Die erste Seite eines Artikels aus dem Jahre 1927:

DIE ENTWICKLUNG

DES DEUTSCHEN RUNDFUNKSENDERNETZES

VON HERMANN THURN

HERMANN THURN, Oberpostrat
Der Aufbau des Sendernetzes in Deutschland begann im Oktober 1923, zu einer Zeit schwerster wirtschaftlicher Not und größter politischer Bedrängnis. Die Ungewißheit der Hörer beteiligung, die durch die Wirtschaftskrise in Deutschland zu jener Zeit erklärlich war, ließ zunächst den Gedanken auf kommen, nur einen einzigen Zentralsender zu errichten, der Deutschland mit Rundfunk versehen und in der Nähe von Berlin stehend, dieser am dichtesten bevölkerten Großstadt den Empfang mit billigem Detektorgerät ermöglichen sollte. Alle übrigen Teilnehrner wären also von Anfang an auf Empfang mit Röhrengerät angewiesen gewesen. Die Deutsche Reichspost sah jedoch von diesem ursprünglichen Plan aus wirtschaftlichen und kulturellen Erwägungen ab. Man schuf mehrere kleinere Bezirkssender, um einigen weiteren Großstädten den Detektorempfang zu ermöglichen und das anfangs noch unvollkommene, dazu teurere Röhrengerät der großen Menge nicht aufzwingen zu müssen. Im übrigen hatte man die wohl nicht unberechtigten Bedenken, daß die Eigenart vieler Landesteile in den Anschauungen über Kunst und Kultur, die der Rundfunk im Volk zu verbreiten bestimmt ist, sich stark gegen den Gedanken wehren würde, nur Darbietungen aus Berlin zu beziehen.

Nach den ersten überraschend günstigen Erfahrungen mit der Beteiligung am Rundfunk wurden nach und nach natürlich im Einverständnis mit den Rundfunkgesellschaften - insgesamt neun Hauptsender und damit neun Sendebezirke geschaffen, deren normale Reichweitenkreise bei Benutzung von Röhrengerät sich gegenseitig berühren oder überlappen und nur wenig Zwischengebiete freilassen, so daß etwa neun Zehntel des deutschen Reichsgebietes in dem Empfangsbereich eines Bezirkssenders lagen (Abb. 1). Leider gab es aus ungeklärten Gründen tote Gebiete, die nur schwachen oder keinen Empfang aufwiesen, auch in verschiedenen innerhalb des Bezirks gelegenen größeren Orten war der Empfano, vielfach nur sehr schwach, so daß auch dort der Wunsch auftrat, einen eigenen Sender zu besitzen. Man konnte in der ersten Zeit durch Errichtung von Zwischensendern, die in der Hauptsache das gleiche Programm wie der Hauptsender verbreiteten, helfend eingreifen. Diese Zwischensender arbeiten mit einer beschränkten Senderenergie auf sog. Gemeinschaftswellen (commun-waves), die von der Union de Radiophonie (Weltrundfunkverein) in Genf mehreren Sendern in Europa zugeteilt sind. Die Mehrkosten für die Errichtung und den Betrieb solcher Zwischensender sind jedoch so hoch, der Neuzugang von Rundfunkteilnehmern vielfach so gering, daß kaum die Selbstkosten gedeckt werden; eine weitere Vermehrung dieser Zwischensender ist daher im allgemeinen schon finanziell nicht möglich. Auch technische Gründe sprechen gegen Vermehrung, insbesondere spricht die Wellenfrage und die Unmöglichkeit der Bereitstellung geeigneter Übertragungsleitungen wesentlich mit. Es ist nämlich zu berücksichtigen, daß die Weitverkehrsleitungen des deutschen Fernsprechnetzes in erster Linie für eine befriedigende Sprachübertragung gebaut worden sind, jedoch nicht für die (höhere Ansprüche stellende) Musikübertragung. Da für die Musikübertragung, die ja ...
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Erstellt am 29.11.2003 - Letzte Änderung am 29.11.2003 .
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