Notizen aus Landsberg
von Werner Siebke
In der alten Heimat beginnt man, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Die noch vor Jahren befohlene Auslegung der Ereignisse nach Kriegsende mit dem Anspruch der angeblich polnischen Vergangenheit des neumärkischen Raumes wird revidiert und weicht der Einsicht der Vernunft! In Landsberg im Museum ijn Speicher ist die Darstellung der jüngsten Geschichte entfernt worden und soll der Dokumentation der wirklichen Vergangenheit weichen. Man wird sich bewußt, was den Landsbergern auf Befehl Stalins und der damaligen polnischen Regierung angetan wurde. Dem Vernehmen nach sollen die polnischen Straßenschilder Zusatzbezeichnungen in deutscher Sprache erhalten. Es sind sogar Bestrebungen da, die noch vorhandenen Ehrentafeln für die Gefallenen des Weltkrieges in den Kirchen wieder aufzuhängen.
Landsberg kommt jetzt auch in den Genuß von Medikamentenspenden für die bedürftigere Bevölkerung. Bereits zum zweiten Male wurde durch meine Privatinitiative ein Transport mit gespendeten Medikamenten und Infusionslösungen für die Caritas-Apotheken und Krankenhäuser in Landsberg und Grünberg durchgeführt. Die letzte Lieferung hatte einen Wert von 150000 DM! Die Caritas-Apotheke befindet sich in der früheren Stadionsiedlung. Die Hilfsmaßnahmen werden fortgesetzt. Mit gleichen Transporten wird auch ein Waisenhaus für 160 Kinder bis zu 6 Jahren betreut. Neben Kinderkleidung herrscht dort akuter Mangel an Nährmitteln, Vitaminpräparaten , Pflegemitteln und Süßwaren. Auch Großspielzeuge, wie Dreiräder usw. fehlen. Das Waisenhaus befindet sich am ehemaligen Hintermühlenweg, einer Parallelstraße zur Hohenzollernstraße. Man sollte es bei Besuchen der alten Heimat aufsuchen!
Das Gesicht des Wartheufers hat sich gewandelt. Das Klinkerbollwerk ist nur noch in Ansätzen links und rechts der früheren Gerloff-Brücke vorhanden. Anstelle der verfallenen Mauern wurden Spundwände gerannrt:, die in 1,50 m über der Warthe mit einer Betonkrone abgeschlossen sind. Das Ufer zur Stadt hin wurde abgeschrägt und mit Graswuchs abgedeckt. Im Abstand führen breite Freitreppen zur Warthe hinunter. Der basarartige Markt zwischen Bahnviadukt und Warthe wurde hinter den Bahndamm verlegt, das Ufer selbst wird zu einer Promenade umgebaut.
Landsberg erhält neben der Eisenbahn- und der Straßenbrücke eine dritte Straßenbrücke. Der Nord-Süd-Verkehr durch die Damm und Angerstraße in der Brückenvorstadt soll durch einen Verkehrskreisel südlich der Kanalbrücke entlastet werden und die Verkehrsströme über die Tangenten auf die Lorenzdorfer und Soldiner Straße hin geführt werden. Die erste notwendige Brücke über die Warthe ist neben dem Winterhafen im Entstehen. Die Fundamente für die südliche Brückenrampe sind bereits betoniert, die Fundamente in der Warthe, gegenüber dem früheren Sägewerk Bigalke, werden derzeit gegründet.
In der früheren Lutherkirche wurde Ende vergangenen Jahres eingebrochen. Zwei Spitzbuben suchten Geld und Wertgegenstände. Da diese im Pfarrhause aufbewahrt werden, fanden sie nichts und demolierten das Kircheninnere und zerstörten die Bleiglasfenster neben dem Turm. Da eine Versicherung bestand, konnten die Schäden bereits behoben werden. Die Übeltäter wurden ermittelt und der Bestrafung zugeführt. - Die Türflügel des Windfanges im Vorraum erhielten als Spende alter Landsberger eine neue Bleiverglasung mit 24 Feldern.
Das Stadttheater hat sein altes Gesicht bewahrt. Die Krone unter der schmiedeeisernen Mittelrosette über dem Zuschauerraum ist entfernt und hängt jetzt angeblich in der Philharmonie in Posen. Das Theater wird lebhaft bespielt durch ein eigenes Ensemble mit Operetten, Singspielen und Theaterstücken. In der Weihnachtszeit wurde die „pastoraZk“ (Weihnachtsgeschichte) aufgeführt - eine Videoaufzeichnung davon befindet sich im Heimatmuseum und kann abgerufen werden. Derzeit läuft „Zmesta“ (die „Rache“) von Aleksander Fredro, eine Komödie, die im polnischen Hochadel angesiedelt ist. Weiter läuft das Schauspiel „Madam de Sade“ von Yukio Mishima, das sich mit den Verimingen des menschlichen Gefühlslebens befaßt.
Was gibt es sonst noch zu berichten? Es ist heute kein Problem mehr, die alte Heimat zu besuchen. Der Grenzübertritt geht reibungslos vonstatten, Grenzpolizei und Zöllner zeigen sich höflich und zuvorkommend. Das Unterkunftswesen normalisiert sich, die Hotels sind annehmbar. Wer sich nicht zurechtfindet, wende sich an Pfarrer Buchalik an der früheren Lutherkirche. Das Pfarrhaus befindet sich in der früheren Wachsbleiche 1B, er wird jedem alten Landsberger weiterhelfen. Landsberg ist inmer noch eine Reise wert, die Stadt verändert aber ihr Gesicht von Mal zu Mal!
Werner Siebke
Talstaße 16a, 3250 Hameln
Erstellt am 14.10.2016 - Letzte Änderung am 14.10.2016.