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Die Flößer auf der Warthe

Flößerei von Rußlands Wäldern bis zu Deutschlands Schneidemühlen
Die Holzfäller aus Lotzen - Die Flößer aus Zantoch und Pollychen

Tatsachenbericht von W. Timpe, Pyrehner-Holländer (1928)

Wer am Wartheufer groß geworden ist, hat in seiner Jugendzeit viele große Flöße den Strom hinabschwimmen sehen. Lange Flöße, aus 10 bis 12 „Tafeln“ bestehend, einzeln oder zu zweien nebeneinander gekoppelt — auf der vordersten Tafel neben der Hütte eine an kurzer Stange befestigte Nationalflagge, mitunter auch nur eine die Provinzialfarbcn besonders heimattreu gesinnter Flößer zeigende Flagge — so glitten sie geruhsam und lautlos dahin.

Da kam 1914 der Weltkrieg — und während desselben und auch nach seinem Ende blieb es lange Zeit still und leer auf unserem Strom. Erst ganz allmählich kam von der alten Geschältigkeit ein Weniges wieder an den Tag. Aber auch dies Wenige genügte, um die Herzen der alteingesessenen Anwohner mit Freude zu erfüllen und in den Herzen der jüngeren Generation die alten Fragen nach dem Woher und Wohin zu erwecken und die dem Menschengeschlecht seit Urzeiten eingepflanzten Sehnsüchte neu auferstehen zu lassen.

Die folgenden Ausführungen sollen Antwort geben auf solche Fragen und ein Bild vermitteln von der Flößerei aus Rußlands Wäldern bis zu Deutschlands Schneidemühlen.

Ich richte mich nach mündlichen Überlieferungen und schriftlichen Aufzeichnungen meines Großvaters, der ein Menschenalter hindurch als Floßmeister und „Regimenter“ in Rußland tätig gewesen ist. In den fünfzig Jahren (1928 geschrieben! P. Seh.), die seitdem verflossen sind, hat sich der Betrieb nicht wesentlich verändert.

Das Hauptarbeitsfeld der „Regimenter“ waren

die ausgedehnten Wälder um Luninez,

einem, obwohl es jetzt Kreuzungspunkt zweier Bahnen ist, kleinen Ort am Rande der Rokitnosümpfe (jetzt Pripet- oder Pripjetsümpfe. Seh.). Wohl die lebhafteste Holzfäller- und Flößereiarbeit gab es dort in den Jahren 1876 und 1877. Nach dem Siege über Frankreich war viel Geld ins Land gekommen, das nutzbringend angelegt werden mußte.

Eine besonders günstige Konjunktur bot sich dem Holzgeschäft, das stets ein mehr oder weniger spekulatives Geschäft gewesen ist und noch ist. Große Mengen von Holz konnten ins Ausland verkauft werden, namentlich nach England, das besonders viel Eichenbolz für Schiffsbauten zur Ergänzung der Flotte brauchte. Außerdem bezog es viel Schwellen- und Grubenholz für seine Bergwerke.

Das große Holzgeschäft mit Rußland fand nun so statt: Die deutschen Firmen sandten Vermittler ins Zarenreich, die nur die einzige Aufgabe hatten, Großgrundbesitzer ausfindig zu machen, die gewillt waren, ihren Besitz samt Wald oder einen Teil davon zu verkaufen. Sobald der Kauf rechtskräftig geworden war, sah sich die kaufende Firma nach tüchtigen deutschen Landwirtssöhnen um, nahm sie in ihre Dienste und übergab ihnen das meist stark heruntergewirtschaftete Gut zur Verwaltung. In einigen Jahren war dasselbe wieder in die Höhe gebracht und wurde nun an einen russischen Magnaten verkauft zu einem Preise, den es vorher höchstens mit dem gesamten Waldbestand gekostet hatte. Was das für ein Geschäft war, das kann nur der ermessen, der Kenntnis von der ungeheuren Ausdehnung russischer Güter hatte. Das Gut des Fürsten von Luninez mit seinen Wäldern hatte einen Flächeninhalt von mehr als 40 000 Quadratkilometer, übertraf also den unserer gesamten Mark Brandenburg! Ununterbrochen erschallten zwanzig Jahre hindurch die Axthiebe in diesen Waldrevieren und legten Kiefer um Kiefer und alte knorrige Eichen um. Von der Arbeit in diesem Bezirk soll hier berichtet werden. So wie hier ist es aber überall gewesen, denn fast alles Holz kam aus jenem Gebiet, dem von den Russen „Polessje-Land“ genannten Teil ihres gewaltigen Reiches.

Sobald ein Waldkauf abgeschlossen war, wurden die sogenannten Regimenter an Ort und Stelle geschickt. „Regimenter waren Leute, die sich aufs Holzfach verstanden die einen bestimmten Waldbezirk zugewiesen erhielten, zum Fällen geeignete Bäume aussuchten und markierten und dann den Abschlag veranlassen und beaufsichtigen mußten.

Die Regimenter fuhren mit der Eisenbahn über Posen, Warschau, Brest-Litowsk nach Pinsk an den Rand der Rokitno-(Pripet-)Sümpfe, des größten Sumpflandes ganz Europas! Dort hatte zu damaliger Zeit die Bahnstrecke ihr Ende erreicht. Luninez war nur durch Panjewagen oder Schlitten zu erreichen. Es galt also zunächst in Pinsk die nötige Anzahl von Fuhrwerken zu mieten, was nicht immer leicht war. Dann ging's im Trapp zum Schlosse des Fürsten von Luninez, und der dort anwesende Kaufvermittler wies jedem Regimenter seinen nicht gerade klein bemessenen Waldbezirk und seinen Wohnsitz zu. Es war das ein kleines Häuschen nebst einem Stück urbar gemachten Waldbodens; dazu noch ein kleiner Stall mit ein bis zwei Pferden, einer Kuh und einem Schwein. Ein russischer Knecht besorgte diese Wirtschaft. Der Regimenter machte sich nun auf den Weg, um sich der nötigen Holzfäller zu vergewissern. Diese waren fast durchgängig Deutsche, die sich im Pripetgebiet ansässig gemacht hatten und in verschiedenen Dörfern wohnten. Und woher waren sie gekommen?? Sie stammten alle aus der Neumark, namentlich aus dem Dorfe   L o t z e n. Es waren durchweg kräftige, sehnige Gestalten, wie sie zur schweren Holzfällerarbeit taugten. Blockhäuser wurden ihnen als Massenquartier zugewiesen — und nun konnte der Holzschlag beginnen. Er ruhte im Luninezer Revier das ganze Jahr hindurch nicht. Eichen wurden im Sommer und Winter gefällt, während Kiefern nur vom Oktober bis März geschlagen wurden. Die Abfuhr der Hölzer bis zum Ufer des Pripet oder seiner Zuflüsse geschah durch Ruskis, die in großer Zahl angeworben wurden. Auch sie verließen ihre Dörfer und wohnten in der Nähe des Schlages. Ihr Lohn war nur gering und überschritt selten den Betrag von anderthalb Rubel für die Woche. Dafür wurden sie aber vollständig verpflegt und waren sehr anspruchslos.

Eine Ergänzung des Speisezettels bot neben der Fischerei der in Unmengen zu findende Honig! Bienenzucht in unserem Sinne gab es allerdings nicht. In wildem Zustand schwärmten unzählige Bienenvölker umher, und man wußte sich das zunutze zu machen. Es fanden sich hier und da Kiefern älteren Semesters, die innen hohl waren wie bei uns häufig die Weiden. Solche Bäume von einem halben Meter Durchmesser wurden in etwa zwei Metern Höhe umgeschlagen. Sie ergaben dann vortreffliche Röhren. Oben und unten wurden sie mit passend gemachten Brettern zugenagelt, an der Seite mit einem runden Anflugsloch versehen — und fertig war der Bienenstock! Diese primitiven Bienenhäuser wurden nun in die alten, knorrigen Eichen gehängt; nicht nur einzeln, sondern zu sechs bis zwölf Stück. Zur Zeit der Haupthonigernte durcheilten die sogenannten Waldläufer, Gehilfen des fürstlichen Försters, den Forst und heimsten die Honigvorräte ein. Aber die Waldarbeiter machten ihnen nicht unerhebliche und natürlich ungern gesehene Konkurrenz, indem sie ihnen teilweise zuvorkamen. Doch nicht sie allein waren die Mitgenießer. Noch unbeliebter war nämlich

der braune Bär,

der damals und wohl auch heute noch in den Wäldern zahlreich vorhanden war und den leckeren Honig, wie bekannt, sehr liebte. Mehr als einmal ist es meinem Großvater passiert, daß er so einen Gesellen bei einer Kontrollfahrt antraf. Sitzend auf dem unteren Zweig einer der gewaltigen Eichen, vor seinen Pranken hängend einen der Bienenstöcke, nahm er vom Schlitten und seinen Insassen, so nahe sie ihm auch waren, nicht die geringste Notiz. Links — rechts, links — rechts, so schlug er unentwegt gegen den Bienenbaum, bis er ihn von seiner Befestigung gelöst und zu Boden gebracht hatte. Trotz allem war der Ertrag an Honig immer noch ein gewaltiger. Im Jahre 1897 waren auf dem Luninez benachbarten Gute des Fürsten Radziwill zwei Säle in Größe von je ca. 200 Quadratmetern Bodenfläche von oben bis unten mit vollen Honigröhren gefüllt.

Die Flößer auf der Warthe - Tatsachenbericht von W. Timpe, Pyrehner-Holländer (1928)
(Fortsetzung)

Im ersten Teil war zum Schluß vom braunen Bär die Rede und von den riesigen Honigerträgen in den Wäldern um Luninez am Rande der Rokitnosümpfe (Pripjet-Sümpfe) in Weißrußland.

Die Wölfe

So harmlos sich die Bären gebärdeten, um so unangenehmer waren die Wölfe. Sie trieben sich nicht nur einzeln, sondern rudelweise in den Wäldern umher und beunruhigten die arbeitenden Leute aufs äußerste. Die Belästigungen wurden so stark, daß sich der Fürst genötigt sah, jeden einzelnen Mann seiner „Gestelle“ mit Flinten — wenn auch nur mit ganz veralteten Vorderladern — und dem dazu nötigen Hackblei auszurüsten. Es ist denn auch gelungen, die Bestien immer in respektvoller Entfernung zu halten.

Die Flüssaken

Doch nun zurück zur Holzhauerei. Das geschlagene und etwas abgelagerte Holz wurde von den Rußkis an das Pripjetufer gefahren oder an das seiner Nebenflüsse. Hier wurde es sofort, im Winter noch auf dem Eise, verbunden, d. h. zehn bis zwölf Stämme nebeneinander wurden mit starkem Bast zu einer „Tafel“ zusammengefügt. Taute dann das Eis auf, so waren die Tafeln sofort fahrbereit im Wasser. Bis zum Frühjahr hatten sich recht viel davon angesammelt, und nun galt es, sie bis zu ihrem Bestimmungsort in Deutschland zu befördern. Der Anfang war das schwerste, denn es ging den Pripjet stromauf. Aber auch für diese Arbeit gab es Spezialisten. Es bestand eine besondere „Börse“ in Pinsk für Leute, die es als ihren Lebensberuf betrachteten, Flöße, die in Luninez zusammengestellt waren, den Pripjet stromaufwärts zu dirigieren. Man nannte sie in deutscher Sprache   F l ü s s a k e n. Bei der sehr starken Strömung kamen für diese Arbeit auch nur besonders kräftige Leute in Betracht. Trotzdem waren durchschnittlich zwölf Mann erforderlich, um ein einziges Floß den Pripjet hoch bis nach Pinsk zu staken. Es war aber immer die genügende Anzahl von Leuten da, und eine Stockung stellte sich niemals ein. Nur eine Schwierigkeit war im Anfang zu überwinden. Das Floß war zusammengestellt auf eine Breite von etwa 13 Fuß. Das war eine Breite auf „lange Sicht“. Sie war für die Ströme hier zu groß, und somit ergab sich die Notwendigkeit, Abhilfe zu schaffen. Das geschah in ganz einfacher Weise: das Floß wurde der Länge nach in Hälften geteilt und auseinandergeschlagen. Bis nach Pinsk wurden die Tafeln also gehälftelt geschafft und dort erst wieder zusammengeschlagen. Die Flößerei bis Pinsk wurde den Flößern nach der Länge der Flöße bezahlt, wobei diese nach Ellen gemessen wurde.

Der Bugpaß

Bei Pinsk gelangte das Holz in den Mochawecz-Kanal (Dnjepr-Bug-Kanal) und durch diesen bei Brest-Litowsk (Brest) in den Bug. Auch durch den Kanal mußten die Flöße gestakt werden. In Brest-Litowsk wurden dann die Transporte zusammengestellt und den Floßmeistern übergeben. Zu jedem Transport gehörten etwa 2000 Rundhölzer. Waren im Kanal die Flöße aus acht, höchstens neun Tafeln zusammengekoppelt, so wurde die Länge jetzt auf zwölf Tafeln vergrößert, und wegen der größeren Breite des Bug wurden immer zwei Flöße nebeneinander gekoppelt. Das nannte man den „Bugpaß“. Die „Staker“ wurden entlohnt und kehrten zum Ausgangspunkt ihrer Reise zurück. Der Bugpaß wurde nun mit je vier Flößern besetzt. Ein Transport war immer von einem Kahn begleitet, in dem die gesamten Lebensmittel verstaut waren. Der Kahn fuhr von Floß zu Floß und verteilte die täglichen Rationen.

Die Weichseltraften

Die Fahrt der Bugpässe ging bis zur Einmündung des Bug in die   W e i c h s e l. Hier wurde der Kahn verkauft, und die Bugleute fuhren zu einem neuen Transport zurück. Die Flöße wurden nun zu Weichseltraften zusammengestellt. Ihre Länge blieb mit durchschnittlich zwölf Tafeln zwar dieselbe, aber ihre Breite wurde, der Weichselbreite entsprechend, erheblich vergrößert. Man legte fünf, ja sechs Flöße nebeneinander und verband sie. Es genügten nun natürlich nicht mehr vier Mann, sondern die Besatzung bestand aus acht bis neun Männern. Für diese mußte nun auch genügend Unterkunftsraum vorhanden sein, und so wurde denn auch in der Mitte des Floßes ein ganz respektables Häuschen errichtet, welches drei, mitunter sogar vier Räume enthielt.

So ging es nun auf der gelbbraunen Flut der Weichsel abwärts. Für den, der offene Augen für die Schönheiten der Natur hatte, war das absolut nicht langweilig. Die Weichsel fließt durch eine fruchtbare Niederung, in welcher ein Dorf nach dem anderen aus freundlichen Obstgärten hervorblickt. Endlich, nach langem langem Treiben auf der jetzt etwa 250 km langen Etappe grüßte nach dem Passierer einer stolzen Brücke die Weichselkönigin   T h o r n  mit ihrem turmreichen Stadtbild. Nicht lange danach war   S c h u l i t z   erreicht. Hier ist wieder ein neuer Etappenort der Flößerei. Einige Transporte waren schon in Thorn zurückgeblieben, um hier in Schneidemühlen zu wandern. Jetzt trat eine neue Scheidung ein. Ein Teil der Flotte flößte weiter bis nach   D a n z i g, um von dort aus nach England verschifft zu werden, der andere Teil war für Stettin bestimmt und mußte nun den Weg westwärts einschlagen.

Durch den Bromberger Kanal

Die Flotte wurde nun in „Touren“ eingeteilt, mit Nummern versehen und ihrer Reihenfolge entsprechend in den Bromberger Kanal eingeschleust. Wegen der geringen Breite des Kanals mußte auch die der Flöße wieder verringert werden. Die Weichseltraften wurden also aus ihrem Querverbande gelöst und einzeln in den Kanal eingeschleust. Das Häuschen wurde auseinandergeschlagen und in Stücken unter die Flößer verteilt, die das Holz als willkommenes Brennmaterial mit nach Hause nahmen.

Auf jedes Floß kamen jetzt nur zwei Mann, der „Kopfmann“ und ein Reservemann. Für sie genügte eine kleine Strohhütte, die sie sich selbst bauten. Sie stakten das Floß in mühevoller Arbeit durch den Kanal bis nach Weißenhöhe, wo der Kanal in die   N e t z e   einmündet, und sie die wohlverdiente Ablösung vorfanden.

Grundeis auf der Warthe bei Fichtwerder

Die Flößer auf der Warthe - von W. Timpe, Pyrehner-Holländer (1928)

In Weißenhöhe gab es nun wieder besondere Spezialisten:

Die Netze-, Warthe- und Oderflößer.

Sie stammten und stammen auch heute noch (1928 geschrieben!) fast alle aus

Zantoch, Pollychen und Trebitsch.

Der Sohn folgte nach der Einsegnung dem Vater und lernte nach und nach die Geheimnisse der Flößerei, die Eigenarten und Tücken der Ströme kennen. Daß die für die Flößerei erforderlichen Kenntnisse erst in jahrelanger Praxis erworben werden konnten, ist einleuchtend. Strömung, Wasserstand, Buhnenköpfe, Sandbänke, Brücken, entgegenkommende Fahrzeuge, Schleusen, Verkehrsvorschriften und -zeichen mußten genauestens gekannt sein und beachtet werden. Sowohl der Kopf- wie auch der Reservemann müssen stets auf dem Posten sein.

So ging nun die Fahrt von Weißenhöhe und Nakel über Czarnikau, Filehne, Driesen, Landsberg, Küstrin und oder abwärts bis Gliezen, wenige Kilometer vor Hohensaaten am Schleusentor zum Finowkanal. Hier war das Ziel erreicht, und die Flößer konnten zu ihrer Familie in Zantoch, Pollychen usw. zurückkehren, verblieben hier aber nur einen Tag, schnürten wieder ihr Ränzel und fuhren nach Weißenhöhe zu neuem Verdienst. So machten sie in der Blütezeit der Flößerei zehn bis zwanzig „Reisen“ im Jahr. Eine „Reise“ dauerte etwa acht Tage, und dafür gab es 22 bis 40 Taler, je nach der Stärke des Holzes. Das war für damalige Verhältnisse ein guter Verdienst, besonders bei Berücksichtigung der Tatsache, daß die Familie zu Haus meist ein kleines Besitztum hatte mit einigem Vieh, das ihnen den Lebensunterhalt gewährte.

Die Netze vor der Einmündung in die Warthe

Nach dem ersten Weltkrieg

Die Netze-, Warthe- und Oderflößerei hat sich nach dem Kriege etwas geändert. Während am Pripjet, am Bug und an der Weichsel alles beim alten geblieben ist, wird durch den Bromberger Kanal nicht mehr gestakt, sondern mit Dampfbetrieb getreidelt. Die Arbeit unserer neumärkischen Flößer beginnt (1928!) nicht mehr in Weißenhöhe, sondern erst in Filehne. Bis dahin wird das Holz von polnischen Flößern gebracht. Von Filehne aus geht die Reise mit zwei Mann bis   Z a n t o c h, also bis zur Einmündung der Netze in die Warthe. Das dauert, günstige Stromverhältnisse und tüchtige Flößer vorausgesetzt, zirka 36 Stunden. In Zantoch verläßt einer von den beiden Männern das Floß und wird von zwei anderen abgelöst, so daß jetzt die Besatzung aus drei Mann besteht. Diese schwimmen nun wieder bis Gliezen oder Stettin, was etwa 30 Stunden dauert.

Am Zusammenfluß von Netze und Warthe bei Zantoch

Die Halbierung der Strecke Filehne — Gliezen und die Besetzung der Flöße von Zantoch an mit drei Mann wurde dankbar begrüßt, weil damit der bisherige Raubbau an den Kräften der Flößer gemildert wurde. Die Arbeit des Flößers ist eine sehr anstrengende, die mit ihr verbundene Lebensweise eine so unregelmäßige und naturwidrige, der zwecks Wacherhaltung der Lebensgeister zur Nachtzeit notwendige Genuß starker Getränke wie Kaffee und Tee so nervenzerrüttend und die kurzen Stunden des Schlafes dicht über der Wasseroberfläche auf oftmals feuchtem Stroh so gesundheitsangreifend, daß nur ganz kernige Leute zu diesem Berufe tauglich sind.

Der Floßverkehr läßt sich heute (1928!) in keiner Weise mit dem vor dem Kriege und besonders dem zu Ende des vorigen Jahrhunderts vergleichen. Er wird diesen Umfang auch niemals wieder annehmen. Dazu ist die heutige Zeit, besonders was den Geschäfts- und Warenverkehr anbelangt, zu schnellebig. Bei dem beschriebenen Betriebe dauert es nicht weniger als zwei Jahre, bis das Holz geschnitten ist und umgesetzt werden kann. Das dauert heutzutage den großen Holzfirmen viel zu lange; sie ziehen den Eisenbahntransport vor. Dieser stellt sich zwar bedeutend teurer, gestattet aber den Umsatz des Holzes in etwa zwei Monaten. Der Grundsatz ist heute: geringerer Nutzen und dafür größerer und schnellerer Umsatz. Da dieses Prinzip sich immer mehr Geltung verschafft, so kann man heute schon den Tag herannahen sehen, an dem das letzte Floß unsere Warthe stromabschwimmen wird. (Ende)

































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