Forum Philosophicum Vol. 1, 3. (1931)
INTERNATIONAL PHILOSOPHIC SOCIETY, NEW YORK - LEIPZIG

Die Welt, ein Anthropologismus

Von M. T. SELESKOVIC (Berlin)

Welt nennt der Mensch die Form, unter der er, - im Gegensatz zu allen anderen ihm bekannten Wesen -, das Absolute erkennt, d. h. das, was er als von der Erkenntnis unabhängig bestehend voraussetzen muß.

Welt nennt der Mensch also eine ausschließlich menschliche Erkenntnis des Absoluten. Das aber heißt, daß unabhängig vom Menschen auch das nicht bestehen kann, was er die Welt nennt. Das, was der Mensch die Welt nennt, ist mithin nur ein Anthropologismus.

Zu dieser Erkenntnis gelangt der Mensch auf Grund der Erkenntnis seiner Erkenntnis.

I
Die menschliche Erkenntnis

1. Die Erkenntnis und die Erkenntnis der Erkenntnis

Zur Erkenntnis seiner Erkenntnis kann der Mensch nur dadurch gelangen, daß er sie zerghedert. Darum sagt er auch, daß die Erkenntnis der Erkenntnis analytisch ist.

Da der Mensch aber seine Erkenntnis zu zergliedern vermag, so heißt das, daß sie zusammengesetzt ist. Deshalb sagt er auch, daß die Erkenntnis synthetisch ist.

Die menschliche Erkenntnis ist mithin synthetisch und analytisch.

2. Die Erkenntnis der Erkenntnis und die Erkenntnis des Subjekts und des Objekts

Zergliedert der Mensch seine Erkenntnis, so erkennt er, daß sie weder mit ihm noch mit dem identisch ist, was er erkennt. Er erkennt, mit anderen Worten, daß ihm das, was er erkennt, gegenübergestellt ist, da es sonst entweder mit ihm oder mit seiner Erkenntnis identisch sein müßte, und er mithin nicht behaupten könnte, daß es weder mit ihm, noch mit seiner Erkenntnis identisch ist.

Da der Mensch erkennt, daß er erkennt, daß er aber mit seiner Erkenntnis nicht identisch ist, so nennt er sich, im Gegensatz zur Erkenntnis, Unterlage der Erkenntnis oder, mit dem Fremdwort, Sub-jekt. Und da er erkennt, daß ihm das, was er erkennt, gegenübergestellt ist, so nennt er das von ihm Erkannte, im Gegensatz zum Subjekt, das diesem Gegenübergestellte oder, mit dem Fremdwort, Ob-jekt.

Nur darum also, weil der Mensch seine Erkenntnis zu zergliedern vermag, kann er zur Erkenntnis seiner Erkenntnis und damit zu der des Subjekts und Objekts gelangen.

3. Die Erkenntnis des Subjekts und des Objekts und die Erkenntnis des Raums und der Zeit

Da das Subjekt und das Objekt einander gegenübergestellt sind, so heißt das, daß sie beide räumlich sind. Denn das, was nicht räumlich ist, kann offenbar überhaupt nicht gestellt und mithin auch nichts gegenübergestellt werden. Die Beziehung der Gegenüberstellung ist demnach nur zwischen dem möglich, was räumlich ,ist. Deshalb nennt der Mensch auch diese Beziehung Raum, im Gegensatz zu dem, was räumlich ist, und was er nicht Raum, sondern Subjekt und Objekt nennt. Raum nennt der Mensch mithin die Beziehung zwischen dem Subjekt und dem Objekt, wenn beide einander nur gegenübergestellt sind, und das heißt, wenn sie sich einander gegenüber im Zustand der Ruhe befinden.

Das Subjekt und Objekt befinden sich aber einander gegenüber nicht immer nur im Zustand der Ruhe, sondern auch in dem der Bewegung. Ihre Beziehung nennt der Mensch in diesem Falle nicht mehr Raum, sondern Zeit. Zeit nennt er mithin die Synthese der Gegenüberstellung, und das heißt des Raumes und der Bewegung. Wenn der Mensch z. B. vom dritten Juli spricht, so bezeichnet er mit diesem Begriff nichts anderes, als eine bestimmte Lage, die er, bzw. die Erde, in ihrer Drehung um die Sonne durchläuft.

Sowohl mit dem Begriff des Raums also, als auch mit dem der Zeit, bezeichnet der Mensch eine Beziehung zwischen dem Räumlichen, zwischen dem also, was er Subjekt und Objekt nennt. Unabhängig vom Subjekt und Objekt kann demnach weder der Raum noch die Zeit bestehen. Da der Mensch aber Zeit die Synthese von Raum und Bewegung nennt, so heißt das, daß wohl der Raum unabhängig von der Zeit, nicht aber die Zeit unabhängig vom Raum bestehen kann. Der vielzitierte Satz MINKOWSKIS von der Einheit des Raums und der Zeit gilt mithin insofern zu Recht, als der Begriff der Zeit denjenigen des Raums in sich enthält. Und das heißt, daß der Satz insofern nicht gelten kann, als er voraussetzt, daß der Begriff des Raums etwas bezeichnet, was nicht in dem der Zeit schon enthalten wäre.

4. Die Erkenntnis der Erkenntnis und das Symbol

Die Erkenntnis selbst ist jedoch nicht räumlich, da sie weder mit dem Subjekt, noch mit dem Objekt identisch ist.

Deshalb kann sie sich der Mensch auch nicht gegenüberstellen und mithin auch nicht unmittelbar zum Objekt seiner Erkenntnis machen. Sich gegenüberstellen kann er aber das, was räumlich ist, und womit er seine Erkenntnis bezeichnet, weshalb er dieses Räumliche auch Zeichen oder, mit dem Fremdwort, Symbol nennt.

Nur darum also, weil der Mensch imstande ist, seine Erkenntnis zu symbolisieren, ist er imstande, sie zu seinem Objekt zu machen und sie mithin zu erkennen.

5. Die menschliche Erkenntnis

Wäre also der Mensch nicht imstande, seine Erkenntnis zu symbolisieren, so wäre er auch nicht imstande, sie zum Objekt seiner Erkenntnis zu machen, und mithin auch nicht, sie zu erkennen. Könnte er aber nicht zur Erkenntnis seiner Erkenntnis gelangen, so könnte er auch nicht zur Erkenntnis des Subjekts und des Objekts und mithin auch nicht zu derjenigen des Raumes und der Zeit gelangen.

Zur Erkenntnis des Subjekts, des Objekts, des Raums und der Zeit kann darum nur das Wesen gelangen, das seine Erkenntnis zu symbolisieren imstande ist. Seine Erkenntnis zu symbolisieren, ist aber nur ein einziges Wesen imstande, das der Mensch kennt, nämlich: er selbst.

Die Erkenntnis der Erkenntnis und demnach die Erkenntnis des Subjekts, des Objekts, des Raumes und der Zeit ist also eine Erkenntnis, die dem Menschen spezifisch ist und zu der darum kein anderes ihm bekanntes Wesen zu gelangen vermag.

II
Die Welt

1. Subjekt, Objekt und Welt

Da der Mensch aber nicht nur ein Objekt, sondern eine Vielheit von Objekten erkennt, so erkennt er damit zugleich, daß das Objekt nicht nur dem Subjekt, sondern auch den übrigen Objekten gegenübergestellt ist. Denn wenn jedes Objekt dem Subjekt gegenübergestellt ist, so sind sie alle einander gegenübergestellt.

Wenn aber alle Objekte sowohl dem Subjekt als auch einander gegenübergestellt sind, so heißt das, daß sie dem Subjekt von verschiedenen Seiten aus gegenübergestellt sind, und daß sich das Subjekt mithin ihnen gegenüber in einem Beziehungsmittelpunkt befindet.

Die Vielheit der Objekte, die der Mensch erkennt, stellt für ihn also nicht nur eine durch nichts bestimmte Summe, sondern ein durch einen Beziehungsmittelpunkt bestimmbares Zusammengesetztes oder, wie das Fremdwort dafür lautet, ein System dar. Dieses System nennt der Mensch Welt oder, mit dem Fremdwort, Kosmos; wogegen er das, was er nicht als ein System zu erkennen vermag, als das Chaos bezeichnet. Dadurch also, daß der Mensch zur Erkenntnis des Subjekts und Objekts gelangt, gelangt er sowohl zur Erkenntnis des Raumes und der Zeit, als auch zu der der Welt.

2. Raum, Zeit und Welt

Da nun der Mensch Raum und Zeit die Beziehungen des Räumlichen nennt, und da andererseits die Beziehungen des Räumlichen stets verschieden sind, so heißt das, daß es -viele verschiedene Räume und Zeiten gibt, und daß es mithin nicht nur einen Raum und nur eine Zeit geben kann. Da nämlich eine Beziehung offenbar in keiner Beziehung zu einer anderen Beziehung stehen kann, so heißt das, daß auch die verschiedenen Räume und Zeiten in keiner Beziehung zu anderen Räumen und Zeiten stehen und mithin auch kein entsprechendes Ganzes bilden können. Die Räume und Zeiten bestehen, mit anderen Worten, unabhängig von einander.

In Beziehung können nicht die Beziehungen, sondern nur die Symbole der Beziehungen gestellt werden, also wieder nur das, was räumlich ist. Daß es einen einzigen Raum und eine einzige Zeit gibt, kann darum nur derjenige behaupten, der zwischen den Beziehungen des Räumlichen und den Symbolen dieser Beziehungen keinen Unterschied macht, also nur derjenige, der die Begriffe des Raumes und der Zeit mit demjenigen des Räumlichen verwechselt.

Da der Mensch andererseits Welt die Vielheit der Objekte nennt, die er erkennt, und das heißt, die einem Subjekt als Beziehungsmittelpunkt gegenübergestellt sind; da aber einem Subjekt auch die übrigen Subjekte und demnach auch die diesen gegenüber gestellten Objekte gegenübergestellt sind, so heißt das, daß es nicht viele Welten, sondern nur eine einzige Welt geben kann, soviel oder sowenig Objekte der Mensch auch erkennt, und soviel oder sowenig Subjekte es auch gibt die erkennen. Die Welt ist, anders ausgedrückt, homogen im Gegensatz zu den Räumen und den Zeiten, die heterogen sind. Es befindet sich demnach nicht die Welt im Raum und der Zeit, sondern die Räume und die Zeiten befinden sich in der Welt. Deshalb bezeichnet der Mensch auch die Welt, im Gegensatz zu den Räumen und den Zeiten, als das sich bewegende Eine oder, mit dem Fremdwort, als das Universum.

3. Das Absolute und die Welt

Da der Mensch also eine Vielheit von Objekten erkennt, die er Welt nennt; da er andererseits Objekt das nennt, was von einem Subjekt erkannt wird, und Subjekt den, der ein Objekt bzw. eine Vielheit von Objekten erkennt, so heißt das, daß ein Subjekt und ein Objekt, und mithin auch der Mensch und die Welt, weder unabhängig von der Erkenntnis, noch voneinander bestehen können.

Der Mensch muß mithin voraussetzen, daß unabhängig von der Erkenntnis etwas besteht, das weder ein Subjekt, noch ein Objekt ist. Denn er kann nicht voraussetzen, daß unabhängig von der Erkenntnis nichts bestehe. Bestünde nämlich unabhängig von der Erkenntnis nichts, so könnte offenbar auch, nichts erkannt werden, und das heißt, daß eben auch keine Erkenntnis bestehen könnte. Der Mensch kann aber nicht daran zweifeln, daß die Erkenntnis besteht. Denn bestünde keine Erkenntnis, so könnte eben auch kein Zweifel an der Erkenntnis bestehen Da der Mensch also nicht daran zweifeln kann, daß die Erkenntnis besteht, so kann er auch nicht daran zweifeln, daß unabhängig von der Erkenntnis etwas besteht, auf Grund dessen erst die Erkenntnis möglich ist, und das er darum als das von der Erkenntnis Losgelöste oder, mit dem Fremdwort als das Ab-solute bezeichnet.

Da also die Erkenntnis nur auf Grund eines von ihr unabhängig bestehenden etwas möglich ist, das der Mensch das Absolute nennt, so heißt das, daß jegliche Erkenntnis, mithin auch die der Welt, eine Erkenntnis des Absoluten ist. Da aber die Welt weder der Erkenntnis, noch vom Menschen bestehen kann, und der Mensch sie deshalb auch nicht absolut, sondern auf den Menschen bezogen oder, mit dem Fremdwort, relativ nennt, so heißt das, daß die Welt nur eine Erkenntnis des auf den Menschen bezogenen oder relativierten Absoluten ist. Die Begriffe des Absoluten und des Relativen, des von der Erkenntnis unabhängig Bestehenden und des auf den Menschen Bezogenen, schließen sich mithin nicht nur nicht gegenseitig aus, sondern bedingen sich im Gegenteil.

4. Die Vorstellung und die Welt

Könnte der Mensch also nicht zur Erkenntnis des Subjekts und Objekts gelangen, so könnte er auch nicht zu derjenigen der Welt gelangen. Seine Erkenntnis bestünde mithin nur in Vorstellungen, da der Mensch Vorstellung die Erkenntnis nennt, die nicht in die Erkenntnis eines Subjekts und Objekts zergliedert ist. Derjenige, der das Gegenteil behauptet, und von einem vorstellenden Subjekt und vorgestellten Objekt redet, verwechselt seine Vorstellung mit seiner Erkenntnis der Vorstellung.

Könnte der Mensch also nicht zur Erkenntnis des Subjekts und Objekts gelangen, so könnte er das Absolute nicht in der Form der Welt, sondern nur in der der Vorstellung erkennen.

Die Vorstellung und die Welt sind demnach zwei Erkenntnisformen des Absoluten, die sich gegenseitig ausschließen. Darum ist die Behauptung, daß die Welt eine Vorstellung sei, oder daß verschiedene Vorstellungen verschiedene Welten bilden, nur ein Widerspruch.

5. Die menschliche Erkenntnis und die Welt

Da der Mensch aber zur Erkenntnis der Welt nur auf Grund der Erkenntnis des Subjekts und Objekts zu gelangen vermag, zur Erkenntnis des Subjekts und Objekts hingegen, wie bereits dar gelegt wurde, nur auf Grund einer Erkenntnis, die noch nicht in die Erkenntnis des Subjekts und Objekts zergliedert ist, und die er Vorstellung nennt, so heißt das, daß die Erkenntnis des Absoluten, die der Mensch Vorstellung nennt, derjenigen untergeordnet ist, die er Welt nennt, und daß darum die Vorstellung eine niederere die Welt eine höhere Erkenntnis des Absoluten darstellet

Da nun, im Gegensatz zu allen übrigen ihm bekannten Wesen, der Mensch allein zur Erkenntnis der Welt gelangen kann, so heißt das, daß er das Absolute mehr als die übrigen ihm bekannten Wesen zu erkennen vermag. Da er aber dadurch, daß er das Absolute erkennt, nur zur Erkenntnis der Welt gelangt, da andererseits die Welt nicht unabhängig von der Erkenntnis, sondern nur auf den Menschen bezogen besteht, so heißt das, daß der Mensch das Absolute, so wie es an sich besteht, nicht zu erkennen imstande ist.

Er muß mithin die Welt als eine Erkenntnis des Absoluten auffassen, zu der nur er gelangen kann, die er aber nicht zu überschreiten vermag. Die Welt ist also eine rein menschliche Erkenntnis des Absoluten: sie ist ein Anthropologismus

III
Der kritische Realismus

1. Die Transzendenz des Absoluten

Dadurch also, daß der Mensch die Welt erkennt, löst er in keiner Weise das Geheimnis des an sich bestehenden Absoluten. Dieses ist demnach für ihn ebenso unbegreiflich, wie die Welt unbegreiflich für die Wesen ist, deren Erkenntnis nur in Vorstellungen besteht, obgleich diese Wesen sich, nach der Erkenntnis des Menschen, genau so in der Welt befinden, wie er selbst. Das Absolute an sich ist, mit anderen Worte, für den Menschen das, was er ein Wunder nennt.
(Vgl. "Annalen der Philosophie", 1929, Vol. VIII, Heft 7/8.)

Deshalb sagt er auch, daß es seine Erkenntnis übersteige, und nennt es dementsprechend, und im Gegensatz zum relativierten Absoluten oder, was dasselbe ist, zum Relativen schlechtweg, transcendent. Nicht also die Begriffe des Relativen und des Absoluten, sondern die des Relativen und des Transzendenten sind konträr und schließen sich gegenseitig aus.

Da das Absolute aber in verschiedenen Stufen erkannt werden kann, nämlich sowohl in der Form der Vorstellung, als auch in der der Welt, so muß der Mensch schließen, daß auch das Absolute an sich erkannt werden kann. Da er jedoch an sich das nennt, was nicht auf etwas anderes bezogen ist, so muß er schließen, daß das Absolute an sich nur durch sich selbst erkannt werden kann.

2. Die Möglichkeit übermenschlicher Wesen

Ob es aber Wesen gibt, die das Absolute mehr erkennen, als der Mensch, wie es Wesen gibt, die es weniger erkennen, als er, kann der Mensch weder behaupten noch leugnen.

Er kann es nicht behaupten, weil er auf das Bestehen der ihm übergeordneten Wesen nur auf Grund einer Analogie zum Bestehen der ihm untergeordneten Wesen schließen kann. Er kann es nicht leugnen, weil er, wenn solche ihm übergeordnete Wesen bestehen, nicht imstande wäre, sie zu erkennen, aus dem gleichen Grunde, aus dem die Wesen, deren Erkenntnis nur in Vorstellungen besteht, nicht imstande sind, ihn zu erkennen. Wie er diese Wesen nämlich als Subjekte erkennt, so erkennen sie ihn nu r als Vorstellung.

Wenn der Mensch also auf Grund einer Analogie zum Bestehen der ihm untergeordneten Wesen auf das Bestehen ihm übergeordneter Wesen schließt, so muß er auf Grund derselben Analogie schließen, daß er diese Wesen nicht zu erkennen vermag, und daß mithin die Frage nach ihrer Erkenntnis für ihn abgeschlossen ist, noch ehe sie gestellt wurde. Er kann mithin nur die Möglichkeit des Bestehens ihm übergeordneter Wesen zugeben.

3. Die Wirklichkeit der Welt

Im Gegensatz zu den ihm untergeordneten Wesen kann der Mensch also nur seine Vorstellungen in eine Erkenntnis des Subjekts und Objekts zergliedern. Was, mit anderen Worten, für jene Wesen eine Vorstellung, das heißt etwas Unräumliches ist, das vermag der Mensch als Subjekt und Objekt, das heißt als etwas Räumliches, zu erkennen. Weiter geht seine Erkenntnis nicht. Denn sobald er seine Erkenntnis des Subjekts und Objekts weiter zurückzuführen sucht, kehrt er wieder zur Vorstellung zurück, nämlich zu der eines von der Erkenntnis unabhängig bestehenden Etwas, das er dementsprechend das Absolute nennt.

Das Subjekt und Objekt sind mithin die letzten Elemente, die der Mensch zu erkennen vermag. Deshalb nennt er sie auch wirklich oder, mit dem Fremdwort, real, im Gegensatz zur Vorstellung die er unwirklich nennt, weil er sie in eine Erkenninis des Subjekts und Objekts zergliedern kann. Und da er das Subjekt und Objekt wirklich nennt, so muß er wirklich auch die Vielheit der Objekte nennen die er erkennt, und die er als Welt bezeichnet.

Da der Mensch also das Subjekt und Objekt, im Gegensatz zur Vorstellung, wirklich nennt, und da, im Gegensatz zur Vorstellung, das Subjekt und Objekt räumlich sind, so heißt das, daß der Begriff des Wirklichen identisch ist mit dem des Räumlichen. Es ist darum nur ein Mißbrauch des Wortes, wenn der Mensch die Erkenntnis oder das von ihr unabhängig bestehende Absolute wirklich nennt. Denn wie er die Erkenntnis nur als etwas Unräumliches erkennen kann, so kann er das Absolute nur als etwas Relatives erkennen. Da er das Absolute also nicht als Absolutes erkennen, ebensowenig aber an seinem Bestehen zweifeln kann, so nennt er es transzendent. Die Begriffe des Wirklichen, Unräumlichen und Tranzsendenten schließen sich mithin gegenseitig aus. Wie das Räumliche weder unräumlich, noch transzendent ist, so sind die Erkenntnis und das Absolute nicht wirklich.

4. Das Räumliche

Da der Mensch das Räumliche nur als Subjekt und Objekt zu erkennen vermag; da er andererseits nicht voraussetzen kann, daß das Subjekt und Objekt unabhängig von der Erkenntnis bestehen, vielmehr voraussetzen muß, daß unabhängig von der Erkenntnis etwas besteht, das weder ein Subjekt, noch ein Objekt ist, so muß er schließen, daß unabhängig von der Erkenntnis auch das Räumliche nicht besteht.

Da aber, im Gegensatz zu allen ihm bekannten Wesen, der Mensch allein zur Erkenntnis des Subjekts und Objekts zu gelangen vermag, so muß er schließen, daß das Räumliche von der menschlichen Erkenntnis geformt wird.

Daß das Räumliche oder, wie das entsprechende Fremdwort lautet, daß die Materie nicht unabhängig von der Erkenntnis besteht, wird auch empirisch, nämlich durch den Immaterialismus der heutigen Physik bestätigt. Daß es aber ein Werk der menschlichen Erkenntnis ist, wird hier zuerst festgestellt, zuerst, obgleich dieser Gedanke wohl schon in der Behauptung KANTS von der Apriorität des Raums und der Zeit gekeimt hat.

5. Der kritische Realismus

Da jegliche Erkenntnis eine Erkenntnis des Absoluten ist, da aber die letzten Elemente, die der Mensch zu erkennen imstande ist, das Subjekt und Objekt sind, so heißt das, daß die menschliche Erkenntnis nur dann einen Anspruch darauf machen kann, eine Erkenntnis und nicht nur ein Irrtum zu sein, wenn sie einerseits erkennt, daß die Erkenntnis des Subjekts und Objekts eine Erkenntnis des Absoluten ist, und wenn sie andererseits nicht vorgibt, das Absolute über das Subjekt und Objekt hinaus erkennen zu können.

Behauptet nämlich ein Mensch, das Absolute über das Subjekt und Objekt hinaus erkannt zu haben, so kann er dies nur darum tun, weil er nicht erkennt, daß diese seine vorgebliche Erkenntnis nur eine Vorstellung ist, die er sich vom Absoluten, also wieder von einer Vorstellung, zurechtgemacht hat, und die darum doppelt unwirklich ist. Er erkennt, mit anderen Worten, nicht, daß er das Absolute mit seiner Vorstellung des Absoluten verwechselt. Eine solche Vorstellung kann demnach höchstens den Wert einer Arbeitshypothese haben, da der Mensch eben zur Erkenntnis des Subjekts und Objekts, also des Wirklichen, nur durch die Zergliederung seiner Vorstellung, also des Unwirklichen, zu gelangen vermag.

Da mithin eine Kritik der menschlichen Erkenntnis zeigt, daß das Subjekt und Objekt die letzten Elemente sind, die der Mensch erkennen kann, da er andererseits das Subjekt und Objekt wirklich oder real nennt, so bezeichnet sich die also gewonnene Erkenntnis der menschlichen Erkenntnis mit dem Namen des kritischen Realismus. Sie ist die einzige, die durch die Erfahrung des menschlichen Geschlechts nicht Lügen gestraft wurde, noch werden kann, da sie, im Gegensatz zu allen anderen Erkenntnissen der menschlichen Erkenntnis, nicht nur ein Glaube, sondern ein Wissen um das menschliche Wissen ist.

Erstellt am 22.05.2005 - Letzte Änderung am 22.05.2005.


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