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„Ein deutscher Erfinder vor zweieinhalb Jahrhunderten. ” [Das Perpetuum mobile des Athanasius Kircher von 1619.] Von Dr. von Bilguer.

Aus der „Naturwissenschaftliche Wochenschrift„, Organ der Deutschen Gesellschaft für Volkstümliche Naturkunde in Berlin, begründet von H. Potoniß, herausgegeben von Prof. Dr H. MIEHE in Berlin, Neue Folge. 18. Band, (der ganzen Reihe 34. Band), JANUAR — DEZEMBER 1919, JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1919.

In diesem Jahre würden wir ein eigentümliches Jubiläum begehen können: im Oktober werden gerade zweieinhalb Jahrhunderte vergangen sein, seit einer unserer merkwürdigsten, interessantesten, weil vielseitig gelehrtesten Landsleute im fernen Rom, Athanasius Kircher nach allen Regeln der damaligen Wissenschaft und Kunst seine „Sphaera Magnetica Archimedaea” erfand, die nichts Geringeres darstellen sollte als ein Perpetuum mobile.

Athanasius Kircher, dieser Mann von bewunderungswürdiger rastloser Tätigkeit und unermüdlicher Willenskraft während seines, langen tatenreichen Lebens — er wurde 78 ^3 Jahre alt

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— erfand auch die Laterna magica und kann daher gewissermaßen als Urvater unserer heutigen — Kinos angesehen werden.

Kircher hatte, bevor er sich seinen SpezialStudien und Erfindungen widmete, bereits ein sehr bewegtes Leben hinter sich. Am 2. Mai 1602 in Geisa (Sachsen-Weimar) als Sohn eines Dr. phil. und Professors bei den Benediktinern in Seligenstadt und späteren fürstabtlich fuldaischen Rats und Amtmanns von Haselstein geboren, besuchte der junge K i r c h e r zunächst die niederen Schulen Fuldas und trat dann sechszehnjährig in die Gesellschaft Jesu, in Paderborn, ein. Von dort mußte er vor dem „tollen Bischof” von Halberstadt, Christian von Braunschweig fliehen, kam nach Speyer, dann nach Münster, Cöln, Coblenz und Mainz und endlich 1630 nach Würzburg, wo wir ihn als Professor der Mathematik, Moraltheologie, des Hebräischen und Syrischen wiederfinden. Im folgenden Jahre mußte Kircher wieder flüchten, diesmal vor den Truppen Gustav Adolfs. Er ging bis Avignon. In Aix lernte ihn der gelehrte französische Senator Peres que (bei Kircher Perescius) kennen, der mit ihm hauptsächlich hieroglyphische Studien trieb und in seinem Eifer zu verhindern wußte, daß Kircher eine ehrenvolle Berufung nach Wien als „Mathematiker des Kaisers” annahm. Nach Rom ging Kircher 1634, nachdem er unterwegs allerlei Abenteuer, Schiftbruch und anderes erlebt hatte. Zunächst wurde er Beichtvater des damals sechszehnjährigen Landgrafen Friedrich von Hessen - Darmstadt , des späteren Großpriors des Malteserordens, Befehlshabers der Ordensflotte und Oberbefehlshabers der spanischen Flotte, der 1659 Kardinal und 1673 Fürstbischof von Breslau wurde. Mit diesem ging Kircher nach Malta und machte dann naturwissenschaftliche Studien auf der Insel Sizilien. Nach Rom, zu dauerndem Aufenthalt, kehrte er 1638 zurück.. Hier fand er einen wirksamen Förderer in seinem Ordensgeneral P. Vincenz Caraffa und erfreute sich bald allgemeiner Wertschätzung und Bewunderung. Papst Urban VIII. Barberini bis zu seinem eigenen Tode (1644) und sodann dessen Nachfolger Innocenz X. Pamphili (1644 — 55), sowie nicht weniger Alexander VII., Clemens IX. und Clemens X. (Kircher lebte unter nicht weniger als zehn Päpsten) interessierten sich in besonderer Weise für die Studien, Werke und Erfindungen des deutschen Paters, der im Freunde so vieler in Rom weilender Deutscher, Künstler und Gelehrter, dem Kardinal Franz Barberini einen eifrigen Förderer gefunden hatte. Außerdem erhielt Kircher unausgesetzte finanzielle Zuwendungen und Unterstützungen vom Kaiser Ferdinand III. (der nach dem Ableben Innocenz X. fast alle Kircherischen Unkosten trug und außerdem noch eine jährliche Rente von 100 päpstl. Scudi ausgesetzt hatte), vom Kaiser Leopold, vom Herzog von Braunschweig - Lüneburg, vom Kurfürsten von Bayern, vom Grafen Joh. Fr. von Waldstein, Erzbischof von Prag, ferner vom Vizekönig von Neapel D. Pedro d'Aragon und anderen. Es hat auch wohl kaum einen vielseitigeren Gelehrten als Kircher gegeben.1) Denn ganz abgesehen von seiner allgemeinen Tätigkeit als Seelsorger und auf dem Lehrstuhl der gregorianischen Universität (Collegium Romanum) beschäftigte dieser Priester, der vierundzwanzig Sprachen sprach und schrieb und dadurch sogar den König Mithridates von Pontus in den Schatten stellte, sich eingehend mit 17 verschiedenen Materien , nämlich mit allgemeiner Naturwissenschaft, Magnetismus, Optik, Gnomonik (Sonnenuhren betreffend), Akustik, Musik, Astronomie, Medizin, Philosophie, Philologie, Theologie, Pasigraphie (Weltschrift), Archäologie, Geschichte, Geographie und endlich „Prestidigitation” und „Magie”. Kircher hat uns seine Forschungsund Studienergebnisse in mehr als 30 verschiedenen Werken hinterlassen, die größtenteils in Rom erschienen. Wir nennen hier die hauptsächlichsten • (in chronologischer Reihenfolge): Magnesia sive conclusiones experimentales de effectibus magnetis (Würzburg 1630), Praelusiones magneticae, Primitiae gnomonicae catoptrica sive horologiagraphia reflexa (Avignon 1634), Prodromus Coptus (Rom 1636), Specula Melitensis Encyclica, syntagma novum instrumentorum physico-mathematicorum (Messina 1638), Lingua aegyptica restituta (Rom 1643), Ars magna lucis et umbrae (Rom 1646, Amsterdam 1671), Obeliscus Pamphilius (Rom 1650), Ars magnetica (Rom und Cöln 1654), Iter extaticum terrestre sive geocosmi opificium (Rom 1654), Iter extaticum coelesta sive mundi opificium (Rom und Nürnberg 1656), Scrutinium Physico-medicum (Rom und Leipzig 1658), Arithmologia (Rom 1665); außerdem: Oedipus Aegyptiacus, Mundus subterraneus, China illustrata, Historia Eustachio Mariana, Latium, idest nova et paralella Latii tum veteris, tum novi descriptio, Mehrere dieser, zum Teil sehr luxuriös ausgegestatteten, Werke sind Kirchers Gönnern gewidmet wie z. B. seine 1663 in Rom erschienene Polygraphia nova et universalis dem Kaiser Leopold I.

1) So ist er z. B. auch wohl der erste, der in einem von ihm selbst verbesserten Mikroskop Bakterien sah. Er brachte auch schon diese kleinsten „Würmchen”, die nach ihm faulende Stoffe durchwimmeln, mit der Pest in Beziehung. (Red.)

Dem Zug der damaligen Zeiten folgend und durch die reichlichen Geldmittel seiner Freunde und Bewunderer dazu in den Stand gesetzt, gab Kircher sich bald auch seiner kostspieligen Lieblingsbeschäftigung hin, nämlich dem Erfinden. Er hinterließ uns eine ganze Reihe höchst geistreicher und genialer Erfindungen auf den verschiedensten Gebieten; die hauptsächlichsten, die noch heute im Collegio Romano aufbewahrt werden, waren: ein Arithmo- und ein Pantometer, eine mathematische Orgel und die Laterna magica.

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Es lag nun eigentlich auf der Hand, daß in damaliger Zeit ein derartig erfinderisch angelegter Kopf sich auch Versuchen zur Herstellung eines Perpetuum mobile hingeben werde. Und nach langen Studien und Versuchen kam ein solches auch wirklich 1668 zustande.

Das Bestreben ein „Ding, welches sich immer bewegt” zu konstruieren ist so alt wie die Erfindungen selbst, es stellt die allerdings unerreichbare Krone derselben dar. Die hervorragendsten Köpfe aller Zeiten und aller Kulturvölker haben sich abgemüht, eine Vorrichtung oder Maschine zu erfinden, die ihren eigenen Motor darstellt, d. h. ihre Arbeit tut ohne eine irgendwie geartete Abnutzung. Aber alle diese, mitunter sehr geistreichen und genialen Erfinder hatten mindestens undeutliche Begriffe und Vorstellungen vom Wesen der Kraft und Materie. Denn jede Maschine ist ein Umformer. Sie kann nur das wiedergeben, was sie empfangen hat, nach dem Abnehmen desjenigen, was sie zu ihrem eigenen Funktionieren nötig hatte (passiver Widerstand). Den Erfindern war also das Prinzip der Erhaltung der Energie unbekannt, daß nämlich keine Energie ohne Aufwand einer gleichen Menge derselben erzeugt werden kann. Es folgt ja daraus, daß eine Maschine sich niemals in unbegrenzter Weise weiter bewegen kann (selbst wenn sie keine eigentliche Arbeit zu leisten hat) ohne daß ihr durch eine von ihr unabhängigen Quelle Kraft zugeführt wird. Ein scheinbares Perpetuum mobile ist der Barometer, Thermometer und dergleichen, die tatsächlich in „fortwährender Bewegung” sind; indessen werden diese nicht durch sich selbst, sondern durch den Luftdruck oder andere Kräfte in Bewegung gesetzt.

Auch Kircher hielt noch an der Möglichkeit der Herstellung eines Perpetuum mobile fest, wie alle seine gelehrten Zeitgenossen, mit Ausnahme des niederländischen Mathematikers und Physikers Huyghens, des berühmten Erfinders der Pendeluhr und Entdeckers des Ringes und der Monde des Saturn, der schon von der Unmöglichkeit dieser Erfindung überzeugt war.

Als Vorläufer des Kircherschen Perpetuum mobile können zwei seiner Versuche betrachtet werden: der erste basiert auf einer Art von Pumpe, deren in die Höhe gepumptes Wasser ein Rad in Bewegung setzt, welches seinerseits wieder die Pumpe antreibt, die das Wasser sich von neuem auf das Rad ergießen läßt. Der zweite arbeitet durch die Schwere: eine Kugel rollt eine spiralförmige Bahn herunter und wird wieder auf die Spitze der Spiralsäule hinaufgeschnellt. „Semper mota suis irrequieta cyclis” lautet das Motto dieses Apparates.

Sein Perpetuum mobile nennt Kircher die „Sphaera magnetica Archimedaea” und fügt hinzu „Ratio sphaerae magneticae perpetuö circumeuntis caeliq. cursum perenni motu monstrantis, idest, Sphaeram magneticam conficere, quae in centro aquae, seu medio liquorum librata lestes, totius denique Astrolaby mysteria denotet perpetucV”. „Das Wesen der magnetischen Kugel besteht darin, daß sie sich immerfort bewegt und durch fortwährende Bewegung die Himmelsbahn zeigt, d. i. eine magnetische Kugel, die frei inmitten des Wassers ewig in Bewegung bleibt und in Ewigkeit die Stunden und die Himmelsbahnen, auch die Geheimnisse des Astrolabium angibt.”

Der Apparat besteht aus einem, nach Süden fest und sicher aufzustellenden Kasten, auf dem sich zwei ziemlich große Kugeln befinden. Die erste Kugel ist von Metall, die zweite von Glas und zur Hälfte mit Wasser gefüllt, auf dem der magnetische, d. h. mit Magneten versehene Globus schwimmt. Kircher nimmt nun folgenden Vorgang an: Die in der Metallkugel eingeschlossene Luft wird durch Einwirkung der Tageswärme verdünnt und strömt in ein mit Wasser gefülltes Gefäß, dessen Inhalt sie mittels einer Röhre in ein höher gelegenes Gefäß drückt. Das hier angesammelte Wasser fällt nun tropfenweise auf ein mit 24 Eimerchen versehenes Rad. Die in die Eimerchen sich ergießende Wassermenge ist derartig bemessen, daß die Umdrehung des Rades in 24 Stunden erfolgt. Dies Rad setzt einen unter der Glaskugel befindlichen Magneten in drehende Bewegung, der seinerseits den im Wasser schwimmenden magnetischen Globus bewegt. Dieser nun, dessen Umdrehung in 24 Stunden sich vollzieht, kann als Uhr oder als Anzeiger anderer Dinge verwendet werden. Das über das Rad abfließende Wasser sammelt sich in einem eigenen Behälter, von wo es mittels einer Röhre durch die durch die Nachtkühle verdichtete Luft der Metallkugel in seinen ursprünglichen Behälter zurückgesaugt wird , worauf am folgenden und an den folgenden Tagen das gleiche Spiel von neuem beginnt. —

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Erstellt am 20.02.2012 - Letzte Änderung am 20.02.2012.


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