In dem Band "Der nationale Wille", den die Deutschnationale Volkspartei 1928 zu ihrem 10jährigen Bestehen herausgab, nutzte Emil Hartwig seinen Beitrag auch dazu, die Verdienste der Christlich-sozialen in der DNVP hervorzuheben.

Deutschnationale Arbeiterbewegung

von Emil Hartwig, M. d. R.,
Vorsitzender des Deutschnationalen Arbeiterbundes

Deutschnationale Arbeiterbewegung

Emil Hartwig Der nationale Wille (1928)

Bis Ende der 70er Jahre hat es in Deutschland eine bewußt vaterländische, parteipolitische Arbeiterbewegung nicht gegeben. Die führenden Politiker und Wirtschaftler der bürgerlichen Parteien haben das Anwachsen einer industriellen Arbeiterarmee mitangesehen, ohne sich ihrer überragenden moralischen und staatspolitischen Verantwortung gegenüber der ständischen, kulturellen wie gesellschaftlichen Lage der durch die Industrie heimatlos werdenden Arbeitnehmermassen schnell genug bewußt zu werden. Die Arbeiter waren zwar Deutsche, sie waren Preußen, Bayern usw. wie die Kapitalinhaber, aber sie hatten an Deutschland nicht mehr Anspruch, als die Auszahlung des von Angebot und Nachfrage nach Arbeiterhänden bestimmten Lohnes betrug. Nur soviel Arbeit diesen Lohn sicherte, hatten sie einen Anspruch auf ihre vier Wände.

Und die Haltung der Kirchen - insbesondere der evangelischen Kirche, die abhängig vom Staate war - war den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Notständen der Arbeitnehmerschaft gegenüber häufig indifferent.

Die Sozialdemokratie war entstanden. Die Atmosphäre, in der das Signal des kommunistischen Manifestes: "Proletarier aller Länder vereinigt Euch!" fanatischen Widerhall finden mußte, war teilweise vom Bürgertum selbst geschaffen.

Aber selbst dies Signal weckte nicht die führenden verantwortlichen Schichten. Hellhörig wurden durch den blutigen Haßgesang und durch die "Propagandisten der Tat" der Sozialdemokratie und der Anarchisten zumeist nur wissenschaftliche Kreise - Kathedersozialisten -, die soziale Wege und Theorien diskutierten, aber leider nicht rechtzeitig daran dachten, die Arbeitnehmer den Weg zur politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gleichberechtigung zu führen. Trotzdem gebührt jenen Männern aufrichtiger Dank.

Die Sozialdemokratie, die den Umsturz der bürgerlichen Ordnung predigte und als gleißendes Ziel einen sozialistischen Zukunftsstaat in Aussicht stellte, riß die Arbeitermassen immer mehr an sich. Sie organisierte sie politisch, sie organisierte sie wirtschaftlich. Immer noch schlief auf diesen Gebieten das Führertum in Staat, Kirche und Wirtschaft. Den Forderungen der Arbeiterwelt gegenüber sah man sich gesichert durch die Militär- und Polizeigewalt des Staates, dessen Organe man in Händen hatte. Eine furchtbare, eine bitterböse Fehlrechnung.

Wäre vor 1870, ehe das allgemeine, gleiche, geheime, direkte Wahlrecht kam, eine parteipolitisch und gewerkschaftlich national gesinnte Arbeiterbewegung vorhanden gewesen, hätte man gleichzeitig in Preußen die Arbeiterschaft mündig gemacht, der Weg des deutschen Volkes wäre nicht jäh und traurig in die Tiefe gegangen.

Den 70er Gründungsjahren folgten die traurigen Krisenjahre. 30 - 40 000 Arbeiter lagen 1878 allein in Berlin arbeitslos, ohne Existenzmittel, ohne Unterstützungsanspruch auf der Straße. Es war die Erntezeit des Anarchismus und der politischen Verwüstung.

In dieser Zeit schickte Gott den Mann, der der deutschen Arbeiterschaft den Weg zeigte, ihre sozialen und ständischen Forderungen energisch zu verfechten im Kampf gegen die Vorrechte der übrigen Stände ohne Preisgabe ihrer religiösen und vaterländischen Ideale.

Hofprediger D. Adolf Stöcker trat nicht nur in großen öffentlichen Versammlungen den Haßpredigten der Sozialisten und Anarchisten entgegen, nein, er ging auf zwei Gebieten bahnbrechend vor: er machte die vaterländisch- und religiös denkende Arbeiterschaft unabhängig vom Parteiapparat des Marxismus und bewahrte sie vor der demütigenden Rolle, etwa als Stimmvieh für bürgerliche Parteien gelten zu müssen. Er gründete die christlich-soziale Arbeiterpartei. Aber er tat noch ein zweites für die christlich-vaterländischen Arbeiter: er formulierte das in der damaligen Zeit unerhörtes Aufsehen erregende Programm. Aus der Formulierung von 1896 seien hier einige der wichtigsten Forderungen an die Sozialpolitik wiedergegeben:

  1. Einordnung des Arbeiterstandes in den gesamten Volks- und Gesellschaftskörper auf Grundlage der Gleichberechtigung.
  2. Sicherung des Koalitionsrechts. Staatliche Anerkennung der Berufsvereine, Förderung der Tarifbestrebungen. Reichsarbeitsamt.
  3. Festsetzung eines gesundheitlichen Höchstarbeitstages nach Art des Berufes und Gewerbes. Schutz der Arbeiter und Angestellten gegen gesundheitswidrige Zustände in den Arbeitsräumen.
  4. Ausbau der bestehenden Versicherungsgesetzgebung und Ausdehnung derselben auf alle Minderbemittelten. Wöchnerinnenschutz. Förderung der Arbeitslosenfürsorge.
  5. Unentgeltlicher paritätischer Arbeitsnachweis.
  6. Arbeiterschutz in der Hausindustrie. Festsetzung verbindlicher Mindestlohntarife durch Lohnämter für geeignete Massensachen.
  7. Durchführung der 36stündigen Sonntagsruhe.
  8. Ausdehnung der Ruhe für die Angestellten des Verkehrs- und Schankgewerbes, besonders an Sonntagen.
  9. Öffentliche Regelung und Beaufsichtigung der Wohnungsverhältnisse.
  10. Wirksame Beaufsichtigung aller Syndikate und Trusts und Maßnahmen gegen ausbeuterische Privatmonopole.
  11. Handelsaufsicht und Privatbeamtenversicherung.
  12. Kampf gegen Lehrlingszüchterei. Schutz der Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr. Verstärkter Frauenschutz.

Das war die Geburtsstunde einer deutschen nationalen Arbeiterbewegung. Die christlich-soziale Partei errang im Anfang in Berlin große Erfolge. Wieder war eine Stunde gekommen, welche die verantwortlichen Führer in Staat, Wirtschaft und Kirche vor ernste Erkenntnis und Entscheidung stellte. Sie erkannten ihre Aufgaben nicht! Bismarck, der Oberkirchenrat, Freiherr von Stumm, der Kaiser erklärten sich gegen Stöcker. Die große Presse war gegen die Sache der christlich-sozialen Partei, gegen die christlich-soziale Politik. Autokratie, verbunden mit Feudalismus, Plutokratie, Patriarchalismus und weltfeindliches Christentum sahen sich, wenn auch aus verschiedenen Motiven, vom christlichen Sozialismus bedroht und bekämpften ihn mit allen Kräften.

Wäre statt dieser Gegnerschaft ein Bündnis sachlicher und grundsätzlicher Art zustande gekommen, wie es der Auffassung des Kaisers in seinen ersten Regierungsjahren entsprach, das deutsche Volk wäre mit seinem Kaiser und seinen Führern wirklich eine christlich-nationale Volksgemeinschaft geworden.

Das Unheil ging seinen Weg! Je besser durch Volks- und Fachschulen die Bildung des Arbeiterstandes wurde, je mehr intelligente und begabte Arbeitersöhne und -töchter sich als Deutsche minderen Rechts fühlten, um so mehr ging die Saat auf, die von Lassalle, Marx, Friedrich Engels und so weiter ausgestreut worden war. Es waren wahrlich nicht die Schlechtesten, die sich im Ingrimm über das verschlossenen Vaterland - denn für sie hatte dieses Vaterland, um im Bilde zu sprechen, in seine schönsten Wohnräume den Eintritt verboten - der Sozialdemokratie zuwandten. Sie nahmen gierig die Irrlehre vom schicksalsverbundenen internationalen Proletariat an. Die Niederringung der bürgerlichen Gesellschaftsordnung, die Sozialisierung der Privatwirtschaft waren ihnen leuchtende Ziele, die der Marxismus den Massen verhieß; das politische Mittel zur Erreichung dieser Ziele sollte die Diktatur des Proletariats sein. Die Sozialdemokratie wurde das Heerlager der politisch aktiven Arbeitnehmermassen. Durch die Reichsverfassung, in der Bismarck das freie Wahlrecht dem ganzen deutschen Volke gab, bekam der Grimm der Massen, der in Anarchismus und Syndikalismus auszuarten drohte, ein Ventil. Die parlamentarische Mehrheit konnte erobert und nun konnten auf dem Wege über die politische Macht die Klassenziele erreicht werden.

Im größten Bundesstaat beging der Konservativismus den politischen Fehler, neben dem Reichstagswahlrecht krampfhaft, zuletzt sogar gegen die Regierung, gegen den Kaiser das Dreiklassenwahlrecht aufrecht zu erhalten. Die preußische Regierung, das soll hier der geschichtlichen Wahrheit zu Ehren betont werden war die treibende Kraft für die Einführung des gleichen Wahlrechts, die sich leider nicht hat durchsetzen können. Hätte die Angleichung des Wahlrechtes in den Ländern und Kommunen an das Wahlrecht des Reiches stattgefunden, so wäre auch die Überbrückung der Klassengegensätze leichter erfolgt und der Klassentheorie des Marxismus in der Arbeiterschaft leichter beizukommen gewesen. Notwendigkeiten, wie die Abschaffung der Kinderarbeit, der Nachtarbeit der Frauen, Schaffung einer Sonntagsruhe mußten erst erstritten werden. Die sozialistische Partei und mit ihr die sozialistische Gewerkschaftsbewegung wuchs infolge der Haltung der führenden Kreise des Bürgertums rasch und bedrohlich. Eindringlich führen uns das die Zahlen der sozialdemokratischen Reichstagswähler vor Augen:

Jahreszahl       Stimmenzahl (i. Tausend)       Zahl der Abgeordneten
    1871                   124,0                                           2
    1874                   352,0                                           9
    1877                   493,3                                         12
    1878                   437,2                                           9
    1881                   312,0                                         12
    1884                   550,0                                         24
    1887                   763,1                                         11
    1890                 1427,3                                         35
    1893                 1786,7                                         44
    1898                 2107,1                                         56
    1903                 3010,8                                         88
    1907                 3259,0                                         43
    1912                 4250,4                                       110

Die gesamte aktive deutsche Arbeitnehmerschaft wäre logischerweise unter die Führung der sozialistischen Partei- und Gewerkschaftsleitung gekommen, wenn die Führer sich auf den Kampf für die völlige Gleichberechtigung und Einordnung der Arbeitnehmer in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft beschränkt hätten. Hier lagen krasse Ungerechtigkeiten zu Tage. Die Sozialdemokratie aber nahm nicht nur den Kampf gegen Staats-, Gesellschafts- und Produktionsform auf, sondern auch gegen die christliche Weltanschauung, insbesondere gegen das christliche Glaubensbekenntnis. In ihr Programm kam allerdings nur der Satz: "Religion ist Privatsache". Die Literatur der Sozialdemokratie und die Reden ihrer Führer aber wandten die ganze Fülle ihrer Dialektik auf, um das Christentum und den Gottesglauben als den Lebensinteressen der Menschheit feindlich nachzuweisen. Bebel erklärte, daß Sozialismus und Christentum Gegensätze seien wie Feuer und Wasser. Der erste und einflußreichste Führer der sozialistischen Gewerkschaften, der vor einigen Jahren verstorbene Karl Legien, erklärte auf dem Gewerkschaftskongreß in Köln: "Wir Sozialisten sind antireligiös, weil wir vernünftige Menschen geworden sind". Außer dem Kampf gegen die christliche Weltanschauung war auch der Kampf der organisierten Sozialdemokratie gegen das nationale Volkstum und die auf diesem Geiste aufgebaute Staatsform die Ursache, daß ein gewichtiger und entschlossener Teil der deutschen Arbeiterschaft gegen die Sozialdemokratie in beiden Lagern, in Partei und Gewerkschaft, Front machte. Ihr gefährlichster Gegner erwuchs der zum größten Teil von Arbeiterfremden geleiteten Sozialdemokratie aus der deutschen Arbeiterschaft selbst. Die sich christlich und national bekennenden Arbeiter schlossen sich, nachdem bereits ein Zusammenschluß zum Kampf für die ethisch-sittlichen Grundsätze in evangelischen und katholischen Arbeitervereinen vorausgegangen war, anfangs der 90er Jahre zu Arbeiterberufsverbänden auf christlich-nationaler Grundlage zusammen. Dieser Zusammenschluß mit dieser Begründung war, ganz abgesehen von dem ständischen Wert, der darin zum Ausdruck kam, eine Kulturtat größten Ausmaßes.

Hier wurde praktisch durchgeführt, was D. Adolf Stöcker und andere Sozialpolitiker theoretisch gelehrt hatten.

Die Arbeiterschaft nahm den Kampf gegen die organisierte Gottes- und Volkstumsfeindschaft auf.

Deutschnationaler Parteitag in Görlitz 1922

Die Sozialisten hatten einen Organisationsvorsprung von 20 - 30 Jahren, den die christlichen Gewerkschaften so leicht nicht aufholen konnten. Die Gründe dafür sind verschieden. Schon bei der Gründung wandte sich gegen die christlichen Gewerkschaften nicht nur die ganze Wut der sozialistischen Welt, die die geistige und politische Herrschaft über die deutsche Arbeiterwelt als ihr Privileg betrachtete, sondern auch ein gut Teil des Bürgertums. Die Führung des Arbeitgebertums lehnte die neue Arbeiterorganisation entschieden ab. Gegen die sozialistischen Gewerkschaften führten die christlichen Gewerkschaften fast 15 Jahre lang einen erbitterten Kampf um ihre Gleichberechtigung. In sozialistisch besetzten Betrieben waren christliche Arbeiter fast vogelfrei. Die Betriebe wurden stillgelegt, um die "Christen" zu zwingen, überzutreten.

Die christliche Bewegung setzte sich aber nicht nur durch, sie zwang auch die sozialistischen Gewerkschaften, ihre überradikalen Forderungen den Gesetzen der Vernunft und den Notwendigkeiten der Nation anzupassen. Wenn heute gegen das Unternehmertum der Gedanke des sozialen Tarifrechts und des Schlichtungswesens auf der ganzen Linie gesiegt hat, dann liegt darin ein gewaltiger Triumph christlicher Gewerkschaftsarbeit, die diesen Gedanken gegen Unternehmertum und gegen die Sozialdemokratie stets verfochten hat.

In der Herrschaft über die Arbeitnehmer entstand der Sozialdemokratie im Jahr 1893 in Hamburg ein Gegner, dem man lange von dieser Seite keine Beachtung zollte, der aber für einen Teil der deutschen Arbeitnehmer die Sozialdemokratie sowohl politisch wie gewerkschaftlich aus dem Felde schlug. In Hamburg wurde damals von wenigen kaufmännischen Handlungsgehilfen der Deutschnationale Handlungsgehilfenverband gegründet. Auch er sieht seinen Vorkämpfer in D. Adolf Stöcker, der sich im preußischen Landtag in einer glänzenden Rede der damals viel ausgebeuteten Kaufmannsgehilfen annahm und hier sowohl wie im Reichstage einen scharfen Kampf für kürzere Arbeitszeit und für die Sonntagsruhe durchfocht. Heute ist unter der Privatangestelltenschaft der Kampfruf: "Hie Sozialismus!" und "Hie deutschnational!" entschieden. Der Deutschnationale Handlungsgehilfenverband mit seinen gewaltigen Standeseinrichtungen und seinen 320000 Mitgliedern ist nicht nur die entscheidende Kaufmannsgehilfengewerkschaft Deutschlands, sondern die größte der Welt.

In dem großen Zuge der politisch-geistigen Entwicklung darf hier eins nicht unerwähnt bleiben, das lange politisch machtvoll gewesen und stärksten Einfluß auf den Gang der Entwicklung der deutschen Arbeiterbewegung gehabt hat, der Konservativismus. Die Konservative Partei hat der deutschen Sozialpolitik im christlich-sozialen Sinne Stöckers ablehnend gegenübergestanden. Dagegen ist die Geschichte der konservativen Politik ein Ruhmeslied patriarchalischer Sozialpolitik. Ihr Verhängnis ist gewesen, daß die Führung der Partei nicht rechtzeitig und entschlossen dem Mahnruf Adolf Stöckers, Kleist-Retzows und anderer folgte und entsprechend der Mündigkeit der deutschen Arbeitnehmer sich für die Angleichung der politischen und wirtschaftlichen Rechte der Arbeitnehmer entschied. Sie beharrte leider der Überzeugung nach auf dem Patriarchalismus gegenüber der Arbeiterschaft, dadurch belastete sie sich mit dem Vorwurf des Bremsens gegenüber klaren Rechtsansprüchen der Arbeitnehmer. Auch dem gewerkschaftlichen Gedanken war der Konservativismus abhold. So ist es zu verstehen, daß bis zum Kriegsende die Christlich-soziale Partei und die Konservative Partei in den praktischen politischen Fragen sich schroff gegenüberstanden. Die Sünden des bürgerlichen politischen Liberalismus, der nationalliberalen und der Fortschrittspartei gegenüber den handarbeitenden Ständen liegen so klar zu Tage, daß hier darüber nichts gesagt zu werden braucht.

Franz Behrens Der Revolutionsnovember hat die Deutschnationale Volkspartei auf den Plan gerufen. in dieser Stunde erkannten Männer und Frauen aller Stände, daß nur eine große, sittlich und sozial fundierte Rechte imstande sein würde, den Triumph der kulturtötenden Parole des Marxismus: "Die Internationale erkämpft das Menschenrecht" zu vernichten und statt ihrer die christliche und nationale Parole: "Gott und unser deutsches Recht" zum Siege zu führen. Die Anregung dazu war von christlich-sozialer Seite bereits 1916 gegeben worden. Von Arbeiterseite kamen Franz Behrens, Frau Behm, G. Hülser, W. Lindner, R. Martin, Karl Meyer, Paul Rüffer, W. Wallbaum mit etwa hundert anderen namhaften christlich-sozialen Arbeiterführern, hinter denen Tausende und aber Tausende von Arbeiterinnen und Arbeitern standen, die seit Jahrzehnten in der konfessionellen Arbeiterbewegung sowie in der christlich-nationalen Gewerkschaftsbewegung in führender Front standen, zur neuen, großen Rechten. Sie gründeten bereits im Januar 1919 den Reichsarbeiterausschuß der DNVP., dessen Vorsitz Arbeitersekretär Emil Hartwig übernahm. Einem Aufruf Ende November 1918 waren etwa 2000 Vertrauensmänner in allen Gauen Deutschlands gefolgt. Damit waren sowohl Industrie- wie Landarbeiter von vornherein für die DNVP. gewonnen. Hatten doch Behrens, Wollbaum, Frau Behm bei den ersten Verhandlungen zur Gründung der Partei mitgewirkt. Sie hatten die Aufnahme christlich-sozialer Grundforderungen in das Programm der neuen Partei durchgesetzt. Franz Behrens, Frau Behm gehörten zur obersten Leitung. In den westlichen Landesverbänden setzten sich die Arbeiter sowohl in den Parteiorganisationen wie bezüglich der Wahllisten durch.

In die Nationalversammlung zogen vier deutschnationale Arbeiterabgeordnete ein: W. Koch, Knollmann, Frau Behm, W. Wallbaum; in die Preußische Landesversammlung R. Martin und Franz Dallmer. Die Reichstagswahl 1920 fand die DNVP. sowie den Reichsarbeiterausschuß der Partei bereits gut vorbereitet. Nicht nur daß die Arbeitermandate sich vermehrten, sondern im entsprechenden Ausmaß stiegen auch die Wählerstimmen.

Der Reichsarbeiterausschuß der Partei hatte bis zum 1. Parteitag am 14. Juli 1919 in Berlin keinen hauptamtlichen Geschäftsführer. Der Vorsitzende berief mit Zustimmung der Partei den Berliner Stadtverordneten und alten christlich-sozialen Führer Paul Rüffer, ursprünglich Textilarbeiter, zum 1. Geschäftsführer des Reichsarbeiterausschusses. Nun ging die organisatorische Arbeit schneller und erfolgreicher vorwärts. Bereits seit dem Parteitag in Hannover (1920) war in der "Deutschen Arbeiterstimme" ein Organ für die deutschnationale Arbeiterbewegung geschaffen worden. Emil Hartwig Ganz von selbst und eigentlich programmwidrig hatten sich besondere Arbeitergruppen im Lande gebildet, die ständig zunehmende Mitgliederzahlen aufwiesen. Auf dem Parteitag in München - mit jedem Parteitag ist ein Delegiertentag der deutschnationalen Arbeiterschaft verbunden - wurde dann von den etwa 120 Arbeiterdelegierten der Reichsarbeiterausschuß in einen Deutschnationalen Arbeiterbund umgewandelt. Zum Vorsitzenden wurde einstimmig der bisherige Vorsitzende des Reichsarbeitsausschusses, Emil Hartwig, M. d. R., gewählt. Die Arbeit des Bundes war aber schon 1921 so umfangreich geworden, der Ruf nach Sammlung so stark, daß sich bereits etwa ein Jahr nach Berufung von Rüffer der Vorstand entschloß, einen zweiten hauptamtlichen Geschäftsführer zu bestellen. Er wurde gewonnen in Wilhelm Lindner, der aus der Hüttenindustrie kam, der Partei aber bereits als Landesgeschäftsführer und Schriftleiter gedient hatte. Zwei unserer Bundesmitglieder, Minister Koch und Frau Behm, sind von deutschen Universitäten mit dem Titel eines Ehrendoktors ausgezeichnet worden.

Wir haben oben gezeigt, wie die Sozialdemokratie in der Vorkriegszeit von Wahl zu Wahl an Macht zunahm. Fast noch schneller, ja, man möchte sagen, zu schnell, wuchs die Stimmenmacht der DNVP.

In der Nationalversammlung hatte die Sozialdemokratie allein 163 Mandate auf der Grundlage von 11509048 Stimmen. Die Regierungskoalition hatte damals 229 Mandate und 23131089 Stimmen.

Die Deutschnationale Volkspartei hatte in der Nationalversammlung 44 Mandate und 3121479 Stimmen.

Bei den folgenden Wahlen hatte die DNVP.

1920 66 Mandate auf Grund von 3 736 778 Stimmen;
1924 (Maiwahlen): 95 Mandate und 10 Mandate von der Landesliste auf Grund von 5 718 543 Stimmen der Partei und 574 282 Stimmen von der Landesliste;
1924 (Dezemberwahlen): 103 Mandate und 8 Mandate des Landbundes auf Grund von 6 205 324 Stimmen der Partei und 498 934 Stimmen des Landbundes.


Bei der Reichspräsidentenwahl brachte die linke Koalition zusammen nicht mehr soviel Stimmen auf, wie bei der Wahl zur Nationalversammlung die Sozialdemokratie für sich allein aufgebracht hatte.

Die politische Macht der Deutschnationalen Partei, die Erreichung ihrer innen- und außenpolitischen Ziele hängt davon ab, ob die Millionenziffer deutscher Arbeitnehmerwähler, auf die die DNVP. blicken kann, weiter gesteigert wird, hängt davon ab, daß die Innenpolitik ihr christlich-soziales Fundament behält, daß die Gleichberechtigung der Arbeitnehmerschaft auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens von der Partei grundsätzlich weiter gefordert und in immer stärkerem Maße erkämpft wird.

Die Arbeiterstandsgesetzgebung ist von der Partei, entsprechend den Anträgen und Formulierungen des Deutschnationalen Arbeiterbundes, in hervorragender Weise vorwärts gebracht worden. Die Regierungskoalitionen, denen die DNVP. angehörte, brachten ertragreichste und bestfundierte Sozialgesetzgebung. Sie konnten das tun, weil die vornehmste Sorge der Partei die war, den deutschen Familien Brot auf den Tisch zu schaffen, d. h. eine gesunde, den Bedürfnissen der einzelnen Berufe angepaßte Wirtschaftsgestaltung herbeizuführen. Beides aber, Sozial- und Wirtschaftspolitik, baut sich auf christlich-sozialer Ethik auf. Das ist Fundament und Krönung deutschnationaler Politik.

Auf dieser Grundlage ist das Vertrauen der Arbeiterwelt zur Deutschnationalen Volkspartei in breitem Maße gewachsen. Keine bürgerliche Partei zählt soviel Arbeiter, Arbeiterinnen und Angestellte zu ihren Anhängern wie die DNVP. Selbst alle alten Parteien, wie Sozialdemokratie und Zentrum, kommen mir dieser Werbekraft im Volke nicht nach.

In der Parteileitung, im Hauptvorstand sowie in der Parteivertretung hat die Arbeiterschaft Sitz und Stimme. Im Reichstag ist sie durch 7, im Landtag durch 10 deutschnationale Arbeiterabgeordnete vertreten. Im verflossenen Reichs- und Landtag sind die Vergleichszahlen 11 beziehungsweise 15 Abgeordnete. Im preußischen Staatsrat und im Reichswirtschaftsrat hat sie ihre Vertretung ebenso wie in Provinziallandtagen und kommunalen Körperschaften. In ruhigem, aber stetigem Vorwärtsdrängen wird der deutschnationale Arbeiterbund alle zögernden und widerstrebenden Faktoren innerhalb und außerhalb der Partei überwinden. Hunderttausende deutscher Lohnarbeiter und Arbeiterinnen stehen voll Vertrauen hinter ihren Führern, darauf bauend, daß neben der Ehre und Sicherheit des Landes die Wohlfahrt und der kulturelle Aufstieg der Arbeiterschaft das Ziel deutschnationaler Politik sein muß.

Der Beschluß des ersten deutschnationalen Arbeitervertretertages im Jahre 1919 in Hagen i. W. forderte von der Partei, daß die christlichen, sozialen und nationalen Ideale in der praktischen Politik Gestalt annehmen müssen. Wörtlich hieß es dort: "Insbesondere verlangt der Arbeitervertretertag volle Gleichberechtigung des Arbeiterstandes, Vertiefung der sozialen Gesinnung, Bekämpfung reaktionärer Bestrebungen, volle Berücksichtigung der Arbeiterwünsche bei der Aufstellung der Kandidatenlisten bei politischen und kommunalen Wahlen".

Auf den Bundestagen in Görlitz, Hamburg, Berlin, Köln und Königsberg hat sich eine innere Vertiefung der Arbeit des Deutschnationalen Arbeiterbundes gezeigt und der ständig steigende Besuch aus allen Wahlkreisen hat Zeugnis davon abgelegt, wie groß die Anhängerschaft im Lande und wie weit sie bei der Durcharbeitung politischer Probleme gekommen ist. Auf diesen Bundestagungen sind Referate ausschließlich von Angehörigen des Arbeiterstandes gehalten worden und die da gegebenen Anregungen haben sich in erheblichem Umfange bei der nachfolgenden Tätigkeit der Fraktion gesetzgeberisch ausgewirkt.

Die Bundestagung in Köln war ein besonderer Glanzpunkt in der Geschichte der deutschnationalen Arbeiterbewegung und hat auch in der Presse eine außerordentlich aufmerksame Beobachtung gefunden.

In Köln wurde die Einrichtung einer Hilfskasse beschlossen, die bis jetzt schon in gewissem Umfange dazu beigetragen hat, Notlagen der Mitglieder zu lindern, von der aber insbesondere in der Zukunft weitere gute Hilfe erwartet wird.

Der Parteitag in Königsberg zeichnete sich dadurch aus, daß zum erstenmal ein Vertreter des Deutschnationalen Arbeiterbundes, der Abg. Meyer-Hermsdorf, zeitweilig den Parteitag leitete und daß ein anderer Vertreter des Deutschnationalen Arbeiterbundes, Gewerkschaftssekretär Karl Dudey-Duisburg, einen der Hauptvorträge über deutschnationale Sozialpolitik hielt, der im Druck erschienen, in wenigen Wochen mehrere größere Auflagen erlebte.

Seit dem Bundestag in Königsberg wird besonders Wert auf die Erfassung der Arbeiterinnen und Arbeiterfrauen gelegt. Auf unsere Anregung hin hat die Partei betreffs dieser Beschlüsse in den Etat von 1928 die Mittel für die Einstellung einer Arbeiterinnensekretärin einzusetzen (sic). Fräulein Kundt hat am 1. März 1928 ihr Amt angetreten. Wir erwarten, daß es dieser Arbeit, die in engem Zusammenhang mit dem Reichsfrauenausschuß, beziehungsweise mit den örtlichen Frauenausschüssen der DNVP. geschieht, auch gelingen wird, an die Millionen erwerbstätiger Frauen und Arbeiterehefrauen, die bisher politisch indifferent gewesen sind, heranzukommen und erheblichen Zuwachs für unsere Partei herauszuholen.

Reichstagsfraktion der DNVP.

Der Arbeiterbund hat in engster Zusammenarbeit mit der Deutschnationalen Schriftenvertriebsstelle einen Schriftenvertrieb organisiert und im letzten Jahre je mehrere Hunderttausend Broschüren und bis zu 7 Millionen Flugblätter abgesetzt. Die Bundesleitung hat dazu beigetragen, daß in den Ortsgruppen des Arbeiterbundes Bibliotheken geschaffen wurden, die von den Mitgliedern aufs eifrigste benutzt werden, um ihr Willen zu bereichern. Kurse des Arbeiterbundes, sowohl Abendkurse als auch Tageskurse, Freizeiten etc. haben in großer Zahl stattgefunden. Die Zahl der durch die von der Bundesleitung eingesetzten Kurse hindurchgegangenen Mitglieder beläuft sich auf etwa 1400. Daneben sind in vielen Provinzen noch besondere Kurse eingerichtet worden, bei denen meist auch Vertreter der Bundesleitung mitgewirkt haben.

Noch steht der Deutschnationale Arbeiterbund vor schweren Kämpfen. Sein Ziel ist so lange nicht erreicht, als ein Großteil der deutschen Arbeiter noch im Banne des Marxismus lebt. Es ist die Aufgabe des Deutschnationalen Arbeiterbundes, die Arbeiterschaft von diesem Druck zu befreien, sie zu bewußt staatsbejahenden, gleichberechtigten Mitgliedern der Gesellschaft zu erziehen, sie einzureihen ins Volksganze, ihnen die Rechte zu erkämpfen, die andere haben, Sie willig und fähig zu machen, die Pflichten gegenüber dem Staat so gut zu erfüllen, wie nur ein Stand dazu in der Lage ist. Er will sein Ziel erreichen durch Schulung und Belehrung und Erziehung, er will es erreichen, Hand in Hand mit den übrigen Gliedern der Deutschnationalen Volkspartei, erreichen in dem großen Strom wahrer Volksgemeinschaft, wie er vorbildlich in der Deutschnationalen Volkspartei bereits hergestellt ist und wie er organisch im ganzen Volke herausgearbeitet werden muß, soll Deutschland wieder groß und stark werden.

Der Deutschnationale Arbeiterbund will darum werben, daß in dem Arbeiter der Mensch, sein Charakter und seine Leistung geachtet und gewertet werden; er will, daß das Wort Freiligraths Gültigkeit bekommt:

"Wer den wuchtigen Hammer schwingt,
Wer im Felde mäht die Ähren,
Wer ins Mark der Erde dringt,
Weib und Kinder zu ernähren;
Wer stroman den Nachen zieht,
Wer bei Wolle, Werk und Flachse,
Hinterm Webestuhl sich müht,
daß sein blonder Junge wachse:

Jedem Ehre! Jedem Preis!
Ehre jeder Hand voll Schwielen.
Ehre jedem Tropfen Schweiß,
Der in Hütten fällt und Mühlen.
Ehre jeder feuchten Stirn
Hinterm Pfluge und auch dessen,
Der mit Schädel und mit Hirn
Hungernd pflügt, sei nicht vergessen!"

 

(Quelle: "Der Nationale Wille", Hrsg. Dr. Max Weiß, 1928, Wilhelm Andermann Verlag, Berlin)


Erstellt am 20.02.00 - Letzte Änderung am 20.02.2000.
Hartwig
Zurück zur Leitseite