Mehr Willen zur Tat
Von Geheimrat Dr. Hugenberg, M. d. R.
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Den deutsche Bauern totsteuern, heißt das deutsche
Volk totsteuern. Vom Standpunkte der hauptsächlichsten
Hilfstruppen unserer ausländischen Gegner gesehen,
vom Standpunkt des Marxismus, des Sozialismus, ist
beides gleichbedeutend: den deutschen Bauern aus
seinem Eigentum vertreiben und das Eigentum überhaupt
erschüttern, ihm die wichtigste Grundlage nehmen. Die
anderen Berufe folgen dann ohne weiteres nach, und mit
den Zielen unserer auswärtigen Feinde ist zugleich das
Ziel dieses größten inneren Feindes, der Zerstörungssieg
des Marxismus, erreicht.
Wie retten wir uns vor dieser Entwicklung? Ich kann nur
das Eine sagen: Niemand darf glauben, daß wir bereits
gerettet sind! Niemand darf glauben, daß wir gerettet
sind deshalb, weil die Deutschnationale Volkspartei mit
in die Regierung eingetreten ist. Sie ist damit nicht ein
allmächtiger Faktor dieses Rades der Regierung geworden.
Sie kann immer nur als einer unter mehreren mitarbeiten
in der Richtung, in der wir unter uns hier vollkommen einig
sind. Aber es bedarf einer starken, einer gewaltigen Kraft
im Volke, um sie vorwärts zu treiben, daß sie die anderen
mit sich hinwegreißen kann. Weg mit der Zurückhaltung,
die unsere Landwirtschaft in den letzten Jahren bewiesen
hat! Sie soll aus sich herausgehen. Sie soll es machen, wie
der alte Bund der Landwirte es getan hat, als er gegründet wurde,
von dem man bekanntlich sagte, er hätte der deutschen
Landwirtschaft das Schreien beigebracht. Das gilt nicht nur
für die Landwirtschaft, das gilt auch für die anderen Zweige
unserer Wirtschaft. Auch diese dürfen sich nichts gefallen
lassen. Sie müssen ihre Meinung sagen. Sie müssen ihre Forderungen
geltend machen. Ich bin weit entfernt davon, etwa hier zu Dingen
aufzufordern, die nicht gesetzmäßig wären. Wenn ich
das täte, so bin ich ganz sicher, daß mir alsbald in der gegnerischen
Presse würde vorgeworfen werden, daß ich aufträte als der
Apostel der Gewalttätigkeit. Ich lehne etwas derartiges
selbstverständlich ab. Unbeschadet dieser Stellung
möchte ich aber an eine interessante Erscheinung erinnern,
die sich vollzogen hat. Es sind einmal die Winzer des
Moselgebietes zu ihrem Finanzamte gezogen, verbrannten
dort die Akten und schlugen die Fensterscheiben ein.
Ich billige das nicht. Aber ich konstatiere, daß heute keine
Weinsteuer mehr vorhanden ist, und daß die Getränkesteuer
in den Gemeinden mit Ausnahme des Bieres (wegen Bayern)
abgeschafft ist. Ich möchte also der ganzen Wirtschaft zurufen:
Rühren Sie sich, schreien Sie, machen Sie Ihre Interessen
geltend! Das ist das einzige, womit Sie in der Lage sind, uns,
die Leute, die im Reichstag sitzen, und Ihre Partei, die Deutschnationale
Volkspartei, über die Hindernisse hinwegzutreiben, die bergehoch
vor Ihnen stehen. Das sollte die ganze Wirtschaft tun.
Wir wollen nicht innerhalb der Wirtschaft einen Krieg aller
gegen alle führen, sondern wir wollen gemeinsam einen
Appell an die Vernünftigen des deutschen Volkes richten.
Es ist eine Irreführung, es ist eine Unwahrheit, es ist eine Lüge,
wenn behauptet wird, daß die Deutschnationale Volkspartei,
aber insbesondere auch die "deutsche Wirtschaft" darauf
aus sei, Lage und Stellung und Rechte des deutschen
Arbeiters innerhalb der deutschen Wirtschaft verkümmern.
Das liegt uns fern. Im Gegenteil, wir wissen schon wegen der
Bedeutung unseres inneren Marktes sehr gut, was es bedeutet,
wenn die Arbeitskraft unseres deutschen Arbeiters, das kostbarste Gut,
das wir in Deutschland haben, erhalten und gepflegt wird.
Wir verbitten uns, in dieser Beziehung die Aufrichtigkeit und
Ehrlichkeit unseres guten Willens zu bezweifeln. Aber
wir sind uns auf der anderen Seite vollkommen darüber klar,
daß der Sozialismus weite Schichten der deutschen Arbeiterschaft
auf falsche Wege und in falsche Vorstellungen hineingeführt hat,
und diese falschen Wege müssen berichtigt werden. Wir
können sie nicht weiter gehen. Wir können nicht Sozialpolitik
in der Weise treiben, daß wir immer neue tote Lasten
aufhäufen, von denen der Arbeiter selbst nichts hat,
daß wir immer neue große Organisationen gründen, deren
Apparat einen ganz großen Teil der Unkosten verschlingt,
mit denen die Wirtschaft belastet wird. Wir müssen herunter
von diesem falschen Wege, und, das will ich ganz offen als
meine Überzeugung bekennen: Um herunterzukommen von
diesem falschen Wege, müssen wir auch die Art, wie der
politische Wille in Deutschland sich bildet, ändern. Wir
können mit einer solchen Verfassung des parlamentarischen
Unsinns, wie wir sie heute in Deutschland haben, unsere
Wirtschaft niemals in Ordnung bringen. Alle, ob Landwirtschaft,
ob Industrie, ob Handwerk oder Handel, müssen sich
darüber klar sein: Es hilft nichts, sich immer von neuem
wieder zu ärgern über all die Einzelheiten, in denen sich
diese falsche Willensbildung im deutschen Volke ausdrückt.
Man muß an den Kern des Übels heran, er muß geändert
werden, und ich möchte wünschen, daß es der Deutschnationalen
Volkspartei, die seit jeher solche Gesichtspunkte betont
hat, bald vergönnt sein möge, auf diesem Gebiete das Größte,
was überhaupt für die deutsche Wirtschaft - das heißt:
für das deutsche Volk einschließlich des Arbeiters - geleistet
werden kann, für sie zu leisten. Aber sie kann es nur, wenn
die deutsche Wirtschaft hinter ihr steht, wenn nicht die
deutsche Wirtschaft es immer ist, die sagt, wo immer ein
Gebiet, das in die Verfassungsfragen hineinreicht, angefaßt
wird, wo immer man daran etwas ändern will: Das kommt
später. Wir haben augenblicklich nur unsere wirtschaftlichen
Sorgen." Dieser Standpunkt entsprießt aus einer falschen
Beurteilung der politischen Ursachen unserer wirtschaftlichen
Not. Nicht die Symptome bekämpfen, heißt es, sondern
den Kern der Krankheit anfassen, und nicht die Wirtschaft
zersplittern! Eine solche Zersplitterungsbewegung bewirken
die Wirtschaftspartei und ähnliche Bewegungen. Auch hier
möchte ich allen zurufen: Machen Sie die stärkste Partei
noch stärker. Machen Sie diese Partei trotziger, als sie bisher
gewesen ist! Flößen Sie ihr mehr Kraft, mehr Energie, mehr
Willen ein! Wenn Sie sie nach der entgegengesetzten Richtung
zerren, können Sie nie Ihr großes Ziel erreichen. Der Block
des Sozialismus muß endlich hinweggeschoben werden.
Da liegt auch für die deutsche Wirtschaft einer der Kerne des
Übels. Sorgen Sie dafür, daß wir in Preußen andere politische
Verhältnisse bekommen, dann bekommen Sie auch bessere Verhältnisse
in der deutschen Wirtschaft.
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