„DREIFACH IST DER SCHRITT DER ZEIT ...“
Von alten Bräuchen in der Vergangenheit
Die Tage des Jahres verharren nicht, kaum ist die Weihnacht vorüber, sind wir einem neuen festlichen Höhepunkt entgegengeeilt. Aus der Gegenwart schweift der Blick in die Zukunft, während die Vergangenheit dem Vergessen anheim fällt, wie es Schiller poetisch ausdrückt:
Dreifach ist der Schritt der Zeit:
Zögernd kommt die Zukunft hergezogen.
Pfeilschnell ist das Jetzt entflogen,
Ewig still steht die Vergangenheit!
Vom neuen Jahr wird die Erfüllung unserer Wünsche, auch der verstiegendsten, erwartet, derentwegen Geister, Heilige, Hexen und Kobolde beschworen werden, wie es seit Urzeiten üblich war.
Die Römer pflegten am 1 Januar, mit dem das bürgerliche Jahr begann, dem Janus zu opfern, woran sich die Sitte schloß, dem Kaiser, den Patriziern, auch den Magistratspersonen Geschenke sowie Glückwünsche darzubringen. Aus diesem alten Brauch haben sich die Neujahrsgratulationen und das Spenden von Geschenken erhalten. Die Römerinnen durchzogen an diesem Tage die Straßen der Stadt, um Ceres bei der Suche nach ihrer Tochter Proserpina, die von Hades in die Unterwelt entführt worden war, zu suchen, ein Mythos, der als eine allegorische Darstellung des alljährlich erlebten Schauspiels der absterbenden und wiederauflebenden Pflanzenwelt zu werten ist. Die Sehnsucht nach dem Frühlingserwachen der Natur zieht sich einem grünen Faden gleich durch die ersten Monate des Jahres, dem der Mensch nach langer Winternacht mit heiligen und profanen Gebräuchen Ausdruck verleiht. Die Juden hielten den 1. Januar für Gottes Gerichtstag und sinnigerweise für Adams Erschaffenstag, mit dem das Erdenleben des Menschengeschlechts nach ihrer Meinung sich einleitete. Der Tag wurde durch Posaunen- und Trompetenschall verkündet. Bei den Christen spielte der Tag erst eine Rolle seit der Einführung des Gregorianischen Kalenders, an dem sich die Bräuche wie in der Adventszeit wiederholen: Neujahrsschießen, Peitschenknallen, Vermummungen, Orakelbefragung. Jede Handlung oder Unterlassung ist bestimmend für das kommende Jahr.
Die Fantasie der Menschen im Erfinden von Festen zum Zweck des Feierns ist unerschöpflich, die Kalendertage reichen schon nicht mehr aus, wenn aller Ereignisse sowie der Heiligen gedacht werden soll. Die 12 Nächte zwischen dem Thomastag (21.12.) und dem Vorabend des Dreikönigstages spielten im Volksglauben eine große Rolle. Es ist die finsterste Zeit des Jahres, voller Geheimnisse, voller Zauber und Weissagung, es ist aber auch die heiligste Zeit des Jahres.
Doch auch die bösen Geister sind los, Teufel, Kobolde, Druden und Hexen, die nach mittelalterlicher Dämonologie sich einmal im Jahr auf dem Hexenplatz gütlich tun mit Schmausen. Zechen und Tanzen. Ihre Fähigkeit, sich und andere zu verwandeln, ist das Thema für die Maskenumzüge in der Fastnachtszeit. Mit Rücksicht auf die scheinbar stillstehende Sonne ruht auch die häusliche Arbeit. Im ländlichen Brauchtum der Altmark hütete man sich in der Zeit zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag Wäsche zu waschen, vor allem, Wäschestücke im Freien aufzuhängen. „Man darf in den 'Zwölfen' keinen Zaun bekleiden, sonst muß man bald einen Toten bekleiden.“ Damit der Wolf nicht eindringen kann, schloß man die Stalltüren (Furcht vor dem Werwolf), das Handwerkszeug versteckte man, um sich vor Verlust zu schützen. Den Burschen stand das „Stehlrecht“ zu, da gestohlenes Futter dem Vieh besonders gut bekommen soll. Für die Mädchen bestand Spinnverbot, sie füllten Silvester sämtliche Gefäße mit Wasser. Ging es aus, mußten männliche Personen Wasser schöpfen. Vom düsteren Wetter in den zwölf Nächten erhofft sich der Landmann im kommenden Jahr volle Scheunen. Die Krippen und Weihnachtsbäume werden abgebaut, Stuben, Stall und Schäune geräuchert, das Zeichen der Heiligen Drei Könige mit geweihter Kreide an die Türen geschrieben zur Abwehr alles Bösen. Diesen drei Magiern, Kaspar, Melchior, Balthasar. sind die ersten Tage des Jahres geweiht, die durch einen Stern veranlaßt wurden, dem neugeborenen König der Juden ihre Ehrfurcht zu bezeugen, und von dem König Herodes von Jerusalem nach Bethlehem gewiesen wurden. Die Stadt Köln rühmt sich, die Gebeine der drei Magier in dem kostbaren Dreikönigsschrein zu besitzen, der am Dreikönigsfest besondere Ehrungen genießt.
Das Epiphanienfest am 6. Januar wird zum Andenken an die Taufe Christi im Jordan gefeiert. Es ist das Fest der Offenbarung Christi an die Heiden, als deren Symbol die Anbetung der Magier aus dem Morgenland gilt. Darum gedenkt die protestantische Kirche an diesem Tag der Heidenmission. Die Sternsinger ziehen um, drei als Könige verkleidete Knaben, in deren Reihen auch Perchta, die Gemahlin Wotans, die Schützerin der weiblichen Arbeit und Hüterin der ungetauft verstorbenen Kindlein, der „Heimchen“, mitzieht.
Von diesem Tag bis Aschermittwoch ist die Fastnacht, die dem Vegetationskult dienende Vorfrühlingszeit, in der mit Schellenrühren, Grasausläuten mit Kuhglocken die Burschen das Gras erwecken.
Bei dem Bauerntum, das mit seinen Riten noch mit der Erde und der Natur verbunden ist, lodern im alemannischen und schwäbischen Raum in der dunklen Zeit auf den Bergen des Schwarzwaldes die Feuerstöße auf, um die herum sich der Mummenschanz abspielt.
Andere Ereignisse haben den gotischen Überschwang schon in der Reformationszeit zurückgedrängt, noch größere Ereignisse in unseren Tagen nehmen auch den Rest hinweg von den jahrtausendealten Gebräuchen, deren Sinn den meisten Feiernden unbekannt ist.
Welche Wertschätzung einmal die „Fasnacht“ genoß, meldet die „Zimmersche Chronik“, nach der 1452 auf der Burg Trausnitz über Landshut in Anwesenheit vieler Grafen, Fürsten usw. an sieben Tagen 60000 Menschen und 10000 Pferde verpflegt wurden.
B. Kornowski
Erstellt am 06.10.2016 - Letzte Änderung am 06.10.2016.