1896 Erfindungen Übersicht
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Teil 1
Zeitmessung
Die Motoren
Mensch u. Tier als Motor
Die Wassermotoren
Wassersäulenmaschinen
Teil 2
Die Windmotoren
Die Wärmemotoren - Heißluftmaschinen
Dampfmaschinen
Teil 3
Gasmotoren
Petroleum-/Benzinmotoren
Elektrik - Blitzableiter
Elektrisches Licht
Die Motorwagen
Die Draisinen oder Velocipde
Die Luftschiffart
Teil 4
Stenographie
Das Schreibmaterial
Heliographie/Photographie
Die Daguerreotypie
Die Talbottypie u.d. moderne Photographie
Objektive
Die Momentphotographie
Photographie in natürlichen Farben
Telephotographie
Die Vergrößerung der Photographie
Das photographische Druckverfahren


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3. Die Wassersäulenmaschinen.

Bei den Wassersäulenmaschinen wird das Wasser dazu verwendet, einen in einem Hohlcylinder beweglichen Kolben hin und her zu treiben. Die hier durch das Wasser bewirkte Bewegung ist also keine drehende, sondern eine hin- und hergehende, welche im Bedarfsfalle erst durch Einschaltung einer Kurbel in eine drehende verwandelt wird. Je nachdem die drückende Wassersäule dem Kolben nur die eine Bewegungsrichtung giebt oder auch den Rückgang desselben veranlaßt, unterscheidet man einfach und doppelt wirkende Wassersäulenmaschinen. Das Verdienst, den Wassersäulenmaschinen zuerst eine lebensfähige Gestalt gegeben zu haben, gebührt dem Bayerischen Salinenrat von Reichenbach, welcher im Jahre 1809 eine großartige Leitung zum Transport von Soole von Traunstein nach Rosenheim am Inn baute und die zur Speisung derselben dienenden Pumpen mittelst Wassersäulenmaschinen eigener Konstruktion betrieb. Bei dieser Reichenbach’schen Maschine war der Pumpenkolben direkt an die Kolbenstange der Wassersäulenmaschine gekuppelt. In neuerer Zeit sind die Wassersäulenmaschinen durch verschiedene hervorragende Konstrukteure derartig vervollkommnet, daß man dieselben namentlich als Kleinmotoren in zahlreichen Exemplaren im Betriebe findet. Hier ist zunächst zu nennen der Schmid’sche Wassermotor; derselbe hat genau die Anordnung einer Dampfmaschine und unterscheidet sich von dieser im Wesentlichen nur dadurch, daß er nicht mit Dampf, sondern mit gepreßtem Wasser, also beispielsweise mit dem Wasser einer Hochdruck-Wasserleitung betrieben wird.

Eine originelle Wassersäulenmaschine ist der in Fig. 46 und 47 dargestellte Wasserdruckmotor von Hoppe in Berlin. Derselbe besitzt drei um 120° gegen einander versetzte, an ihrem einen Ende offene Druckcylinder, deren Kolben mittelst kurzer Stangen an einem gemeinsamen Zapfen der Schwungradwelle angreifen. Die in Fig. 46 links sichtbaren Röhren dienen zur Zu- bezw. Ableitung des Wassers. Die Verteilung des Betriebswassers auf die drei Cylinder erfolgt durch einen Drehschieber.

Fig. 48 stellt die Ansicht eines ebenfalls von Hoppe in Berlin gebauten Wassermotors mit zwei Cylindern dar, deren Kolben gemeinsam eine Schwungradwelle bewegen.

Schließlich bringen wir noch in Fig. 49 (Seite 75) einen Zwerg aus dem Geschlechte der Wassermotoren. Derselbe wird von Möller & Blum in Berlin geliefert und dient, indem er direkt an die Hauswasserleitung geschraubt wird, zum Betriebe von Nähmaschinen.



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1. Dampfmaschinen, 2. Heißluftmaschinen.

Die hervorragendste Wärmequelle für den Betrieb der Motoren wird gebildet durch die unterirdischen Steinkohlenlager, welche allerdings gegenwärtig noch in gewaltiger Fülle zu unserer Verfügung stehen. Mit unfehlbarer Sicherheit muß aber dermaleinst der Zeitpunkt eintreten, wo diese unterirdischen Schätze verbraucht sind, und wo der Mensch auf neue Mittel und Wege sinnen muß, die für sein Dasein unbedingt erforderliche Wärme sich zu schaffen.

Kraft, Licht und Wärme sind wir gewohnt, in einem Maße aus den Steinkohlenlagern zu beziehen, daß das Versiegen derselben naturgemäß eine tiefeingreifende Wandlung der Verhältnisse des menschlichen Geschlechtes mit sich bringen muß. Unser großer Landsmann William Siemens ließ sich bereits im Jahre 1878 in einem in the Glasgow Science Lecture Association gehaltenen Vortrage: „Über die Nutzbarkeit der Wärme und anderer Naturkräfte“ folgendermaßen aus:

„Der 1871 veröffentlichte Bericht der Kohlenbau-Kommission giebt das damals noch abzubauende Quantum Kohlen in Großbritannien auf ungefähr 150000000000 Tonnen an. Gegenwärtig werden etwa 132000000 Tonnen jährlich verbraucht und zieht man noch die statistisch festgestellte Konsumvermehrung von 3⅓ Millionen Tonnen pro Jahr in Betracht, so würden 250 Jahre genügen, um die Kohlenfelder vollständig zu erschöpfen. Dabei darf man nicht vergessen, daß, lange bevor man die letzte Tonne Kohle zu Tage fördert, die graduelle Abnahme sich sehr fühlbar machen wird. Distrikte, wo die Industrie und demgemäß die Bevölkerung am größten ist, werden den Wechsel am ersten empfinden, und es ist unsere Pflicht, bei Zeiten zu überlegen, ob und welche Ersatzmittel dann zu unserer Verfügung stehen.“ Die Erkenntnis der Wichtigkeit der thunlichst sparsamen Ausnützung der unterirdischen Kohlenschätze beginnt glücklicher Weise immer mehr und mehr Allgemeingut zu werden. Die Frucht dieser Erkenntnis zeigt sich auf dem Gebiete der Motoren in einer weit gehenden Ausnützung des kostbaren Brennstoffes, angestrebt durch möglichste Vervollkommung der Feuerungsanlagen der Dampfkessel und der Konstruktion der Wärmemotoren.

Trotzdem aber nähert sich unsere hauptsächlichste Quelle motorischer Kraft mit Riesenschritten ihrer Erschöpfung. Mit Recht ist daher die erfinderische Thätigkeit seit längerer Zeit der Auffindung eines Ersatzes der Wärme nach dieser Richtung zugewendet. Es ist mit Zuversicht anzunehmen, daß bis zu dem Tage, wo die letzte Tonne Kohle an die Oberfläche der Erde hinaufbefördert werden wird, ein Ersatz der Wärme als motorische Kraft in der Ausnützung anderer Naturkräfte vorliegt, sei es der Ebbe und Flut, der gewaltigen Wasserfälle unserer Ströme, sei es der altbekannten Kraftquelle des Windes.

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Zum Schlusse dieser allgemeinen Vorbemerkung über das Wesen des Dampfes müssen wir noch kurz auf den Zusammenhang zwischen Wärme und mechanischer Arbeit eingehen.

Die Lehre der modernen Physik hinsichtlich des Wesens der mechanischen Arbeit und der Wärme faßt letztere als eine Art der Bewegung auf. Wärme und mechanische Arbeit treten abwechselnd bald als Ursache, bald als Wirkung auf. Man kann daher jede Wärmeerscheinung als ein Produkt mechanischer Arbeit und jede mechanische Arbeit als ein Produkt der Wärme auffassen.

Es ist nun durch Versuche festgestellt worden, daß bei einem Barometerstande von 760 mm eine Arbeit von etwa 424 Kilogrammetern erforderlich ist, um 1 Kalorie hervorzubringen, d. i. diejenige Wärmemenge, welche erforderlich ist, um 1 Kilogramm Wasser von 0° auf 1°C. zu erwärmen. Diesen Arbeitsbetrag von 424 Kilogrammetern nennt man das mechanische Wärmeäquivalent.

Vorstehende, von Joule und Mayer des weiteren ausgesponnene Beobachtung, auf welcher unsere gesamten modernen Anschauungen von dem Wesen der Wärme, die heutige mechanische Wärmetheorie, beruhen, sind wohl selten von einem Fachmanne so treffend zum Ausdruck gebracht, wie von George Stephenson, dem Vater der Lokomotive. Als man ihn frug, worin die letzte Ursache der Bewegung seiner Lokomotiven bestehe, antwortete er: „bottled sun beams,“ „auf Flaschen gezogene Sonnenstrahlen.“ In der That ist hier in wenigen Worten das Prinzip der Wechselbeziehung zwischen Wärme und Kraft in schlagendster Weise zum Ausdruck gebracht. Die uns zur Verfügung stehenden Brennstoffe sind sämtlich ein Produkt der Thätigkeit der Sonne und so konnte Stephenson mit Recht die Steinkohlen, die Kraftquellen seines Dampfrosses, als Sonnenstrahlen bezeichnen, welche im Erdinnern aufgespeichert liegen, bis sie an des Tages Licht gebracht werden, um wieder in Arbeit umgesetzt zu werden.

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Nach den Regeln der Mechanik ist die von einem Motor zu leistende Arbeit gleich dem Produkte von Kraft mal Weg. Welcher Art nun auch diese Kraft sein mag, dieselbe läßt sich stets mit dem Gewichte eines den gleichen Zug und Druck ausübenden Körpers vergleichen; als Einheitsmaß dieses Zuges oder Druckes gilt gegenwärtig allgemein das Kilogramm. Da dieses meist zu sehr großen und unbequemen Zahlen führt, so hat man für die Bestimmung der Stärke von Kraftmaschinen oder Motoren eine größere Einheit, die Pferdekraft oder Pferdestärke, eingeführt, und zwar versteht man unter dieser eine Kraft, welche erforderlich ist, um 1 Kilogramm in einer Sekunde auf eine Höhe von 75 Metern oder 75 Kilogramm in einer Sekunde auf eine Höhe von 1 Meter zu heben. Mit der Kraft des Pferdes gestattet diese Maßeinheit von 75 Kilogrammmetern keinerlei Vergleich. Um einen derartigen, für den Laien sehr nahe liegenden Irrtum zu vermeiden, hat man vorgeschlagen, den Ausdruck „Pferdekraft“ durch „Dampfpferd“ (cheval-vapeur) oder „Dynamisches Pferd“ (cheval dynamique) zu ersetzen; jedoch ohne Erfolg, da erstere Bezeichnung sich durch die lange Reihe der Jahre bereits vollkommen eingebürgert hat. In der Abkürzung bezeichnet man die Pferdestärke meist mit H. P. (Horse Power), so daß also unter einer Dampfmaschine von 45 H. P. eine solche von 45 Pferdekräften zu verstehen ist.

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[Abbildung] Fig. 406. Motorwagen (System Benz & Co.).

In der neuesten Zeit hat ein eigenartiger Motorwagen das Interesse weitester Kreise mit Recht für sich in Anspruch genommen; derselbe ist in Fig. 406 dargestellt und wird von der rheinischen Gasmotoren-Fabrik Benz & Co. in Mannheim fabriziert. Dieser durch einen Motor angetriebene Wagen ruht auf drei Rädern, von denen das vordere als Lenkrad dient. Zwischen den Hinterrädern ist der den Antrieb des Wagens bewirkende Motor angeordnet. Derselbe ist im Gegensatz zu vorstehend beschriebenen Dampfkutschen ein Gasmotor, zu dessen Betriebe alle Petroleumöle, wie Benzin, Naphta u. s. w. im spezifischen Gewicht von 0,70 dienen können. Durch die Verwendung des Gases als Motorkraft ist in einfacher Weise die Belästigung der Passagiere durch Hitze und Rauch vermieden worden; man ist in dieser Richtung insofern noch einen Schritt weiter gegangen, als die Entzündung des Gases in einem geschlossenen Cylinder durch den elektrischen Funken erfolgt. Die Übertragung der Bewegung der Triebwelle des Motors auf die hinteren Räder des Wagens erfolgt durch eine Gliederkette.

Die Handhabung des Fuhrwerks geschieht in folgender Weise:
Zunächst wird der Motor durch Drehung einer Handkurbel in Thätigkeit gesetzt; nachdem die Passagiere Platz genommen, wird derselbe durch einen bequem zu handhabenden Hebel eingerückt, und das Fahrzeug setzt sich in Bewegung, wobei die Geschwindigkeit durch Verstellen des oben erwähnten Hebels den Umständen nach reguliert werden kann. Die erreichbare Leistung beträgt 16 Kilometer und mehr in der Stunde. Während der Fahrt erzeugt der Motor selbstständig das erforderliche Gas. Die Handhabung ist eine sehr leichte und sichere; besonders ins Gewicht fällt die sofortige Betriebsbereitschaft.

Zur Überwindung von Steigungen ist ein besonderer Bergsteige-Apparat vorgesehen worden, welcher während der Fahrt beliebig ein- und ausgeschaltet werden kann.

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