungen drücken diesem Strom ihren Takt auf. Das Ergebnis ist ein mehr oder minder starkes Netzbrummen.
Früher wurden für stärker schwankende Heizspannungen — vor allem für Wechselstromheizung — Kurzfadenröhren gebaut, die mit einem kurzen und dementsprechend dicken Heizfaden ausgerüstet waren. Ein solcher Faden braucht zwar mehr Heizstrom, dafür aber weniger Heizspannung. Hierdurch fällt dann der Einfluß der Heizspannungsschwankungen entsprechend kleiner aus. Weil aber auch die Kurzfadenröhren noch Netzbrummen mit sich brachten, ist man für Netzgeräte fast ausschließlich zur indirekten Heizung übergegangen. Hierbei sind Kathode und Heizfaden elektrisch voneinander getrennt.
Heizspannungsschwankungen können sich deshalb kaum auf den eigentlichen Betrieb der Röhre auswirken. Von der Isolierung zwischen Kathode und Heizfaden wird viel verlangt: Sie muß selbst nach vielen hundert Betriebsstunden unverändert gut bleiben. Auch die Kapazität zwischen Heizfaden und Kathode darf sich für manche Schaltungen nicht ändern. Ist die Isolierung nicht einwandfrei (was bei älteren Röhren manchmal vorkommt), so gibt es unangenehme Kratzgeräusche.
Die indirekt geheizten Röhren besitzen in ihrem Kathodensystem eine große Wärmeträgheit. Das ist betriebsmäßig von Vorteil, weil die
[↑Seite 22]
Kathodentemperatur auch bei Wechselstromheizung gleichmäßig bleibt. Bei kurzzeitigen Überlastungen erweist sich die große Wärmeträgheit ebenfalls als günstig: Indirekt geheizte Röhren halten kurzdauernde Überlastungen des Heizfadens aus, ohne taub zu werden. Der Nachteil der großen Wärmeträgheit ist darin zu erblicken, daß die indirekt geheizten Röhren erst einige Zeit nach dem Einschalten zu arbeiten beginnen.
Für die indirekt geheizte Kathode gibt es verschiedene Ausführungsarten.
In den älteren Röhren ist als Isolierung zwischen Kathode und Heizfaden ein Kaolinröhrchen benutzt, das zwei Längslöcher hat, die den haarnadelförmig gebogenen Heizfaden enthalten. Die lose Anordnung des Heizfadens hat mitunter Störgeräusche zur Folge. Man ging deshalb dazu über, den haarnadelförmig gebogenen Heizdraht über ein Kaolinstäbchen zu wickeln, ihn darauf mit Hilfe einer keramischen Masse festzuhalten und mitsamt dem Stäbchen in das Isolierröhrchen der Kathode einzuschieben (Valvo: goldene Serie, Telefunken: Bi-Röhren). Bei dieser Anordnung sind durch Festlegung des Heizfadens die Störgeräusche weitgehend vermieden.
Für höhere Heizspannungen wird der Heizfaden zunächst in Form einer ganz engen Spirale aufgewickelt und diese dann so weiter behandelt wie der Heizfaden für Niederspannungsheizung.
Seit einiger Zeit verzichtet man auf das Kaolinröhrchen und überzieht statt dessen sowohl den aufgewickelten Heizfaden wie auch die Innenseite der rohrförmigen Kathode mit einer hitzebeständigen Isolierschicht. Derartige Kathoden haben eine geringere Wärmeträgheit und damit eine geringere Anheizzeit als die anderen indirekt geheizten Kathoden, weshalb sie „Schnellheizkathoden“ heißen.
Gegenüberstellung:
Eigenheiten der Anode.
„Anodenspannung“ und „Spannung der Anodenstromquelle“ sind nicht gleichbedeutend.
Die Anode soll den Elektronen eine Landungsstelle bieten. Deshalb muß die Anode gegenüber der Kathode eme positive Spannung aufweisen (übliche Anodenspannungen 40 bis 300 Volt). Im allgemeinen
[↑Seite 23]
ist es um so besser, je höher die Spannung innerhalb dieses Bereiches gewählt wird. Lediglich die Audionröhre macht mitunter eine Ausnahme. Bei ihr kann eine kleinere Anodenspannung günstiger sein.
Die Anodenspannung ist die Spannung, die die Anode gegenüber der Kathode auf weist. Die Anodenspannung hat während des Betriebes in jedem Augenblick einen anderen Wert.
Die Spannung der Anodenstromquelle ist die Gleichspannung, die die Anodenstromquelle der Reihenschaltung aus Röhre und Anoden-widerstand zur Verfügung stellt. Die Spannung der Anodenstromquelle wird häufig ebenfalls Anoden Spannung genannt. Die Angabe des Wertes der höchstzulässigen Anodenspannung bezieht sich fast stets auf die an der Anode vorhandene Gleichspannung. Diese ist (mit Ausnahme der Widerstandsstufen) meist nahezu gleich der Spannung der Anodenstromquelle.
Streng genommen gibt es vier höchstzulässige Werte für die Anodengleichspannung (Gleichspannung der Anode gegen die Kathode).
Die Anode erwärmt sich im Betrieb.
Die Anode ist meist geschwärzt und besteht vielfach aus Drahtgaze. Dies erleichtert die Wärmeabgabe des Systems. Das ist bei den indirekt geheizten Röhren wegen ihrer großen Heizleistung von Wichtigkeit.
Die Anode wird auch durch die auf sie aufprallenden Elektronen unmittelbar erwärmt: Die Elektronen, die sich unter dem Einfluß der Anoden Spannung nach der Anode hin bewegen, werden unterwegs kräftig
[↑Seite 24]
beschleunigt, so daß sie eine hohe Endgeschwindigkeit erreichen. Mit dieser hohen Geschwindigkeit prallen sie auf die Anode auf. Bei Aufprall wird die Geschwindigkeit abgebremst. Dabei entsteht die eben erwähnte Wärme. Die Endgeschwindigkeit der Elektronen entspricht der Anodenspannung, die Zahl der je Sekunde eintreffenden Elektronen dem Anodenstrom. Das heißt: Die Erwärmung der Anode entspricht dem Produkt aus Anodenstrom und Anodenspannung. Maßgebend S]-nd hierfür fast stets Anodengleichstrom und Anodengleichspannung. Also:
Das Produkt aus Anodengleichstrom und Anodengleichspannung, das man Anodenbelastung nennt, darf den in der Röhrenliste angegebenen Höchstwert nicht übersteigen. Sonst wird die Anode unzulässig heiß!
Dies gilt außer für Röhren in Endstufen auch noch in besonderen Fällen für Röhren in Niederfrequenz-Transformatorstufen. Bei allen übrigen Empfängerstufen liegt die Gefahr einer Überhitzung der Anode kaum vor.
Die höchstzulässige Anodenbelastung (man sagt auch: „Anodenverlustleistung") wird in Watt angegeben. Aus ihr und der vorhandenen Anodengleichspannung kann man den höchstzulässigen Anodengleichstrom leicht berechnen.
Höchstzulässiger Gleichstrom in mA
= höchstzulässige Anodenbelastung in Watt x 1000 / Anodengleichspannung in Volt.
Beispiel: Höchstzulässige Anodenbelastung = 6 Watt, Anodengleichspannung = 220 Volt. Daraus erhalten wir:
Höchstzulässiger Anodengleichstrom = 6x1000/220 = 27,3 mA.
Dieser Anodengleichstrom läßt sich durch entsprechende Wahl der Gittervorspannung einstellen. Selbstverständlich darf der eingestellte Strom — im Hinblick auf die Anodenbelastung — auch kleiner ausfallen als der berechnete Grenzwert.
Sekundär-Elektronen wirken sich aus, wenn der Anode ein positives Gitter benachbart ist.
Die Erwärmung der Anode ist nicht die einzige Folge des Elektronenbombardements dem die Anode ausgesetzt ist: Überall, wo Elektronen mit hinreichender Wucht aufprallen, werden andere Elektronen aus den Landungsstellen herausgeschlagen. Die herausgeschlagenen Elektronen nennt man „Sekundärelektronen“.
[↑Seite 25]
In einer Röhre, die nur Kathode und Anode enthält, können die Sekundärelektronen keinen besonderen Einfluß geltend machen: Hier prallen Elektronen nur auf der Anode auf. Und die Anodenspannung, die alle Elektronen nach der Anode hinjagt, treibt auch die Sekundärelektronen immer wieder nach der Anode zurück.
Falls die Röhre außer Kathode und Anode nur Gitter hat, die gegenüber der Kathode negativ sind, wirken sich die Sekundärelektronen ebensowenig aus wie in einer Röhre ohne Gitter: Auf den negativen Gittern landen keine Elektronen. Deshalb treten an diesen Gittern auch keine Sekundärelektronen auf. Die zwischen der Anode und dem gegenüberliegenden negativen Gitter vorhandene Spannung hat die Richtung einer Anodenspannung und treibt deshalb alle Elektronen — einschließlich der aus der Anode herausgeschlagenen Sekundärelektronen — nach der Anode hin.
Enthält die Röhre ein der Anode benachbartes Gitter mit einer gegen die Kathode positiven Spannung, so entstehen sowohl an der Anode wie auch (in schwächerem Maße) an dem Gitter Sekundärelektronen. Diese wirken sich je nach den Spannungsverhältnissen verschieden aus. Zu beachten ist, daß Sekundärelektronen in nennenswertem Ausmaße erst dann auftreten, wenn k>wohl Gitter-wie Anodenspannung einen Wert von rund 10 Volt übersteigen! Nun die drei möglichen Fälle (Vgl. Abb. 77 und 78.):
1. Anodenspannung kleiner als die (positive) Spannung des benachbarten Gitters (Gitter positiv gegen Anode). Die Anodensekundär elektronen werden nach dem Gitter getrieben. Die Anoden-sekundärelektronen vermindern den Anoden- und erhöhen den Gitterstrom. Die Gittersekundärelektronen wirken sich nicht aus.
2. Anodenspannung gleich Gitterspannung (keine Spannung zwischen Gitter und Anode). Anodensekundärelektronen gehen trotzdem auf das Gitter über: Sie verlassen die Anode mit irgendeiner Geschwindigkeit in Richtung Gitter. Eine diese Geschwindigkeit abbremsende Spannung aber fehlt zwischen Anode und Gitter. Die Auswirkung der Gittersekundärelektronen ist (wegen deren — im Vergleich zu den Anodensekundärelektronen — geringer Zahl) belanglos.
3. Anodenspannung größer als Gitterspannung (Anode positiv gegen Gitter). Hierbei kommt es auf die Höhe dieser Spannung an: Gegen Spannungen bis zu 25 Volt können die Sekundärelektronen eben noch anlaufen. Deshalb verschwindet die Auswirkung der Anodensekundärelektronen erst für Anodenspannungen, die die Gitterspannung um wenigstens 25 Volt übersteigen. Bei höheren Anodenspannungen
[↑Seite 26]
kommen die Gittersekundärelektronen zur Geltung: Die Gittersekundärelektronen gehen nach der Anode über. Das bedeutet eine Vergrößerung des Anoden- und gleichzeitig eine Verkleinerung des Gitterstromes.
Streuelektronen sind mitunter unangenehm.
Die Elektronen, die durch die Löcher der Gazeanoden hindurch-fJiegen und so aus dem eigentlichen Röhrensystem herausgelangen, heißen „Streuelektronen". Die Streuelektronen haben verhältnismäßig geringe Geschwindigkeiten, weshalb sie durch schwache, von außen auf die Röhre einwirkende magnetische und elektrische Felder beeinflußt — d. h. gesteuert — werden können. Dadurch besteht die Möglichkeit, daß das Magnetfeld des Netztransformators in der Röhre ein Netzbrummen bewirkt.
Die Streuelektronen können den Betrieb einer Röhre dann ganz besonders stören, wenn sie mit einiger Wucht auf Isolierteile (z. B. auch auf die Innenseite der Glaswand) auftreffen. Die Zahl der hierbei aus den Isolierteilen herausgeschlagenen Sekundärelektronen ist nämlich größer als die Zahl der dort auftreffenden Elektronen. Die Elektronenbesetzung der getroffenen Stelle nimmt infolgedessen ab. Ihre Spannung ändert sich also im positiven Sinn. Das erleichtert den Anprall weiterer Streuelektronen, was wiederum eine Spannungserhöhung bewirkt. Auf solche Weise können derart hohe Spannungen entstehen, daß dadurch das Innere des Röhrensystems unzulässig stark beeinflußt wird.
Der ringförmige Kohlebelag macht die Streuelektronen unschädlich.
Neuere Röhren enthalten an der Innenseite des Glaskolbens meist einen grauen, aus kohlenhaltigem Werkstoff bestehenden, ringförmig angeordneten Belag. Dieser verhindert die eben geschilderte Auswirkung der Streuelektronen folgendermaßen: Kohlenstoff hat die Eigenheit, daß durch jedes aufprallende Elektron höchstens jeweils ein Elektron aus ihm herausgeschlagen werden kann. Auf Grund dieser Eigenheit kann die Kohleschicht durch aufprallende Elektronen niemals positiv werden, wodurch das vorhin erwähnte Ansaugen der Streuelektronen wirksam verhindert ist.
Das Steuergitter.
Bezeichnung und Wirkung.
Außer dem Steuergitter gibt es noch andere Gitter. Das Steuergitter ist aber stets das wichtigste Gitter. Deshalb spricht man von ihm oft schlechtweg als vom „Gitter“.
Je stärker die Elektronenbesetzung des Gitters ist, desto mehr wird Elektronenbewegung von der Kathode nach der Anode geschwächt.
[↑Seite 27]
Mit ändern Worten heißt das: Je höher man die negative Gitterspannung macht, desto kleiner wird der Anodenstrom. Verringern wir die negative Gitterspannung, so steigt der Anodenstrom. Lassen wir die Gitterspannung positiv werden, so geht der Anodenstromanstieg weiter.
Es ist klar, daß die Ausgestaltung des Gitters auf seine Steuerwirkung von Einfluß ist. Sind die Abstände zweier benachbarter Gitterstäbe groß, so kann das Gitter nicht besonders wirksam sein, während ein Gitter'mit dicht nebeneinander liegenden Stäben einen größeren Einfluß auf die in der Röhre stattfindende Elektronenbewegung hat.
Die Folgen des Gitterstromes sind: Dämpfung und Verzerrung.
Sobald die Gitterspannungsschwankungen über die Grenze des gitterstromfreien, negativen Gitterspannungsbereiches hinausgehen, entsteht ein entsprechend veränderlicher Gitterstrom. Das hat zwei Folgen:
Der Gitterstrom-Einsatzpunkt richtet sich nach der Kathoden-Art.
In dem vorhergehenden Abschnitt wurde gezeigt, warum man den Gitter Spannungsbereich, für den ein Gitterstrom auftritt, im allgemeinen vermeiden muß.
Doch — wo liegt die Grenze dieses Bereiches? Wohl kommt der Gitterstrom grundsätzlich dann zustande, wenn das Gitter gegen die Kathode positive Spannungen auf weist. Doch liegt der Gitterstromeinsatzpunkt nicht ganz genau bei 0 Volt Gitterspannung:
Nur bei den meisten heutigen direkt geheizten Röhren trifft dies ziemlich gut zu, wenn die Gitterspannung — wie üblich — gegen das negative Heizfadenende gerechnet wird.
[↑Seite 28]
Bei manchen älteren direkt geheizten Röhren (solchen mit einem auf den Heizfaden aufgestrichenen Oxydbelag) setzt der Güterstrom erst bei etwa +1 Volt ein.
Bei den indirekt geheizten Röhren setzt ein merklicher Gitterstrom bereits im negativen Gitterspannungsbereich ein. Die Spannung, bei der der Gitterstromeinsatz erfolgt, liegt zwischen -1 und -1,4 Volt.
Bei direkt geheizten Röhren ist also der ganze positive Gitterspannungsbereich wegen Gitterstrom verboten. Bei den indirekt geheizten Röhren ist die Grenze des verbotenen Bereiches nicht erst bei 0 Volt, sondern bei ungefähr -1,3 Volt zu ziehen.
Gitterstrom ist bei Gasgehalt auch für negative Gitterspannungen möglich!
Falls eine Röhre zuviel Gas enthält, was z. B. durch Überhitzung der Anode verursacht sein kann, tritt auch bei negativem Gitter Gitterstrom auf: Diejenigen Gasteilchen, die positiv geladen sind, bewegen sich nach dem negativen Gitter hin, um von dort Elektronen aufzunehmen. Das kommt einem Gitterstrom gleich, der in genau gleicher Weise schädlich ist wie der Gitterstrom, der bei positivem Gitter fließt. Infolgedessen wird eine Röhre dadurch, daß ihr Gasgehalt zu groß wird, unbrauchbar.
Prüfung des Gasgehaltes und der Gitter-Isolation.
Der Gasgehalt kann bei einer negativen Gittervorspannung von etwa 2 Volt mit Hilfe eines in die Gitterleitung geschalteten Widerstandes, in dem der Gitterstrom einen Spannungsabfall hervorruft, geprüft werden (Abb. 9).
Der beim Einschalten des Widerstandes auftretende
Spannungsabfall bewirkt eine entsprechende Anodenstromänderung, die gemessen wird. Der Gitterstrom kann — unter der Voraussetzung, daß die Isolationwiderstände ganz wesentlich höher sind als der Gitterwiderstand (wenigstens etwa 2000 mal so groß), — aus dem Wert des Gitterwiderstandes, der Größe der Steilheit der Röhre und der Anodenstromänderung folgendermaßen berechnet werden:
Gitterstrom in μA =
Anodenstromänderung in mA / Steilheit in mA/V x Widerstand in der Gitterleitung in ΜΩ.
[↑Seite 29]
Beispiel: Die Anodenstromänderung betrage 1,2mA. Die Steilheit sei 2,5 mA/V. Der in die Gitterleitung geschaltete Widerstand habe einen Wert von 1,5 Megohm. Damit erhalten wir:
Gitterstrom = 1,2 / 2,5 x 1,5 = 0,32 Mikro-Ampere.
Zulässig sind im negativen Gitterspannungsbereich Gitterströme bis etwa l Mikro-Ampere.
Falls die Isolationswiderstände geringer sind, kann eine Verschiebung der Gitterspannung auch ohne Mitwirkung des Gasgehaltes Zustandekommen (s. Seite 92). Demgemäß wird in der Praxis mit einer Schaltung nach Abb. 9 nicht der Gitterstrom bestimmt, sondern die Prüfung des Gasgehalts und der Isolation gemeinsam vorgenommen. Hierfür gilt:
Bei Einstellung der Röhre auf die Werte des Arbeitspunktes (also bei betriebsmäßiger Höhe der Anodenspannung und Gittervorspannung) und bei einem Gitterwiderstand von l Megohm (für Endröhren gelten statt l Megohm die auf Seite 120 angegebenen Werte) darf die durch das Kurzschließen des Gitterwiderstandes bewirkte Anodenstromänderung nicht mehr als 20% des ursprünglichen Anodenstromes betragen. Die Gittervorspannung sollte bei dieser Prüfung an einem Kathodenwiderstand erzeugt werden.
Vorläufiger Überblick über die zusätzlichen Gitter.
Vorbemerkung.
Die meisten der heute benutzten Röhren enthalten mehr als ein Gitter. Neben dem Steuergitter besitzen sie also noch zusätzliche Gitter. Die zusätzlichen Gitter beeinflussen das Verhalten der Röhren wesentlich. Daher ist es nötig, schon an dieser Stelle — vor der Besprechung der Kennlinien und der allgemeinen Röhreneigenschaften — einen Überblick über die zusätzlichen Gitter zu geben. Der Überblick kann allerdings hier nur ein vorläufiger sein, da wir die Bedeutung der zusätzlichen Gitter erst voll erfassen können, wenn wir über Kennlinien und Röhreneigenschaften Bescheid wissen.
Eine Zusammenstellung der zusätzlichen Gitter.
Die folgende Zusammenstellung bezieht sich auf die Bezeichnungen und auf die Aufgaben der zusätzlichen Gitter sowie auf die zur Lösung der Aufgaben notwendigen Voraussetzungen.
Wer zunächst ohne die Zusammenstellung auskommen möchte oder sich darunter nicht viel vorstellen kann, möge sie ruhig überschlagen und gleich mit dem folgenden Abschnitt beginnen.
[↑Seite 30]
In jedem Fall wird es jedoch zweckmäßig sein, die Zusammenstellung nach dem Studium der Abschnitte über die einzelnen Gitter nochmals anzusehen.
Die Aufgaben der zusätzlichen Gitter sind:
Das Schutzgitter schützt die Röhre gegen die Rückwirkung der Anodenspannungs-Schwankungen.
Um die Bedeutung des Schutzgitters würdigen zu können, müssen wir davon ausgehen, daß die Schwankungen des Anodenstromes in dem von ihm durchflossenen Anodenwiderstand (Abb. 6) einen entsprechend schwankenden Spannungsabfall bewirken.
Die Schwankungen des im Anodenwiderstand auftretenden Spannungsabfalles, die (als verstärktes Abbild der steuernden Gitterwechselspannung) für den Betrieb der Empfänger nötig sind, beeinträchtigen
[↑Seite 31]
die verstärkende Wirkung der Röhre. Dies wollen wir uns an folgendem Beispiel klar machen:
Der negative Wert der Gitterspannung möge augenblicklich etwas vermindert werden. Der Anodenstrom wächst also. Damit wächst der im Anodenwiderstand auftretende Spannungsabfall. Die Röhre bekommt infolgedessen weniger Anodenspannung als zuerst. Die Verminderung der Anodenspannung wirkt der Erhöhung des Anoden-Stromes entgegen, die als Folge der von uns angenommenen Änderung der Gitterspannung auftreten soll.
Dieses Beispiel zeigt allgemein: Die Schwankungen der Anodenspannung wirken der steuernden Gitterwechselspannung entgegen und beeinträchtigen dadurch deren Wirksamkeit.
Wir erkennen, daß die Aufgabe des Schutzgitters im besonderen darin besteht, die von der Kathode kommenden, nach der Anode fliegenden Elektronen vor den Schwankungen der Anodenspann mg zu schützen (Abb. 10 und 11).
Das Schutzgitter erfüllt seine Aufgabe, indem es den von der Kathode kommenden Elektronen eine ruhig bleibende Anodenspannung vortäuscht. Die hierzu im besonderen notwendigen Voraussetzungen sind:
[↑Seite 32]
Das Schutzgitter bekommt im Betrieb eine gegenüber der Kathode positive Spannung. Das ist für die Abschirmwirkung selbst nicht nötig. Aber — wenn die Anode durch ein Gitter abgeschirmt ist, wird die Anodenspannung behindert, Elektronen von der Kathode nach der Anode hinzuziehen. Diese Elektronenbewegung braucht man. Deshalb muß das Schutzgitter die Aufgabe der Elektronenbeschleunigung übernehmen und muß aus diesem Grunde positiv sein.
Weil aber das Schutzgitter positiv ist, fängt es einen Teil der von der Kathode kommenden Elektronen ab. Dieser Elektronenanteil spielt jedoch — glücklicherweise — keine allzu große Rolle: In der Nähe des Schutzgitters weisen die Elektronen bereits derart hohe Geschwindigkeiten auf, daß sie sich durch das Schutzgitter mit seiner positiven Spannung kaum mehr ablenken lassen. Das Schutzgitter fängt somit die Elektronen ab, die entweder unmittelbar auf die Schutzgitterdrähte zufliegen oder deren ursprüngliche Flugrichtung doch wenigstens nahe an den Schutzgitterdrähten vorbeigeht.
Das Schirmgitter ist ein durch eine Abschirmung ergänztes Schutzgitter.
Wir haben nun gesehen, daß das der Anode vorgelagerte Gitter die Wirksamkeit der Steuergitterspannungs-Schwankungen bedeutend erhöht, indem es die Auswirkung der Anoden-spannungs-Schwankungen auf die in der Röhre stattfindende Elektronenbewegung abschwächt. Das ist die eine Wirkung des der Anode vorgelagerten Gitters.
Die zweite Wirkung besteht darin, daß das Steuergitter dem Einfluß der schwankenden Anodenspannung entzogen wird. Um das zu begreifen, denken wir uns eine Röhre nach Abb. 6, bei der sich Anode und Steuergitter direkt gegenüberstehen. Der in Abb. 6 links sichtbare Wicklungsteil soll jetzt einen äußerst hohen Widerstand darstellen. Steuergitter und Kathode sind dann über diesen hohen Widerstand miteinander verbunden. Nun richten wir unser Augenmerk auf die Anodenspannung. Sie (oder genauer gesagt: das zu ihr gehörige, elektrische Feld) verteüt sich in der Röhre offenbar auf den ganzen Weg zwischen Anode und Kathode. Das Steuergitter liegt in diesem Weg. Folglich müßte ein Teil der Anodenspannung auf die Teilstrecke „Anode—Steuergitter“ und der Rest der Anoderispannung auf die Teilstrecke „Steuergitter—Kathode“ entfallen. Mit Recht heißt es im vorigen Satz „müßte“: Solange nur Gleichspannungen und damit keine Spannungsschwankungen vorhanden sind, überträgt der hohe Widerstand, der zwischen Steuergitter und Kathode liegt, auf das Steuergitter die Spannung der Gitterspannungsquelle. Sobald dem Gitter aber von irgendwoher eine rasch wechselnde Spannung aufgezwungen
[↑Seite 33]
wird, können diese Spannungsschwankungen über den hohen Widerstand nicht mehr ausgeglichen werden.
Wenn wir das Vorstehende gut verstanden haben, werden wir den Einfluß der Anodenspannungsschwankung auf das Steuergitter sofort einsehen. — Wenn nicht, dann studieren wir das Vorhergehende zunächst noch einmal durch.
Nun wird fortgefahren: Die Anodenspannung möge schwanken. Ihre Schwankungen bewirken, daß auch die Teilspannung der Strecke „Steuergitter—Kathode“ ins Schwanken kommt. Die Gitterspannung wird somit durch die Anodenspannungsschwankungen ins Schwanken gebracht!
Es ist klar, daß ein zwischen Anode und Steuergitter eingefügtes, an Gleichspannung gelegtes Gitter die Einwirkung der Anoden-Spannungsschwankungen auf das Steuergitter wesentlich abschwächt. Für Röhren, die in Hochfrequenzschaltungen Verwendung finden sollen, genügt diese Abschwächung, die jedes Schutzgitter bewirkt, noch nicht. Hier benötigt man besonders eng gewickelte Schutzgitter, die durch eine besondere Abschirmung ergänzt sind. Diese Abschirmung muß so ausgebildet sein, daß sie jegliche Einwirkung der Anode und der mit ihr verbundenen Teile auf das Steuergitter und alles was damit zusammenhängt, wirksam verhindert. Damit diese Forderung durch die besondere Abschirmung voll erfüllt werden kann, ordnet man Steuergitter und Anodenanschluß bei Schirmgitterröhren an den entgegengesetzten Röhrenenden an (früher Steuergitteranschluß unten, Anodenanschluß oben, heute meist umgekehrt).
Das Schirmgitter ist also ein durch eine besondere Abschirmung ergänztes Steuergitter, was auch im Schaltzeichen der Schirmgitterröhre zum Ausdruck kommt (Abb. 12).
Selbstverständlich wird durch ein solches Gitter — was bei Regelröhren (Fadingröhren) von Wichtigkeit ist — auch umgekehrt die direkte Einwirkung des Steuergitters auf die Anode verhindert!
Ein Schirmgitter ist auch zwischen zwei Gittern möglich. Das Schirmgitter zwischen Anode und Steuergitter ist nur ein — wenn auch der wichtigste — Sonderfall!
[↑Seite 34]
Zum Abschluß eine Gegenüberstellung des Schutz- und Schirmgitters, die beide die Röhre vor der Wirkung der Anodenspannungs-schwankungen schützen und beide eine gegenüber der Kathode positive Gleichspannung erhalten:
Beim Schutzgitter steht der Schutz der Elektronenbewegung vor dem Einfluß der Anodenspannungsschwankungen im Vordergrund.
Beim Schirmgitter spielt außerdem die gegenseitige Abschirmung von Anode und Steuergitter eine wesentliche Rolle.
Das Schutzgitter braucht sich deshalb nur in der Elektronenbahn zu befinden, während das Schirmgitter die Trennung auch außerhalb der Elektronenbahn zu gewährleisten hat.
Das Bremsgitter verhindert die Auswirkung der Sekundärelektronen.
Das Bremsgitter hat die Aufgabe, die Auswirkung der Sekundärelektronen zu verhindern. Es muß also die Sekundärelektronen abbremsen und dorthin zurückdrängen, von wo sie herausgeschlagen wurden. Das Bremsgitter befindet sich folglich (Abb. 13) zwischen der Anode und dem ihr benachbarten positiven Gitter (positive Gitter haben wir in den letzten Abschnitten als Schutz- und Schirmgitter kennengelernt). Damit das Bremsgitter seine Aufgabe erfüllen kann, muß seine Spannung sowohl gegen die Anode wie auch gegen das positive Gitter negativ sein. Außerdem dürfen an ihm selbst keine Sekundärelektronen auftreten. Das Bremsgitter darf somit gegen die Kathode nicht oder wenigstens nicht nennenswert positiv sein. Dementsprechend wird das Bremsgitter meist unmittelbar an die Kathode angeschlossen (Abb. 14). Dieser Anschluß war bei den bisherigen Röhren innerhalb der Röhre selbst
durchgeführt, so daß man keine Möglichkeit hatte, das Bremsgitter gesondert zu benutzen.
Abb. 13.
Die fünf Innenteile der mit Schutz- und
Bremsgitter versehenen Röhre.
Abb. 14. Schaltbilder von Röhren mit Bremsgitter; links eine Schutzgitterröhre, rechts eine Schirmgitterröhre.
[↑Seite 35]
Bei neueren Röhren erhält das Fanggitter einen gesonderten, von außen zugänglichen Anschluß.
Während die Bezeichnung „Bremsgitter“ der Wirkungsweise entspricht, ist der hierfür vielfach gebrauchte Name „Fanggitter falsch Dieses Gitter fängt keine Elektronen. Es bremst sie nur ab und drängt sie zurück.
Das Raumladegitter ermöglicht die Verwendung geringer Anodenspannungen.
Das Raumladegitter hat die Aufgabe, die Elektronenwolke, die sich um die Kathode herum ausbildet, aufzulockern. Das Raumladegitter muß also die Elektronen von der Kathode wegziehen.
Abb. 15. Schaltbild einer Raumladegitterröhre.
(konstante Raumladegitterspannung (positiv gegen die Kathode)
Damit diese Wirkung erreicht wird, muß das Raumladegitter eine gegenüber der Kathode positive Spannung bekommen und muß die Kathode unmittelbar umschließen (Abb. 15). Infolge der positiven Spannung des Raumladegitters gehen Elektronen von der Kathode nach dem Gitter über (vgl. Abb. 7). Um den Raumladegitterstrom hinreichend klein zu halten, macht man dieses Gitter dünndrähtig.
Die die Kathode umschließende Elektronenwolke heißt „Raumladewolke“. Daher der Name dieses Gitters. Das Auflockern der Raumladewolke erleichtert der Anodenspannung das Wegholen der Elektronen, weshalb man bei Vorhandensein eines Raumladegitters mit geringer Spannung der Anodenstromquelle auskommt (Reisegeräte!).
Besitzt eine Röhre mehrere Gitter, so kann das die Kathode unmittelbar umschließende Gitter statt als Raumladegitter auch als Steuergitter benutzt werden. Diese Bemerkung ist deshalb wichtig, weil man die üblichen Doppelgitterröhren, die früher fast ausschließlich als Raumladegitterröhren benutzt wurden, heute vielfach als Röhren mit zwei Steuergittern verwendet.
[↑Seite 36]
Manchmal braucht man ein zweites Steuergitter.
Es gibt Fälle, in denen man zwei Steuergitter benötigt Diese können, sofern sie sich gegenseitig beeinflussen dürfen, unmittelbar hintereinander angeordnet sein. Meist ist die gegenseitige Beeinflussung unerwünscht. Dann muß man eine Röhre wählen, in der die zwei Steuergitter durch ein Schirmgitter voneinander getrennt sind. Da die Anodenspannung im Takt der Gitterwechselspannungen schwankt, ist hierbei zwischen der Anode und dem ihr benachbarten Steuergitter ebenfalls ein Schirmgitter nötig. Andernfalls kann nämlich eine Beeinflussung des zweiten Steuergitters durch das erste Steuergitter über die Anode zustandekommen.
Das Verteilungsgitter ist ein Steuergitter besonderer Art.
Wie das Steuergitter hat es im allgemeinen eine negative Vorspannung. Während das eigentliche Steuergitter lediglich den Anodenstrom steuern soll, muß das Verteilungsgitter gleichzeitig außer dem Anodenstrom noch einen zweiten Strom steuern: Das Verteilungsgitter regelt im Takt seiner Spannungsschwankungen die Verteilung der von der Kathode kommenden Elektronen einerseits auf die Anode und anderseits auf ein vor dem Verteilungsgitter angeordnetes positives Gitter. Ein Verteilungsgitter ergibt sich z. B., wenn wir dem Bremsgitter eine Spannung geben, die sich während des Betriebes ändern läßt.
Machen wir das Bremsgitter stark negativ (kräftige Elektronenbesetzung), dann werden die Elektronen entsprechend dieser Elektronenbesetzung in ihrem Flug zur Anode behindert. Infolgedessen geht bei stark negativem Fanggitter ein größerer Teil der Elektronen auf das positive Schirmgitter und ein nur kleinerer Teil auf die Anode. Verringern wir die negative Spannung des Bremsgitters, dann werden die Elektronen auf ihrem Weg zur Anode weniger behindert. Jetzt fliegen mehr Elektronen als vorher zur Anode und dementsprechend weniger zum Schirmgitter.
Folgt — wie üblich — auf das Raumladegitter das Steuergitter und danach die Anode, so kann man das Steuergitter auch alsVerteilungs-gitter auffassen: Machen wir die Spannung des Steuergitters stark negativ, so werden die Elektronen daran gehindert, die Anode zu erreichen. Sie landen deshalb alle auf dem Raumladegitter. Je mehr die negative Spannung des Steuergitters verkleinert wird, desto leichter können die Elektronen die Anode erreichen. Desto weniger Elektronen lassen sich daher in diesem Fall auf dem Raumladegitter nieder.
Der Name Verteilungsgitter erklärt sich demnach — wie oben schon angedeutet — sehr einfach: Das Verteilungsgitter sorgt für eine von der Höhe seiner Spannung abhängige Aufteilung des von der Kathode herkommenden Elektronenstromes auf das Schirmgitter einerseits und auf die Anode anderseits.
[↑Seite 37]
Des tieferen Verständnisses halber folgt nun noch ein Vergleich des Verteilungsgitters mit dem üblichen Steuergitter: Durch Verkleinern der negativen Spannung eines Steuergitters wird eine Anodenstrom-Steigerung bewirkt. Beim Verteilungsgitter ist das bezüglich der Anode genau so. Bezüglich des vorhergehenden Gitters aber liegen die Verhältnisse gerade umgekehrt. Eine Verkleinerung der negativen Gitterspannung bewirkt dort eine Verkleinerung des Stromes.
Liegt, wie das in der Negadynschaltung der Fall ist, in der Zuleitung des dem Verteilungsgitter vorangehenden Gitters ein Widerstand, so bedeutet eine Verkleinerung des zu diesem Gitter gehörigen Stromes eine Verkleinerung des Spannungsabfalles und damit eine Vergrößerung der (positiven) Spannung des Gitters. Diese vergrößerte Spannung wirkt im gleichen Sinne wie die als Ursache angenommene Verkleinerung der negativen Verteilungsgitterspannung. Also: Bei normalem Steuergitter (und beim Verteilungsgitter in bezug auf die Anode bzw. auf das nachfolgende Gitter) gehört zu einer Verkleinerung der negativen Steuergitterspannung eine Vergrößerung des gesteuerten Stromes und damit eine Verkleinerung der gesteuerten (positiven) Spannung. Beim Verteilungsgitter erhalten wir in bezug auf das vorhergehende Gitter für eine Verkleinerung der negativen Verteilungsgitterspannung eine Stromverminderung und damit eine Erhöhung der gesteuerten (positiven) Spannung.
Das Dosierungsgitter ist eine weitere Abart des Steuergitters.
Das Dosierungsgitter ermöglicht es, die durch die Wechselspannung des Steuergitters bewirkten Anodenstromschwankungen abzuschwächen. Das Abschwächen geschieht dadurch, daß man die negative Spannung des Dosierungsgitters erhöht. Hierdurch werden die Elektronen abgebremst. Mit dem Dosierungsgitter können also die Anodenstromschwankungen geschwächt werden, indem durch die stärker negative Gitterspannung der gesamte Anodenstrom geschwächt wird.
Das Dosierungsgitter kann an beliebiger Stelle zwischen Kathode und Anode eingefügt sein. Für die regelnde Wirkung wäre es besonders günstig, das Gitter in nächster Nähe der Kathode anzubringen. Im allgemeinen aber ordnet man das Dosierungsgitter erst nach dem Steuergitter — also näher der Anode — an, da man auf diese Weise eine bessere Wirkung des eigentlichen Steuergitters erzielt.
Jedes Schirmgitter, Schutzgitter und Bremsgitter kann ebenfalls als Dosierungsgitter Verwendung finden. Da ein positives Gitter stets einen Strom führt, was eine Belastung der Stelle bedeutet, die die Regelspannung liefert, wird man ein positives Gitter nur dann zur Regelung benutzen, wenn diese nicht selbsttätig geschieht, sondern von Hand vorgenommen wird, wenn man also die Spannung z. B.
[↑Seite 38]
von einem regelbaren Spannungsteiler abgreift. In diesem Fall macht nämlich die Belastung durch den Gitterstrom nichts aus.
Die „Gitter-Anode“ ist ein als Hilfsanode benutztes Gitter.
Schwankt in einer Röhre mit Schirm- oder Schutzgitter die Steuergitterspannung, so schwankt außer dem Anodenstrom auch der Schirm- bzw. Schutzgitterstrom in gleichem Takt. Daraus folgt: Man kann ein an eine positive Spannung angelegtes Gitter als Anode verwerten. Von dieser Möglichkeit, ein Gitter als Anode auszunutzen, macht man gelegentlich Gebrauch (s. z. B. S. 170). In diesem Falle schwankt die positive Gitterspannung im Takt der Wechselspannung des zugehörigen Steuergitters.
Der Sammelname „Röhrenpol“ oder „Elektrode“.
Sowohl die Kathode wie die Anode und jede Art von Gitter bezeichnet man als „Röhrenpol“ oder „Elektrode“. Das müssen wir deshalb wissen, weil die Röhren häufig nach der Zahl ihrer Pole eingeteilt werden. Man spricht z. B. von „Zweipolröhren“ und „Dreipolröhren“. Früher wurden statt der deutschen Zahlen die griechischen Zahlwörter benutzt. Damit heißt die Zweipolröhre „Diode“, die Dreipolröhre „Triode“, die Vierpolröhre „Tetrode“, die Fünfpolröhre „Penthode“, die Sechspolröhre „Hexode“.
Der Heizfaden von indirekt geheizten Röhren wird nicht als Elektrode gezählt. Das ist deshalb der Fall, weil die Heizung nur aus Bequemlichkeitsgründen elektrisch geschieht. Der Heizstrom hat also nur die Aufgabe, die Kathode zu heizen. Elektrisch soll sich der Heizstrom nicht auswirken.
Röhren offenbaren sich in Röhren-Kennlinien.
Das Grundlegende.
Von jeder Röhre werden durch Messung gewonnene „Kennlinien“ herausgegeben. Diese sind für den Fachmann wichtiger als einzelne Zahlenwerte. Aus dem Verlauf der Kennlinien kann er das Verhalten der Röhren klar erkennen. Unter Verwendung von Kennlinien erhält er zahlenmäßige Ergebnisse, ohne viel rechnen zu müssen.
Bevor wir uns mit den Röhrenkennlinien abgeben, wollen wir uns kurz mit dem Wesen der Kennlinien überhaupt befassen. Hierbei unterstützen uns die Abb. 16 mit 19.
Abb. 16 enthält zwei Striche und einen Punkt. Die beiden Striche sind mit Einteilungen versehen und bilden miteinander einen rechten Winkel: Der eine Strich steht senkrecht, der andere waagerecht. Abb. 17 wiederholt das in Abb. 16 Gezeigte. Neu hinzugekommen sind nur zwei
[↑Seite 39]
Linien, die von dem Punkt aus nach den beiden mit Einteilung versehenen Strichen gezogen sind. Die eine Linie liegt wieder waagerecht, die andere senkrecht. Die waagerechte Linie endet an dem Punkt 3 der senkrechten Einteilung. Die senkrechte Linie an dem Punkt 4 der waagerechten Einteüung. Das heißt: Zu dem eingetragenen Punkt gehören die Zahlen 3 und 4. Der Punkt ist somit die bildliche Darstellung eines bestimmten Zahlenpaares (hier 3 und 4) bzw. eines bestimmten Zusammenhanges zweier Werte.
In Abb. 18 sehen wir wieder die beiden mit Einteilungen versehenen Striche. Statt des einzelnen Punktes enthält Abb. 18 aber deren vier. Jeder dieser vier Punkte bedeutet für sich einen bestimmten Zusammenhang zwischen zwei Werten.
In Abb. 19 sind die Punkte der Abb. 18 durch einen Linienzug miteinander verbunden. Die vier Punkte wurden nicht mehr besonders hervorgehoben, damit sie den Eindruck der Kurve nicht stören. — Was sagt uns nun eine solche Kurve? — Die Antwort darauf ergibt sich sofort, wenn wir daran denken, daß eine Kurve aus unzählig vielen, aneinander gereihten Punkten besteht. Zu jedem dieser Punkte gehört — wie wir jetzt wissen — ein bestimmter Zusammenhang zwischen zwei Werten. Die Kurve stellt demnach außerordentlich viele solcher Zusammenhänge dar.
Man kann das auch so ausdrücken: Die Kurve zeigt uns die Abhängigkeit zwischen zwei Größen. Ändert man die Größe, die der Einteilung auf dem waagerechten Strich entspricht, so ändert sich dadurch die andere Größe zwangsläufig so, wie das die Kurve im Zusammenhang mit der Einteilung des senkrechten Striches angibt.
Nun die Fachausdrücke: Die beiden mit Einteilungen versehenen Striche heißen „Achsen“. Die Kurve wird häufig als „Kennlinie“ bezeichnet. Sind mehrere Kennlinien in einer solchen Darstellung vereinigt, so spricht man — sofern die einzelnen Kennlinien zu gleichartigen Zusammenhängen gehören — von „Kennlinienschar“ oder — falls man die ganze Fläche meint — auch von „Kennlinienfeld“.
[↑Seite 40]
Anodenstrom-Gitterspannungskennlinie.
Um das Verhalten einer Röhre zu kennzeichnen, kann man den Anodenstrom für irgendeine bestimmte Anodenspannung (z.B. für 100 Volt) abhängig von der Gitterspannung auftragen. Eine solche Kennlinie zeigt Abb. 20. Der Anodenstrom wird hier von unten nach oben gezählt, während die Einteilung für die Gitterspannungen von rechts nach links hin abgetragen ist. Üblicherweise zählt man von links nach rechts. Bei der Gitterspannung ist die umgekehrte Zählrichtung hier deshalb benutzt, weil es sich um negative Werte handelt (auf Seite 20 wurde erwähnt, daß man fast immer mit negativen Gitterspannungen arbeiten muß).
Die Anodenspannung, die der Abb. 20 mit 100 Volt zugrunde gelegt ist, wurde willkürlich gewählt. Im Betrieb der Röhre können natürlich auch größere und kleinere Anodenspannungswerte als gerade 100 Volt vorkommen. Außer der Kennlinie für 100 Volt müssen demgemäß noch weitere Kennlinien für andere Anodenspannungen gegeben sein (z. B. die Kennlinien für 20, 40, 60, 80, 120 und 140 Volt Anodenspannung).
Das derart gebildete Kennlinienfeld beschreibt das Verhalten der Röhre mit genügender Genauigkeit für alle Anodenspannungen zwischen 0 und 140 Volt und alle hierfür in Frage kommenden negativen Gitterspannungen. Wir erkennen aus Abb. 21 z. B., daß bei 80 Volt Anodenspannung zu 2 Volt negativer Gitterspannung ungefähr 0,75 Milliampere Anodenstrom gehören und daß wir dieselben 0,75 Milliampere Anodenstrom bei 140 Volt Anodenspannung für eine negative Gitterspannung von etwa 4,8 Volt erhalten.
[↑Seite 41]
Die Anodenstrom-Gitterspannungskennlinien (siehe z. B. Abb. 21) sind zur Erklärung irgendwelcher Vorgänge deshalb sehr praktisch, weil die eine Einteilung der Gitterspannung entspricht (vgl. z. B. Abb. 20). An Hand einer solchen Kennliniendarstellung können wir die Arbeit einer Röhre demnach bequem verfolgen.
Für die Gewinnung zahlenmäßiger Ergebnisse sind jedoch die
Anodenstrom-Anodenspannungskennlinien besser zu verwerten.
Zu der Kennlinienschar von Abb. 21 gehören drei Größen: Gitterspannung, Anodenstrom und Anodenspannung. Wir hielten, um die Kennlinien zu erhalten, jeweils einen bestimmten Anodenspannungs-
wert konstant. Das ist eine ganz willkürliche Maßnahme. Ebensogut kann man Kennlinien zeichnen, die zu jeweils konstanten Gitterspannungen gehören (Abb. 22). Diese Kennlinien zeigen den Zusammenhang zwischen Anodenstrom und Anodenspannung für einen jeweils gleich bleibenden Gitterspannungswert.
Abb. 22. Anodenstrom-Anodenspannungs-Kennlinienfeld.
Umzeichnung der Kennlinien.
Vor allem von älteren Röhren liegen nur die Anodenstrom-Gitterspannungskennlinien vor. Diese lassen sich gemäß Abb. 23 in Anodenstrom-Anodenspannungskennlinien umzeichnen. Dort sehen wir auf der linken Seite die Anodenstrom-Gitterspannungskennlinien von Abb. 21. Diese Kennlinien sollen umgezeichnet werden. Auf der rechten Seite der Abb. 23 wird nun zuerst eine senkrechte Achse gezogen, die die gleiche Einteilung erhält wie die senkrechte Achse links. Dann kommt die waagerechte Achse für die Anodenspannung an die Reihe. Die praktisch in Frage kommenden Anodenspannungen sind positiv. Deshalb geschieht deren Zählung von links nach rechts. Da die Anodenspannungen im allgemeinen viel höher sind als die Gitterspannungen, müssen wir für die Anodenspannungen einen kleineren Maßstab wählen als für die Gitterspannungen. Wie groß wir ein Volt auf der waagerechten Achse machen wollen, ist an sich gleichgültig. Wichtig ist nur, daß der in Frage kommende Anodenspannungsbereich mit dem zur Verfügung stehenden Platz des Zeichenpapieres im Einklang steht.
[↑Seite 42]
Die beiden Achsen sind jetzt fertiggestellt. Wir können also mit , Kennlinien beginnen. Für die erste Kennlinie wählen wir als kon-tante Gitterspannung den Wert 0. Zu diesem Wert gehört im linken Teil der Abb. 23 alles, was auf der senkrechten Achse liegt. Diese Achse schneidet die einzelnen Kennlinien. An den Kennlinien sind die zu ihnen gehörigen Anodenspannungswerte vermerkt. Die senkrechte Achse gibt uns die jeweils entsprechenden Anodenstromwerte an. Die Schnittpunkte der Kennlinien mit der senkrechten Achse zeigen uns somit den Zusammenhang, der zwischen Anodenstrom und Anodenspannung — für 0 Volt Gitterspannung — besteht. Mit den Zahlenpaaren, die sich so aus dem linken Teil der Abb. 23 entnehmen lassen, haben wir alles, was für die erste Kennlinie des rechten Teiles der Abb. 23 gebraucht wird.
Im einzelnen: Wir fangen mit der 140-Volt-Kennlinie des linken Kennlinienbildes an. Demgemäß suchen wir uns auf der waagerechten Achse des rechten Teiles von Abb. 23 den Punkt, der zu 140 Volt Anodenspannung gehört. Durch diesen Punkt wird eine senkrechte Linie gelegt. Dann gehen wir von dem Schnittpunkt der 140-Volt-Kennlinie mit der senkrechten Achse so weit waagerecht nach rechts hinüber, bis wir auf die zu 140 Volt gehörige Senkrechte treffen. Der Schnittpunkt der senkrechten mit der waagerechten gestrichelten Linie ist ein Punkt der gesuchten Kurve.
Genau so wie mit dem einen Punkt, geht es mit allen Punkten, die zu 0 Volt Gitterspannung gehören. Auf dieselbe Weise erhalten wir auch die Punkte für die übrigen Kennlinien. Abb. 23 zeigt zum Beispiel, wie ein Punkt der Kennlinie gefunden wird, die zu einer negativen Gitterspannung von 4 Volt gehört.
[↑Seite 43]
Das Anodenstrom-Anodenspannungsblld der Dreipolröhre für negative Steuergitterspannungen.
Um den Kennlinienverlauf der Dreipolröhre verstehen zu können, müssen wir uns daran erinnern, daß diese Röhre außer Kathode und Anode nur das Steuergitter enthält.
Abb. 38 zeigt das Anodenstrom-Anodenspannungsbild einer Dreipolröhre. Wir sehen dort, daß jede der Kennlinien von einem anderen Punkt der waagerechten Achse aus erst flach ansteigt, um dann allmählich in eine schrägliegende Gerade überzugehen.
Daß jede Kennlinie in einem ändern Punkt der waagerechten Achse entspringt, erklärt sich so: Ein Anodenstrom ist nur möglich, wenn die Wirkung der Anodenspannung auf die Raumladewolke (s. S. 36) die der Gitterspannung übersteigt. Bei beispielsweise 14% Durchgriff und 12 Volt negativer Gitterspannung kann ein Anodenstrom erst für eine Anodenspannung von mehr als 12 x 100 : 14 = 86 Volt Zustandekommen.
Der flache Anstieg am unteren Ende jeder Kennlinie erklärt sich folgendermaßen: Solange die Wirkung der Anodenspannung die des Gitters noch nicht nennenswert überwiegt (solange also noch wenig Anodenstrom fließt), ist die Raumladewolke sehr dicht und hat eine nur geringe Ausdehnung. Die Anodenspannung vermag aus einer solch dichten Raumladewolke nur wenige Elektronen wegzuziehen.
Eine Steigerung der Anodenspannung wirkt sich am untern Kennlinienende zweifach aus:
1. Die höhere Anodenspannung wirkt von sich aus kräftiger auf die Raumladewolke ein.
2. Die höhere Anodenspannung lockert die Raumladewolke auf, was die Einwirkung der Anodenspannung erleichtert.
Zu einer Verdoppelung der Anodenspannung gehört hier also zunächst ein mehr als doppelter Anodenstrom. Dem entspricht die Krümmung der Kennlinie nach oben.
Wenn die Anodenspannung so groß ist, daß ihre Wirkung zur fast völligen Auflockerung der Raumladewolke ausreicht, kann eine weitere Steigerung der Anodenspannung nurmehr eine entsprechende Anodenstromerhöhung bewirken. Dies zeigt sich im Kennlinienbild durch den für größere Anodenströme nahezu geradlinigen Kennlinienverlauf.
Ein Schutz- oder Schirmgitter verändert den Verlauf der Anodenstrom-Anodenspannungskennlinien für negative Steuergitterspannungen grundsätzlich.
Schirm- oder Schutzgitter beschleunigen mit ihrer positiven Spannung die Elektronen von der Kathode nach der Anode hin. Dabei treffen zunächst nur wenige Elektronen auf die Gitterdrähte. Die
[↑Seite 44]
meisten Elektronen fliegen durch die Zwischenräume des Schutz- oder Schirmgitters hindurch und fallen bei fehlender Anodenspannung natürlich wieder auf die Schutz- oder Schirmgitterdrähte zurück. Schutz- oder Schirmgitter sind also an ihrer Außenseite von einer außerordentlich lockeren Elektronenwolke umgeben, die eine sehr große Oberfläche aufweist. Diese Raumladewolke steht unmittelbar unter dem Einfluß der Anodenspannung, so daß schon geringe Anodenspannungen deren Elektronen nach der Anode ziehen können. Dem entspricht der im Anfang sehr steile Anstieg der Anodenstrom-Anodenspannungs-kennlinien (Abb. 39 und 46).
Wenn wir die Anodenspannung erhöhen, werden die Elektronen der vom Schutz- oder Schirmgitter bewirkten Raumladewolke in immer stärkerem Ausmaß nach der Anode gezogen. Da wir die Schutz- oder Schirmgitterspannung hierbei unverändert lassen, steht für den Anodenstrom nur eine beschränkte Zahl von Elektronen zur Verfügung. Die Folge ist, daß der anfangs steile Anstieg mit zunehmender Anodenspannung immer flacher wird. Schließlich ist eine weitere Steigerung des Anodenstromes nur noch dadurch möglich, daß die Anode durch das Schutz- oder Schirmgitter hindurch bis auf die Kathode herunterwirkt. Diese Wirkung ist wegen der zwischenliegenden Gitter gering. Infolgedessen ergibt sich bei weiterer Erhöhung der Anodenspannung ein nur äußerst geringer Anstieg des Anodenstromes. Im Gegensatz zu den Kennlinien der Dreipolröhre (Abb. 45) entspringen sämtliche Anodenstrom-Anodenspannungskennlinien einer mit Schutz- oder Schirmgitter ausgestatteten Röhre gemeinsam im Nullpunkt des Kennlinienbildes (Abb. 46). Das erklärt sich daraus, daß hier die Schutz- oder Schirmgitterspannung für alle Kennlinien gleich und genügend hoch ist, um die Wirkung des negativen Steuergitters zu übertreffen.
In diesem Abschnitt wurde die Auswirkung der Sekundärelektronen nicht berücksichtigt. Das geschah, um übersichtliche Verhältnisse zu schaffen. Trotz dieser Vernachlässigung hat unsere Betrachtung auch praktischen Wert, da die Auswirkung der Sekundärelektronen durch ein Bremsgitter verhindert werden kann.
Das Anodenstrom-Anodenspannungsbild der Dreipolröhre für positive Steuergitterspannungen.
Das positive Steuergitter hat für den Kennlinienverlauf grundsätzlich die gleiche Bedeutung wie ein Schutz- oder Schirmgitter Infolgedessen erhalten wir für positive Steuergitterspannungen auch bei der Dreipolröhre Kennlinien, die erst steü und dann flacher ansteigen (Abb. 120 und 121).
[↑Seite 45]
Die Auswirkung der Sekundärelektronen zeigt sich besonders deutlich im Anodenstrom-Anodenspannungsbild. Wir betrachten Abb. 47. Wir erkennen dort den zunächst steilen Anstieg des Anodenstromes, der in dem vorletzten Abschnitt eingehend besprochen wurde. Sowie die Anodenspannung aber über etwa 10 Volt erhöht wird, findet der steile Anstieg sein Ende. Jetzt wird der Aufprall der Elektronen auf die Anode so heftig, daß aus ihr eine beträchtliche Zahl von Elektronen herausgeschlagen werden. Diese Elektronen (Anoden-Sekundärelektronen — siehe S. 26) werden durch die hohe Spannung des positiven Gitters nach diesem hin getrieben. Demgemäß wird der Anodenstrom um den Strom, der den Anoden-Sekundärelektronen entspricht, verkleinert. Unter Umständen kann die Zahl der herausgeschlagenen Elektronen die Zahl der auf die Anode aufprallenden Elektronen wesentlich übersteigen. In diesem Fall sinkt der Anodenstrom unter Null. Er wird negativ (siehe Abb. 77).
Bei weiterer Steigerung der Anodenspannung erreicht diese den Wert der positiven Gitterspannung und geht dann über ihn hinaus. Sowie beide Spannungen ganz ungefähr gleich sind, gehen sowohl Anoden-Sekundärelektronen auf das positive Gitter, als auch Gitter-Sekundärelektronen auf die Anode über. Mit steigender Anodenspannung wird dabei der Einfluß der Gitter-Sekundärelektronen größer, während der der Anoden-Sekundärelektronen abnimmt. Da die Sekundärelektronen — infolge der Wucht, mit der sie herausgeschlagen werden, gegen negative Spannungen bis zu etwa 25 Volt anlaufen können, und da die Zahl der Anoden-Sekundärelektronen die der Gitter-Sekundärelektronen wesentlich übersteigt, ist eine Auswirkung der Gitter-Sekundärelektronen erst bei Anodenspannungswerten möglich, die über die positive Gitterspannung um mehr als rund 25 Volt hinausgehen. Je weiter die Anodenspannung diesen Grenzwert überschreitet, desto mehr Sekundärelektronen gehen vom positiven Gitter nach der Anode über. Dadurch wird der Anodenstrom in wachsendem Maße erhöht, während der Strom des positiven Gitters entsprechend zurückgeht (Abb. 77 und 78). Die Gitter-Sekundärelektronen ergeben in beiden Abbildungen einen steileren Kennlinienverlauf. Dieser steilere Verlauf bedeutet in Abb. 77 für gleiche Anodenstromschwankungen kleinere Anoden-spannungsschwankungen als bei fehlenden Sekundärelektronen. Spannung durch Strom aber gibt Widerstand. Das heißt: Der Röhrenwiderstand wird durch die Auswirkung der Gitter-Sekundärelektronen herabgesetzt. In Abb. 78 zeigt der schrägere Verlauf der Schirmgitterkennlinie, daß der Schirmgitterstrom infolge der Schirmgitter-Sekundärelektronen ziemlich stark von der Anodenspannung abhängig wird.
[↑Seite 46]