Die Schiffahrt auf der Warthe - 1991 Heimatblatt Landsberg/Warthe Nr.2 S.24-26
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Die Schiffahrt auf der Warthe
von -eh-

Ausflug in die Niederlande - Ich stehe an der Maas und warte auf die Fähre. Mein Blick schweift über das weite Land, über die am Ufer ankernden Schiffe, über den Fluß, der mich an unsere liebe, still dahinfließende Warthe erinnert. Wie Pegasus auf schnellen Flügeln, eilen die Gedanken dahin. Ich stehe, wie so oft als Schuljunge, in Landsberg am Kai und sehe den betriebsamen Leuten zu.

Da hievt ein Kran die riesigen, wohl tonnenschweren Papierrollen hoch. Ein Lastwagen steht bereit und wird beim Aufsetzen der Ladung merklich niedriger. Dann geht es ab zum Generalanzeiger! Männer schlichten über ein endloses Tau Säcke. Die beiden Schlaufen werden an den Haken gehängt und dann heißt es: Zur Seite gehen! Schwebende Lasten sind lebensgefährlich! Wenn hinter dem Güterbahnhof Kohlen entladen wurden, mußte das über die ganze Schiffslänge gleichmäßig geschehen, sonst wären Bug oder Heck wegen der ungleichen Last unter Wasser geraten.

Bei diesem Nachsinnen frage ich mich, welche Bedeutung hatte die Schiffahrt auf der Warthe eigentlich? War der Verkehr immer so rege, wie er mir erschien? Mit dieser Frage hat sich auch schon Otto Kaplick befaßt, in seinem Landsberger Heimatbuch schrieb er 1935:

„Die Warthe hat trotz ihrer Länge im deutschen Wasserstraßennetz nie eine hervorragende Bedeutung gehabt. Die Gründe für diese auffallende Erscheinung liegen einmal in der natürlichen Eigenart des Stromlaufes, zum anderen haben geschichtliche und politische Ereignisse und Spannungen in den zum Stromgebiet gehörenden Ländern hindernd auf die Entfaltung des Wartheverkehrs eingewirkt. Der reichliche Wasserstand im Frühjahr und Winter kann oft wegen Eisstand und Hochflut nicht voll ausgenutzt werden; nahmen doch die Versicherungsanstalten bei einem Wasserstand von über 3 Meter am Posener Pegel keine Versicherung für die Talfahrt mehr an. Umgekehrt zwingt der sehr niedrige Wasserstand der Sommermonate zu gänzlicher Einstellung der Schiffahrt oder läßt nur eine teilweise Belastung der Fahrzeuge zu. Ein regelmäßiger Schifffahrtsbetrieb ist daher meist nur im Frühjahr und Herbst möglich. Zu diesen aus der wechselnden Wasserführung des Stromes sich ergebenden Schwierigkeiten trat in früheren Zeiten die mangelhafte Beschaffenheit des Strombettes selbst, das völlig verwildert in zahlreichen Krümmungen durch die Talniederung führte, immer wieder versandete und durch keinerlei Strom- und Uferbauten geregelt und befestigt war. Hauptgrund für den geringen Verkehr ist vor allem aber die Tatsache, daß die Warthe keine Durchgangsstraße darstellt; sie bildet in ihrem Mittel- und Oberlauf eine Sackgasse, der jeglicher Anschluß an andere schiffbaren Ströme fehlt. In den ältesten Zeiten unserer Geschichte war daher ein nennenswerter Fernverkehr auf der Warthe kaum vorhanden. Mit der deutschen Besiedlung und dem Aufblühen der Stadt Landsberg trat jedoch auf der unteren Warthe und Netze eine Belebung der Schiffahrt ein. Im Jahre 1340 erhielten die Landsberger Bürger das Recht des Wasserzolls in gleicher Höhe, wie ihn der Markgraf in Zantoch erhob; ausgenommen blieb lediglich Bauholz. Den Einwohnern Driesens wurde 1347 das Recht der Schiffahrt auf der Warthe bis nach Schwedt verliehen, als Handelsgüter werden Getreide, Mehl, Malz, Tücher, Heringe, Fische, Holz, Asche, Kupfer, Eisen, Salz und allerlei Kaufmannsware genannt. Für Landsberg, das in dieser Zeit durch einen großen Brand heimgesucht wurde, wurde in diesem Jahre das Zollrecht auch auf das Holz ausgedehnt. 1350 bekam Bärwalde die Zollfreiheit für die Schifffahrt bis nach Landsberg, und auch die Landsberger Bürger genossen manche Freiheiten für den Verkehr auf Oder und Warthe. Im Jahre 1390 versuchte der König von Polen, auch in seinem Reiche die Wartheschiffahrt in Gang zu bringen; er fand jedoch den lebhaften Widerspruch der Stadt Frankfurt und des Deutschen Ritterordens, und sein Bemühen, seine polnischen Untertanen zur Aufgabe der zahlreichen; den Fluß sperrenden Wehre und Anlagen für den Fischfang zu veranlassen, hatte keinen Erfolg. Auch oberhalb der Stadt Landsberg gab es quer durch das Flußbett einen Aalfang, das sogenannte Kietzwehr, wovon dem Stadtgericht der 4. Aal zustand. Zur Förderung des Handelsverkehrs bestimmte der Markgraf Jobst, daß die Fischereianlagen der Dörfer so eingerichtet sein sollen, daß sie die Schiffahrt nicht behindern.

Die verheißungsvollen Anfänge der Wartheschiffahrt fanden jedoch in der Folgezeit keinen Fortgang. Frankfurt, das sich nach 1435 wegen der Handhabung des Niederlagerechts mit den Landsbergern geeinigt hatte, wurde im Laufe der Zeiten zum immer schärferen Gegner eines freien Wartheverkehrs. Unterstützt von den brandenburgischen Kurfürsten, erreichte es, daß im Jahre 1536 Markgraf Hans in die Aufhebung der Landsberger Niederlage einwilligte, die nur für die Talfahrt, der Polen bestehen blieb. Diese unterlagen auch in Küstrin besonders hohen Zöllen, und auf der Oder mußten die nach Stettin bestimmten Schiffe von Küstrin aus erst aufwärts fahren und in Frankfurt Niederlage halten, ehe sie ihre Reise fortsetzen durften! Die Polen suchten in Verhandlungen mit den Markgrafen und den Pommerschen Herzögen die hinderlichen Bestimmungen zu mildern. Ihre Bemühungen scheinen nicht ganz ohne Erfolg geblieben zu sein; Kurfürst Joachim II regte schon damals die Schaffung einer Verbindung zwischen Weichsel und Warthe an, indem er dem Könige von Polen vorschlug, >daß zukünftiglich durch Mittel und Wege die Maße gefunden werden, daß die Weichsel in die Warthe, die. Warthe in die Oder möchte schiffbar gemacht werden, dadurch beider Lande Untertanen sowohl zu Wasser als zu Lande handeln.< Die Kurfürsten von Brandenburg gewährten des öfteren polnischen Adligen auf ihr Gesuch hin Vergünstigungen, Ermäßigung oder gänzlichen Erlaß der Zollgebühren. Polen strebte jedoch nach völliger Zollfreiheit, stieß aber dabei auf heftigen Widerstand des neumärkischen Adels, der Schädigungen seines Handels davon befürchtete. So unterbreiteten die »an Oder und Warthestrom angesessenen Adligen und Untertanen in Städten und Dörfern« dem Kurfürsten im Jahre 1614 eine Denkschrift, in der sie sich »zum höchsten beklagten« wegen des großen Übermutes, der Freveltaten und Diebstähle von Fischen, Gänsen, Einten, selbst von Schweinen und anderem Vieh, die das polnische »Gesindlein« auf den Schiffen bei der Durchfahrt verübe. Die zur Förderung der Schiffahrt in Polen geplante Hebung des Wasserstandes würde eine solche »Ergießung des Wassers« zur Folge haben, daß Brücken und Dämme hinweggerissen, Städte, Dörfer, Mensch und Vieh überschwemmt und ersäuft werden könnten. Trotz dieser Einsprüche kam am 22. Januar 1618 der Vertrag zu Trebisch zwischen den polnischen und brandenburgischen Unterhändlern zustande. Er regelte die bezüglich der Schifffahrt auf der Warthe zwischen beiden Ländern bestehenden Streitfragen und billigte dem polnischen Adel, nicht dem Bürgerstande, fast völlige Zollfreiheit auf Getreide zu; auch vom Floßholz brauchten sie nur den halben Zoll zu entrichten, das Niederlagerecht Landsbergs blieb jedoch bestehen. Beide Länder verpflichteten sich, alle Hindernisse der Schiffahrt, Steine, Bäume, Wehre usw., aus dem Flußlauf zu entfernen.

Der gewünschte Aufschwung des Wartheverkehrs trat jedoch nicht oder nur vorübergehend ein. Die Wirren des 30-jährigen Krieges, dem der Schwedisch-polnische und der nordische Krieg folgten, behinderten die Schifffahrt aufs schwerste, und der fortschreitende Verfall des polnischen Staates im 17. und 18. Jahrhundert, der Niedergang des Bürgerturas und der Städte wirkten lähmend auf Handel und Verkehr. Im Jahre 1775 sperrte Friedrich der Große die Warthe völlig für polnisches Getreide; um so lebhafter entwickelte sich aber der Verkehr auf der Netze-Warthe durch den soeben fertiggestellten Bromberger Kanal. Die Oder-Weichsel-Wasserstraße, die dadurch geschaffen wurde, besteht aus dem Unterlauf der Warthe mit 70 km, der unteren und mittleren Netze mit 156 km, dem Bromberger Kanal mit 35 km und der Brahe mit 14 km und hat eine Gesamtlänge von 275 km. Als 1793 die Warthe ganz preußisch wurde, befand sie sich in so traurigem Zustande, daß eine nennenswerte Schiffahrt überhaupt nicht möglich war. Erst die seit dieser Zeit einsetzenden, 1819 vermehrten und seit 1873 planmäßig auf den ganzen Strom ausgedehnten Regulierungsarbeiten haben die Warthe zur Wasserstraße im eigentlichen Sinne gemacht. So kam im vorigen Jahrhundert die Warthe-Schifffahrt allmählich in Blüte, begünstigt durch das dünne Landstraßennetz im Osten, beeinträchtigt aber wiederum durch den Bau der Berlin-Posener Eisenbahn und der Ostbahn, die dem Wasserverkehr immer überlegen geblieben sind.

Im Jahre 1847 sahen die Landsberger das erste Dampfschiff auf der Warthe. Es war der Raddampfer »Stanislaus«, der der königlichen Seehandlung in Berlin gehörte und durch einen regelmäßigen Fracht- und Personenverkehr nach Küstrin unsere Stadt an die auf der unteren Oder bereits bestehende Dampfschiffahrt anschließen sollte. Sein festlicher Empfang in Landsberg verzögerte sich erheblich, da der hohe Wasserstand die Durchfahrt durch die Warthebrücke bei Küstrin verhinderte.

Am 26. August 1847 sollte die regelmäßige Verbindung Landsberg-Küstrin aufgenommen werden. Nach dem Fahrplan sollte der Dampfer montags und donnerstags 5 Uhr morgens Landsberg verlassen; Haltestellen waren in Költschen, Fichtwerder und Vietzer Ablage vorgesehen. Der Preis betrug für die ganze Fahrt in der 1. Kajüte l Taler, in der 2. Kajüte 20 Silbergroschen. Leider nahm kurz vor Beginn des Betriebes eine Probefahrt des Dampfers nach Zantoch ein klägliches Ende; das Schiff erlitt an Kessel und Steuerung so erhebliche Beschädigung, daß die Fahrgäste zu Fuß nach Landsberg zurückkehren mußten! Die Ausbesserung erfolgte in der Stöckertschen Fabrik, doch kam die geplante Dampfschiffahrtsverbindung nach Küstrin fürs erste nicht mehr in Frage.

Im Jahre 1883 wurde ein regelmäßiger Dampferverkehr Stettin-Posen eingerichtet, der sich erfreulich entwickelte. Sehr lebhaft war auch der Floßholzverkehr aus Rußland. Der Durchgangsverkehr auf der Warthe bei Landsberg belief sich im Jahre 1912 auf 581 000 t beförderte Güter und 277 000 t Floßholz, davon 247 000 t von der Netze her. Der Weltkrieg, die neue Grenzziehung im Osten und die wirtschaftlichen Spannungen zwischen Polen und Deutschland haben den ständig wachsenden Verkehr fast zum völligen Stillstand herabgedrückt. Erst in den letzten Jahren wurde der Vorkriegsstand wieder erreicht und teilweise sogar überschritten. Die Gesamtzahl der ein- und ausfahrenden Schiffe betrug 1913 = 1007, 1932 = 1137 der gesamte Güterverkehr einschließlich der Flöße 1913 = 129 000 t, 1932 = 92 000 t. Leider fehlt der Stadt Landsberg noch immer eine moderne Hafenanlage; der Winterhafen ist im Jahre 1896 geschaffen worden.“


MS "Herta", 1910 in Landsberg bei Paucksch gebaut, 90 BRT, 30 m lang, 4 m breit, 1,10 Tiefgang, ca 150 PS, 9,5 Kn, Einsender: Gunter Abraham, Schellingstr. 20, W-2000 Hamburg 76

Aus den 30er Jahren stammen auch die beiden Fotos mit dem vertrauten Blick auf die Warthe mit ihren Schiffen. Der VSV-Kurier, Juni 1985, der Vereinigten Schiffs-Versicherung V.a.G. Hannover liefert dazu einige Fakten:
"Schiffe am Bollwerk, vordere Lage v.r.n.l. Schraubenschleppdampfer »Preußen«, Heckrad-Güter-Dampfer »Glückauf«, ex »Alfred« und Schleppschute »Neumark«.
2. Lage dahinter v.r.n.l.: Heckrad-Schleppdampfer »Erwin-Norbert«, Schrauben-Güterdampfer »Landsberg« (Doppelschrauber), Schrauben-Güterdampfer »Deutschland« und Schrauben-Güterdampfer »Grenzmark«

Daten: D »Preußen«
Erbaut 1903 bei den Stettiner Oderwerken für F. Gregor, Treptow. Länge 23,75 m, Breite 5,15 m, Leistung 175 Psi. Später verkauft an Klauke, Fürstenberg/O.; kam 1940 auf die Weichsel.


D »Glückauf«
Erbaut 1883 bei Schichau, Danzig für Priefer, Breslau als »Alfred«. Länge 36,80 m, Breite 5,16 m, Leistung 150 Psi, Tragfähigkeit 63 t. Später nach Landsberg verkauft an die Dampfschiff-Rhederei Landsberg/W.

D »Erwin-Norbert«
Eigentümer Seiler. Ging 1940 auf die Weichsel.

D »Landsberg«
Erbaut 1903 bei Gebr. Sachsenberg, Roßlau für die Schultheiß-Brauerei, Berlin. Länge 48,66 m, Breite 6,73 m, Leistung 2 x 90 Psi, Tragfähigkeit 274 t. Wurde später an die Dampfschiff-Rhederei Landsberg/Warthe verkauft.

D »Deutschland«
Erbaut 1888 bei den Stettiner Oderwerken für R. Gustavus & W. Strack, Magdeburg, als »Neuruppin«. Länge 36 m. Breite 4,64 m, Leistung 65 Psi, Tragfähigkeit 150 t. 1898 an Amet, Berlin, 1908 an G.Apel, Berlin 1920 an die Schnelldampfer-Gesellschaft »Deutschland«, Berlin, 1929 an NNFG. 1937 in Landsberg registriert. War auch Personendampfer.

D »Grenzmark«
Erbaut 1893 bei Koch, Stettin für H. Maß, Berlin, als »Schwedt«. Länge 41,55 ra, Breite 5.00 m, Leistung 110 Psi, Tragfähigkeit 250 t. 1922 an NNFG (später NNVE), 1933 nach Landsberg verkauft. 1937 auf 49,55 m verlängert."

In der Zeit nach dem 2. Weltkrieg hat die Wartheschiffahrt offenbar wieder an Umfang und Bedeutung verloren. Reisende berichten übereinstimmend, daß ihnen der fehlende Schiffsverkehr auffällt. Im Sommer 1990 sah man bei Schwerin Kinder die Warthe watend durchqueren. Bei einem solchen Wasserstand, bzw. einer versandeten Fahrrinne, dürfte kein Lastschiff mehr die berühmte »handbreit Wasser« unter dem Kiel haben. -eh-

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Erstellt am 11.10.2016 - Letzte Änderung am 11.10.2016.