Erlebnis aus meiner Kindheit (Frau Mallast, 85, 2014)
Auch ich, Sieglinde Schmidt,
geb. Mallast, geb.
am 08.10.1929 in Landsberg
an der Warthe, habe das
Bedürfnis, einige Zeilen zu
schreiben. Geboren wurde ich
in der Dammstr. 10, dann sind
wir einige Male umgezogen
(Meydamstr, am Sonnenweg),
zuletzt wohnten wir in Zechow,
wo ich auch mit meinem Bruder
Siegfried zur Schule ging.
Mein Vater wurde von Zechow
als Soldat eingezogen. Mein
Bruder Bruno Köhlert, den
meine Mutter schon in die
Ehe mitbrachte, war bei der
Konditorei Seidig in Landsberg
in der Lehre/Arbeit. Von dort
wurde er dann auch Soldat.
Meine Mutter starb im Jahre
1940. Wir Kinder [3] kamen von
der Fürsorge zu Pflegeeltern.
Mein Bruder Siegfried kam
nach Zetritz [Czettritz] zu Bauer Bornstein.
Meine Schwester Helga
und ich kamen nach Kuhburg/
Insel. Ich wollte immer auf
einem Bauernhof leben und
kam dann nach einiger Zeit
nach Pollychen zu Fischer
Rapsch. Sie hatten eine kleine
Landwirtschaft und Fischerei.
Dort hatte ich mich gut
eingelebt. Ich hütete Gänse
und zuletzt Kühe am Warthestrand,
wo unsere Wiese war.
Die Kinderzeit verlebte ich bei
Rapschens sehr gut. Im Sommer
besuchte ich des öfteren
meinen Bruder in Zettritz [Czettritz]. Mein
Pflegeopa war auch Fährmann
und setzte mich auf die andere
Seite der Warthe über. Ich
bekam aber immer Bescheid
auf den Weg mit, komme zeitig
nach Hause, aber einmal
klappte es nicht. Wir haben
nicht auf die Uhr geguckt, und
auf dem Nachhauseweg wurde
es immer dunkler, und ich
fand den richtigen Weg nicht
mehr. So landete ich wo, die
Warthe einen Knick macht bei
Zantoch. Ich sah ja die Lichter
brennen auf der anderen Seite.
Nun wusste ich, dass ich
wieder zurück musste. Angst
hatte ich keine. Wir Kinder
gingen in Landsberg in der
Friedrichstadt sonntags immer
zum Kindergottesdienst, und
so prägte sich mir der Spruch
ein: „Ob ich schon wanderte
im finsteren Tal, ich fürchte
mich nicht, denn Stecken und
Stab trösten mich“. Und so
kam auch Hilfe. Mein Opa
Rapsch und meine gute Tante
Erna waren schon auf der Suche
mit Laternen nach mir. Ich
war glücklich, als wir uns dann
fanden. Ich bin nie wieder zu
spät von meinem Bruder nach
Hause gekommen.
Ja, um es
etwas in Kürze zu schildern.
Wir haben auf der Flucht viel
Trauriges erlebt. Bombenangriffe
über Berlin und Potsdam,
wo wir eine kurze Zeit in
Bornim wohnten. Als die rote
Armee vor Berlin war, ging es
wieder weiter die Berlin-Hamburger-
Chaussee zur Elbe
entlang. Wieder ins Lager, als
der Krieg zu Ende war. Erst
waren wir beim Amerikaner,
dann beim Russen, der das
Lager auflöste und sagte, wir
könnten nach Hause. Nach
vielem Hin und Her bin ich hier
in Blesendorf gelandet. Hier
habe ich in eine kleine Landwirtschaft
1950 eingeheiratet.
Ich habe 3 Kinder und 4 Enkel.
Seit 1974 bin ich geschieden.
Ich habe dann in der LPG
gearbeitet, anschließend fast
15 Jahre bei der Post. Recht
und schlecht habe ich mich
mit meinen 3 Kindern und
einer kranken Schwiegermutter
noch in den 80er Jahren
durchgeschlagen.
Nun bin ich Rentnerin, und
meine Tochter Veronika hat
die kleine Wirtschaft und
hält sie mit meiner kleinen
Hilfe instand. Der liebe Gott
hat einen lieben Menschen
an meine Seite gesetzt, der
immer für mich da ist. Das
ist auch eine Gnade Gottes.
Außerdem möchte ich noch
anfügen, dass ich mit Tante
Erna Rapsch bis zum Lebensende
guten und lieben Kontakt
hatte. Wir haben uns gegenseitig
besucht. Ich war auch
noch 4 Wochen vor ihrem Tod
mit meinem Sohn in Berlin,
konnte mich noch bei einigermaßen
guter Gesundheit mit
ihr unterhalten.
Siglinde Schmidt geb. Mallast
Blesendorfer Dorfstraße 33
16909 Heiligengrabe
Ein Weiser ist man nur unter der Bedingung, in einer Welt voll Narren zu leben.
Arthur Schopenhauer, deutscher Philosoph (1788-1860)
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http://www.adressbuch-landsberg.de/nzhochwasser/pollychen.html
Der Fischer und Landwirt Otto Rapsch wird auch hier erwähnt:
↑ Neumärkische Zeitung v. 11. Dezember 1930
Erstellt am 08.09.2016 - Letzte Änderung am 08.09.2016.